Ausgabe 5/02, 8. April
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Den Worten müssen auch mal Taten folgen

Da hat er wieder einmal verbal zugeschlagen wie kein zweiter, der georgische Staatspräsident Eduard Schewardnadse in seinem verzweifelten Kampf gegen die Korruption. Entweder seine Minister würden bis zum Herbst nennenswerte Ergebnisse im Kampf gegen das Krebsgeschwür der georgischen Gesellschaft vorweisen oder er werde sie allesamt entlassen. Und damit sie den Ernst der Situation auch wirklich begreifen, hat er ihnen bis zu einer Sondersitzung des Kabinetts zu diesem Thema die Hausaufgabe aufgegeben, die Vorschläge des Anti-Korruptionsrates zu studieren und ihm wiederum Vorschläge zu unterbreiten, wie diese umgesetzt werden können. Die Szene hat etwas vom Oberlehrer und seinen braven Schülern, fast schon idyllisch, das Ganze, wäre die Angelegenheit nicht zu wichtig. Und die Szene hat auch etwas vom alten Parteisekretär, der seine Paladine in den Senkel stellt, ohne dass sich später etwas ändern würde. Der Alte hat wieder einmal medienwirksam gebrummelt und die Dinge nehmen weiter ihren korrumpierten Lauf.

Ob die Minister und Chefs der vielen Departments die richtigen Leute sind, mit dem unüberschaubaren Dschungel an Regulierungsbehörden und Vorschriften, die allesamt Quellen von Korruption sind, aufzuräumen, mag dahingestellt sein. Im Papier des Anti-Korruptionsrates ist ein grosser Teil der Ministerien und Behörden, die diese Herren vertreten, zur Auflösung vorgesehen. Die Bereitschaft, dies auch aktiv und freudig umzusetzen, ist sicher begrenzt. Mit seinen Ministern als Speerspitze gegen die Korruption ist Eduard Schewardnadse dabei, Böcke zu Gärtnern zu machen. Und vermutlich weiss er dies auch.

Allerdings gehören zur Korruption immer zwei: derjenige, der sich bestechen lässt, und derjenige, der besticht. Und beide versprechen sich einen Vorteil von diesem Manöver. Das übersehen nahezu alle, die der Regierung Untätigkeit in Sachen Korruptionsbekämpfung vorwerfen. Nahezu jeder, der in Georgien das Krebsgeschwür der Korruption beklagt, ist selbst Teil dieser Korruption. Denn solange es Allgemeingut der Gesellschaft ist, den Staat nicht einmal mit dem Mindesten wohl auch Verständnis dafür aufbringen, dass diese sich eben einer subtilen Form der direkten Steuereintreibung bedienen. Das System, so sieht es die überwiegende Mehrheit der Menschen, hat über Jahrhunderte funktioniert, warum soll es jetzt geändert werden? Es stört, wen`s stört.

Es ist also nicht damit getan, im Halbjahrestakt die Ministerriege in Sachen Korruption abzukanzeln und hie und da einen aus der Riege derer, die nun wirklich nicht mehr haltbar sind, auszutauschen und der gierigen Öffentlichkeit zum Frass vorzuwerfen. Die Korruption ist ein gesamtgesellschaftliches Problem Georgiens, das einzig wirkliche Problem dieser Gesellschaft. Und da müssen alle, Präsident, Regierende und eben auch die Regierten ihren Worten endlich Taten folgen lassen. Wenn nicht, wird es beim Halbjahresritual präsidialen Zorns und im übrigen alles beim alten bleiben.

Rainer Kaufmann

 

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