Guten Tag aus Tbilissi,
Nachrichten haben ihre Halbwertzeit. Hat vor einigen Tagen noch
ein blutiger Zwischenfall im Parlament die Gemüter Georgiens
erregt, ist die Geschichte heute schon kaum mehr eine Fussnote
des Wahlkampfes. Für ns ist die Kopfnuss,
die der Sozialistenchef von einigen handfesten Parlamentskollegen
abbekommen hat, Anlass, einen ersten Bericht über das Geschehen
im Wahlkampf zu geben. Sonderlich ernst darf allerdings all das,
was auf der Wahlkampfbühne an Stücken und Szenen aufgeführt
wird, nicht genommen werden. Da unterscheidet sich Georgien nur
unwesentlich von allen anderen Demokratien der Welt.
Gerade in Wahlkampfzeiten lassen sich Propaganda und Nachricht
nur noch schwer unterscheiden. Auch aus diesem Grund verzichten
wir ab sofort auf die ständige Nachrichtengebung, Aufwand
und Erkenntniswert stehen in keinem verünftigen Verhältnis.
Dafür wollen wir uns intensiver in der Background-Leiste
um wirkliche Hintergrund-Informationen und dauerhafte Berichterstattung
kümmern.
In dieser Ausgabe finden Sie Background-Berichte zu Themen, die
wir schon intensiv bearbeitet haben: Abchasien
und der Friedensprozess, das Pankisital
und das militärische Ausbildungsprogramm
der Amerikaner in Georgien.
Über die Gedankenwelt georgischer Politik lassen wir einen
hierzulande bekannten politischen Analytiker zu Wort kommen, den
Psychothera-peuten Ramaz Sakwarelidse.
Er hat dem Politikbetrieb, dem er acht Jahre lang als Abgeordneter
angehörte, adieu gesagt, ist ihm aber durch vielfältige
publizistische Arbeit weiter verbunden.
Durchaus politisch gemeint ist auch unsere Hintergrund-Reportage
vom Hotel Adjara, das allen Tbilissi-Besuchern
gemeinhin als das große Flüchtlingshotel bekannt ist.
Wir haben aber einmal hinter die Kulissen des ehemaligen Intourist-Hotels
geschaut und festgestellt, dass sich da ganz andere Dinge abspielen
als das, was man im Vorbeifahren so mitbekommt. Das Adjara ist
der größte Vergnügungstempel der georgischen Hauptstadt.
Hätten Sie's gedacht?
Die Halbwüste von David Garedschi,
nur eine Autostunde von Tbilissi entfernt, zählt zu den landschaftlich
und kulturhistorischen Highlights Georgiens. Wir haben uns im
Steppen-Frühling etwas umgesehen, eine schöne Fotostrecke
eingefangen und ganz nebenbei den Schildkröten bei der schönsten
Sache der Welt zugeschaut.
Avantgarde-Kunst ist nicht gerade oft zu sehen in Tbilissi. Mit
der Ausstellung Appendix 2 hat der
junge Fotograf und Kunstmanager Wato Tsereteli mit seinen Mitstreitern
eine durchaus bemerkenswerte Ausstellung auf die Beine gebracht.
Eine Ausstellung, die sich nicht nur in verstaubten Museen verkricht,
sondern die Öffentlichkeit sucht, zum Beispiel die Altstadt
von Tbilissi.
Dazu zwei Gourmet-Themen: das Restaurant
PHOENICIA und unser Versuch, georgischen
Spargel auch wirklich georgisch zuzubereiten. Die Briefmarkenfreunde
müssen wir auf die nächste Ausgabe vertrösten.
Heute, wenn diese Ausgabe im Netz erscheint, kommt NATO-Generalsekretär
Robertson nach Georgien. Ein neuer Akt im Tbilisser Dauerschauspiel:
"Wir wollen in die NATO". Das Stück wird zumindest
noch bis zum Wahltermin am 2. November in unzähligen Variationen
aufgeführt werden. Darüber werden wir in 14 Tagen berichten,
auch über eine 18-köpfige Gruppe deutscher Motorrad-Rentner,
die mir ihren heissen Öfen der Marke Harley Davidson von
München über die Türkei nach Tbilissi anreisen
und dann über die Fähre Poti-Noworossisk und die Ukraine
zurück nach Good old Germany rollen. Schaunmermal, würde
der Kaiser jetzt sagen, was die von den Straßen Georgiens
erzählen. Und von seinen Polizisten.
Einen der wichtigsten Männer Georgiens werden wir dann auch
vorstellen: Tedo Tschaparidse, den Sekretär des Nationalen
Sicherheitsrates. Der Mann hat eine interessante Geschichte hinter
und - vielleicht sogar - eine noch viel interessantere Zukunft
vor sich.
Viele Grüsse aus dem Kaukasus
Rainer Kaufmann
Irine Epitaschwili
Irakli Naskidaschwili
PS. Unsere erste Ausgabe in russisch ist vorbereitet. Wir warten
nur noch auf die Freischaltung unserer Webadresse: www.gruzia-news.ge.
Schaunmernocheinmal, wie man im Norden auf unsere Berichte aus
der früheren Provinz Transkaukasien reagiert.
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