Ausgabe 5/02, 8. April
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Mit nur vier Zahlen lässt sich die nahezu unglaubliche Geschichte des Mineralwassers aus dem Kleinen Kaukasus darstellen: Rund 450 Millionen Halbliterflaschen verliessen zu besten  Sowjetzeiten die Abfüllanlagen in Bordschomi. Im Jahr 1995 war der einstige Musterbetrieb Georgiens vollkommen heruntergekommen und füllte nur noch eine lächerliche Million an Halbliterflaschen ab. Im vergangenen Jahr erreichte man wieder rund 60 Millionen Flaschen, in diesem Jahr wird die 100-Millionen-Grenze auf alle Fälle überschritten. Und im Jahr 2005 will man wieder dort stehen, wo man vor zehn Jahren war, bei rund einer Viertel Milliarde an Litern Mineralwasser, die in Georgien abgefüllt und weltweit vermarktet werden. Das marktwirtschaftliche Comeback eines der wenigen wirklichen Markenartikel des Sozialismus zeigt, dass mit entsprechendem Kapital, aber auch mit klarem westlich orientierten Marketing und Management Erfolge durchaus möglich sind.

Die Ausgangslage für die neuen Bordschomi-Macher war denkbar ungünstig. Sie erhielten im Jahr 1995 zwar die Exklusiv-Lizenz zur Abfüllung und Vermarktung von Mineralwasser unter dem Markenzeichen „Bordschomi“, aber sie hatten es am Markt vornehmlich mit Produktfälschungen als Wettbewerber zu tun. Zum einen waren es illegale Abfüller aus Bordschomi, die einfach Quellen und Leitungen anzapften und unter teilweise ungenügenden sanitären Bedingungen Bordschomi abfüllten und zu Spottpreisen auf den Markt warfen. Zum anderen waren es vor allem in Russland lokale Tafelwasserproduzenten, die normales Wasser mit einigen Mineralien anreicherten, um den Bordschomi-Geschmack zu imitieren. Noch vor sechs Jahren, so schätzen die Bordschomi-Manager, waren 90 % des in Russland unter der Marke Bordschomi verkauften Wassers schlichtweg Fälschungen. Heute sind die georgischen Exporteure in Russland wieder auf Platz eins der Mineralwasser, was den Verkaufswert angeht, und die unbestrittene Nummer eins in modernen Distributionsformen über Supermarktketten zum Beispiel. Und das, obwohl das Original-Bordschomi mehr als doppelt so teuer ist wie russische Produkte.

Zwei Manager aus Europa

Die neuen Bordschomi-Macher, das ist die Georgian Glas and Mineral Water Ltd.  (GGMW), gegründet von Mamuka Khazaradze, dem Präsidenten der TBC-Gruppe und Aufsichtsratsvorsitzenden der TBC-Bank, und einigen europäischen, vorwiegend niederländischen Geschäftspartnern. Hinter dem Erfolg von Bordschomi stehen aber seit einigen Jahren mit dem Franzosen Jacques Fleury und dem Holländer Ruud J. Van Heel zwei europäische Manager, die GGMW im Jahr 1997 nach Georgien holte, da man einsah, dass mit dem vorher gepflegten Eigentümer-Management eine vernünftige Geschäftsentwicklung nicht zu bewerkstelligen war.

Fleury, heute 55 Jahre alt, verdiente sich seine Managersporen im Iran, Marokko, Guinea, Senegal, Kamerun, Liberia und Ägypten, wo er für verschiedene einheimische, italienische und griechische Landwirtschafts- und Lebensmittelfirmen in leitender Verantwortung tätig war. Fleury ist Generalmanager von GGMW und zusammen mit Mamuka Kazaradze, dem Präsidenten der Gesellschaft, der strategische Kopf des Unternehmens. Er spricht neben seiner Muttersprache noch Englisch, Italienisch und Persisch, ein Mann, den aufgrund seines Lebenslaufs kaum noch etwas umwerfen kann. Auf alle Fälle hat er die vielen kleinen Probleme, die den Geschäftsalltag in Georgien so unvergleichbar gestalten, bisher mit viel Charme und Gelassenheit, aber auch mit Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen überstanden. Und Jacques Fleury hat gelernt, auf manch eine Annehmlichkeit zu verzichten, die das Leben ausserhalb Georgiens manchmal ein wenig bequemer macht als hier.

Der 38-jährige Van Heel war vor seiner Verpflichtung für GGMW Betriebsprüfer bei Deloitte & Touche Auditors in the Netherlands und jeweils Finanzdirektor bei einer grossen holländischen Bäckerei und einem Immobilienunternehmen. Bei GGMW ist er zuständig für das gesamte Finanzwesen im Hauptquartier und in den Verkaufsrepräsentanzen im Ausland. Van Heel spricht neben seiner holländischen Muttersprache fliessend Englisch, Deutsch, Russisch und Französisch.

