Ausgabe 5/02, 8. April
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"Erwachsenenbildung im Kaukasus"
Deutscher Volkshochschulverband eröffnet Projektbüro in Tbilissi

Seit Mitte Januar 2002 hat das Institut für Internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volkshochschulverbandes (IIZ/DVV), das in Bonn angesiedelt ist, ein neues Projektbüro Kaukasus in Tbilissi eröffnet. Das Ziel der Projektarbeit ist die Förderung der Erwachsenenbildung in der Region Südkaukasus. Das Institut für Internationale Zusammenarbeit unterstützt seit über 30 Jahren die Konzeption und Durchführung von Programmen der Erwachsenenbildung in zahlreichen Partnerländern, fördert die Kooperation der deutschen mit der internationalen Erwachsenenbildung und den Austausch von Informationen und Erfahrung auf diesem Gebiet.

Erwachsenenbildung ist in allen europäischen Ländern faktisch der vierte Sektor des Bildungssystems neben den drei anderen Sektoren allgemeinbildende Schulen, Berufsschulen und Hochschulen. Das Kurs- und Lehrangebot im Sektor der Erwachsenenbildung, der weniger staatlich reguliert ist und sich vielmehr nach der Nachfrage seitens der Bevölkerung richtet, ist sehr breit gefächert. Es umfaßt allgemeine, kulturelle, politische, aber auch berufliche Bildung und reicht von Kursen zur Alphabetisierung über Hobbykurse bis hin zu international anerkannten Abschlüssen in bestimmten Fertigkeiten oder Qualifizierungen. Interessant ist die Tatsache, daß die Nachfrage nach Bildungsangeboten bei Erwachsenen umso höher ist, je höher das Wirtschafts- und Sozialsystem eines Landes entwickelt ist. Entsprechend vielfältig ist dort auch der Erwachsenenbildungs-"Markt".

In der Sowjetunion gab es ein Netz an Erwachsenenbildungs-Einrichtungen, von denen die Gesellschaft "Znanie" (in Georgien: "Tsodna") die größte war. Die formale wie inhaltliche Ausrichtung dieser Institutionen war aber ziemlich ideologisiert, die angebotenen Kurse orientierten sich kaum an den Bedürfnissen der Bevölkerung. Deshalb bestehen sie heute auch nicht mehr, zumindest nicht mehr in ihrer damaligen Funktion. Mit den Veränderungen im politischen und wirtschaftlichen Leben der unabhängig gewordenen Staaten entstanden sehr viele Probleme, von denen eines der größten die Arbeitslosigkeit ist. Mit dem neuen Wirtschafssystem, aber auch den vielen neuen Technologien und Werkmaterialien haben sich die Anforderungen des Arbeitsmarkts an Arbeitskräfte und Fachleute in beinahe allen Berufsfeldern, auch den akademischen, stark verändert. Der Bedarf an Anpassung der in der Vergangenheit erworbenen Qualifikationen und damit an Weiterbildung oder Umqualifizierung zu neuen Tätigkeitsfeldern ist deshalb sehr hoch. Damit ist auch eine Nachfrage an Kursen für Erwachsene entstanden, und wo es eine Nachfrage gibt, gibt es irgendwann auch ein Angebot. So entwickelt sich auch in den sog. Transformationsländern, zu denen auch Georgien gehört, allmählich ein Markt der Erwachsenenbildung, auch wenn der Begriff Erwachsenenbildung im europäischen Sinne bisher kaum bekannt ist.

Genau hier setzt nun die Tätigkeit des Instituts für Internationale Zusammenarbeit an. Ziel der Projektarbeit ist es, diejenigen Institutionen zu unterstützen, die im Bereich der Erwachsenenbildung tätig sind oder werden können, und so bei der Entwicklung der Strukturen in diesem Bildungssektor zu helfen. Es geht nicht darum, dass die Deutschen hier selbst Kurse für Erwachsene anbieten, sondern um die Stärkung der örtlichen Einrichtungen, damit sie in die Lage versetzt werden, dem Bedarf an Weiterbildung und Qualifizierung zu entsprechen und das Kursangebot zu erweitern bzw. auch für die armen Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen, die nicht dafür zahlen können.

Aus arbeitsmarktpolitischen und sozialen Gründen werden dabei aus dem breiten Spektrum der Erwachsenenbildung die berufliche Weiterbildung und Umschulung Vorrang haben gegenüber der allgemeinen, kulturellen oder politischen Bildung. Konkret werden zunächst ca. 10 staatliche Berufsschulen im ganzen Land identifiziert, in denen zusätzliche Kurse zur beruflichen Qualilfizierung Erwachsener durchgeführt werden können. Für einige ausgewählte Fachrichtungen, darunter Landwirtschaft, KFZ-Reparatur, Bauhandwerk, Bürofachkräfte, kaufmännisches Basiswissen, unternehmerische Grundkompetenzen (die beiden letzteren als Querschnittsqualifikationen, die in verschiednen Berufsbildern angewendet werden können), werden in Zusammenarbeit mit Experten Standarts erarbeitet, Curricula für kurzzeitige Kurse (3-10 Monate) erstellt und die Lehrer fortgebildet. Nach der Durchführung von Modellkursen werden die Curricula dann in ausgewählten Berufsschulen in die Praxis umgesetzt. Flankiert werden diese inhaltlichen Maßnahmen durch Materialhilfen und technische Ausstattung einzelner Einrichtungen.

Parallel zu diesem Schwerpunkt will das Projektbüro des IIZ/DVV eine Sektorstudie zur Erwachsenenbildung durchführen. Dabei werden einerseits die heute aktiven Träger der Erwachsenenbildung - staatliche Einrichtungen ebenso wie private und NGO`s - erfaßt und analysiert, andererseits Daten zur Situation und dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt gesammelt. Einen wichtigen Stellenwert in der Projektarbeit wird auch die Lobby- und PR-Arbeit für die Belange der Erwachsenenbildung einnehmen. Das Ziel dabei ist, sowohl gegenüber den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft als auch in der breiten Öffentlichkeit das Bewußtsein für die Bedeutung der Erwachsenenbildung zu schärfen. Publikationen zu den Themenbereichen Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen (englisch: life long learning, abgekürzt: LLL) werden die Arbeit ergänzen. Schließlich sollten durch Unterstützung ausgewählter Nichtregierungsorganisationen auch einzelne Maßnahmen im zivilgesellschaftlichen Bereich gefördert werden.

Die Aktivitäten des IIZ/DVV werden sich auf alle drei südkaukasischen Länder Armenien, Aserbaidschan und Georgien erstrecken, wenn auch die ersten Pilotprojekte schwerpunktmäßig in Georgien durchgeführt werden. Hintergrund der Gründung des Projektbüros ist die sog. Kaukasus-Initiative des Deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Nach ihrer Rückkehr von einer Reise durch drei südkaukasischen Länder im März 2001 stellte die Bundesministerin Frau Wieczorek-Zeul ein Programm zur Stärkung der regionalen Kooperation in dieser Region zusammen. Mit dieser Initiative will Deutschland zu mehr Stabilität in der krisengeschüttelten Region beitragen.

 

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