Moskau und Petersburg sind die Hauptmärkte

Der Hauptmarkt für Bordschomi ist in Russland, vor allem in Moskau und St. Petersburg, das war den Leuten von GGMW von Anfang an klar. In Russland hat der Name Bordschomi einen Klang, den wir im Westen vielleicht mit Perrier oder gar Coca Cola vergleichen können, ein ungeheures Markt-Potential, das allerdings gegen die Flut an Falsifikaten erst wieder erobert werden musste. Das zweite Hauptproblem des russischen Marktes liegt in der Logistik. Im Winter lässt sich Mineralwasser angesichts der frostigen Temperaturen kaum oder nur zu erhöhten Kosten in Thermo-LKW`s transportieren. Statt dessen entsprechend grosszügige Lager anlegen, bedeutet eine ungeheure Kapitalbindung. Und auf die Marktpräsenz im Winter zu verzichten, ist ein allzu grosses Risiko. Man ist schnell wieder aus den Regalen verschwunden, wenn man nicht präsent ist. So mussten die Bordschomi-Manager durchaus enorme Finanzrisiken eingehen, ehe sie den russischen Markt wieder unter ihre Kontrolle bekamen. Daneben wurde selbstverständlich auch in die Modernisierung der Produktion investiert. Insgesamt 30 Millionen $ wurden in den letzten Jahren investiert, allein die EBRD bewilligte einen Kredit von 10 Millionen $ und würdigte das Bordschomi-Projekt vor einem Jahr mit einem besonderen Preis.

Das Manöver „Comeback einer grossen Marke“ hat geklappt. Im Jahr 1997 verkaufte man bereits über 16 Millionen Einheiten, drei Jahre später schon knapp 50 Millionen. In diesem Jahr rechnet man mit rund 110.000 Flaschen zu 0,5 l, damit ist man immerhin wieder bei einem Viertel der früheren Produktion angekommen.

Heute stellen die Märkte Moskau und St. Petersburg mit rund 54 % des Gesamtabsatzes das Rückgrat von GGMW dar. Im Georgien werden rund 30 % der Produktion verkauft, die restlichen 16 % teilen sich die übrigen Regionen Russlands, die stark im Wachsen begriffen sind, und die Länder Israel, USA, Deutschland, England, Irland, Australien, Polen, das Baltikum, Weissrussland, Ukraine, Moldawien, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan, Mongolei, Thailand und Korea. Bordschomi, so stellen seine Manager mit Zufriedenheit fest, ist wieder auf dem Wege, das Perrier des Ostens zu werden. In einer wöchentlich aktualisierten repräsentativen Markterhebung in Moskau hält Bordschomi mit einer Verteilerquote von 86,6 % der untersuchten Outlets den ersten Platz vor allen anderen Anbietern, eine reife Leistung nach den Zusammenbruch der letzten zehn Jahre.

Eine moderne Produktfamilie

Der Erfolg wurde aber auch mit erheblichen Investitionen in Produktinnovationen erzielt. Neben der traditionellen, bläulich schimmernden Glasflasche gibt es Bordschomi seit einiger Zeit auch in 0,5 l, 1 l und 1,5 l Plastikflaschen. Und GGMW hat neben dem klassischen Bordschmoi zwei weitere Produkte am Markt eingeführt: Bordschomi Spring und Bordschomi light.

Das klassische Bordschomi ist nach wie vor die Hauptmarke. Sie hat ein hohes Qualitätsimage vor allem unter Verbrauchern, bei denen die Gesundheit im Mittelpunkt steht. Das äusserst mineralhaltige Bordschomi hilft bei Magenbeschwerden und, immer wieder nachweisbar, bei Bachmelia, das ist die georgische Variante eines normalen deutschen Alkohol-Katers. Dieses Premium-Image eines Heilwassers verbunden mit den hohen Transportkosten aus dem Original-Abfüllort Bordschomi rechtfertigen in den Augen der russischen Verbraucher auch die Position Bordschomis als Preisführer und diskriminieren alle Billig-Preis-Produkte desselben Namens als Falsifikate. Eine Marketing-Strategie, die aufging und es GGMW ermöglichte, mit Bordschomi Spring und Bordschomi light gleich eine kleine Produktfamilie am Markt zu platzieren. Deshalb änderte man in den letzten Monaten auch sehr vorsichtig die Werbestrategie in Russland. Statt einem aus der Zaren- und Sowjetzeit allseits bekannten Heilwasser wird jetzt das Bordschomital als einmalige ökologische Herkunft einer ganzen Reihe von Wässern beworben. Denn man will vor allem mit den neuen Produkten, die neue Käuferschichten erschliessen sollen, das Wachstum der Firma beschleunigen. Bordschomi, einst einer der besten Exportschlager Georgiens in die UdSSR, ist wieder eines der wichtigsten Exportprodukte des Landes. Jetzt aber unter modernem Management und mit allen Chancen, sich auch andere Teile der Welt zu erobern, nicht nur Moskau und St. Petersburg.

 


Jacques Fleury, Französischer General in georgischen Diensten




Moderne Produktionslinien


Klassische Marke


Moderne Produktfamilie

Ruud van Heel, holländischer Finanzchef mit Sammlerleidenschaft

 

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