Ausgabe 5/02, 8. April
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Kodori-Frage erst einmal gelöst
Hoffnung für weitere Fortschritte in Abchasien

Nach dreimonatigen Verhandlungen haben die georgische und abchasische Seite eine Vereinbarung zur Lösung der Kodori-Frage getroffen. Dies war vor allem von Abchasien als eine der Grundvoraussetzungen für weitere Verhandlungen zur friedlichen Lösung des Konflikts aufgebaut worden. Am 2. April kamen beide Seiten in einem Protokoll, das im UN-Hauptquartier in Tbilissi unterzeichnet wurde, überein, dass Georgien einerseits seine regulären Einheiten aus dem oberen Kodori zurückzieht, während die Abchasen ihrerseits schweres militärisches Gerät aus dem unteren Kodori und dem Tkvartscheli-Distrikt abziehen. Das obere Kodorital ist der einzige Teil Abchasiens, der - über Swanetien erreichbar - von georgischen Behörden kontrolliert wird. Beide Seiten erklärten, dass die Unterzeichnung des Protokolls einen Erfolg des künftigen Friedensprozesses ermögliche.

Beim Rückzug der georgischen Truppen geht es um insgesamt 350 Mann, also um eine durchaus überschaubare Zahl an Soldaten. Sie waren im strategisch wichtigen oberen Teil des Tals im Oktober letzten Jahres eingesetzt worden. Für die Abchasen stellten diese georgischen Soldaten, die entgegen den Bestimmungen des Moskauer Waffenstillstandsabkommens über Abchasien im Kodori stationiert worden waren, eine ernsthafte Bedrohung ihrer Hauptstadt Suchumi dar, da das Kodorital direkt nach Suchumi führt.

Die offizielle Begründung des georgischen Verteidigungsministeriums lautete, dass sie nach Zusammenstössen zwischen georgischen Guerillas und abchasischen Soldaten die Sicherheit der im Kodori lebenden georgischen Bevölkerung gewährleisten sollten. In dieser Zeit waren unter anderen auch tschetschenische Kämpfer im Kodorital, was wiederum die russische Luftabwehr veranlasst hatte, über dem Kodorital einige Einsätze zu fliegen und gelegentlich auch das Feuer zu eröffnen, wie die Nachrichtenagentur Civil-Georgia die Vorgänge vom Herbst letzten Jahres vorsichtig beschreibt. In den georgischen Medien wurden sie zu "Bombardements russischer Kampfflugzeuge" hochstilisiert. Zu Konfliktzeiten und in Konfliktzonen nutzt jede Seite ihre propagandistischen Möglichkeiten, weshalb Schlagzeilen und offizielle Statements gleichermassen mit Vorsicht zu geniessen sind.

So wurde das obere Kodorital mit seinen wenigen Hundert Menschen an Bevölkerung und nicht mehr als 350 georgischen Soldaten über Wochen und Monate hinweg zum Zankapfel zwischen Tbilissi und Suchumi, stand sogar auf der Tagesordnung des UN-Sicherheitsrates und wurde zum Haupthindernis bei den anstehenden Verhandlungen über das sogenannte Boden-Papier, das ist eine Entschleissung des UN-Sicherheitsrates zur Aufteilung der Kompetenzen zwischen Tbilissi und Suchumi.

Das eigentliche Verhandlungsergebnis, nämlich dass die Georgier ihre Soldaten aus dem Tal abzuziehen hätten, stand schon am 17. Januar fest. Es dauerte allerdings zwei Monate, bis sich die Georgier mit den Sicherheitsgarantien der abchasichen Seite zufrieden stellten. Allerdings zieht Tbilissi nur die regulären Soldaten, die dem Verteidigungsministerium unterstehen ab. Sie sollen mit Polizeieinheiten und Grenzschutztruppen ersetzt werden, was selbstverständlich erneute Proteste auf abchasischer Seite hervorrief.

Trotzdem wurde das Abkommen von beiden Seiten unterzeichnet, ein Zeichen dafür, dass beide Seiten gewillt sind, hinter dem Schleier ihres verbalen Kanonendampfes - und unter Druck der internionalen Staatengemeinschaft - doch sachlich und vernünftig zu verhandeln. So sieht es auch UN-Sonderbotschafter Dieter Boden, der sich zufrieden über das Erreichen dieser Vereinbarung zeigte. "Von nun an gibt es eine Basis für beide Seiten, auch die verbliebenen Probleme zu lösen."

Es geht vor allem um die sichere Rückkehr der georgischen Flüchtlinge in den Gali-Distrikt und die Diskussion des sogenannten Boden-Papiers. Details dieses Papiers sind bisher streng vertraulich. Es scheint aber auf eine Art Teilung Abchasiens in einen abchasisch-autonomen Teil und einen georgisch verwalteten Teil unter Wahrung der staatlichen Einheit Georgiens hinauszulaufen, also auf einer Teilautonomie des überwiegend abchasisch besiedelten Teils Abchasiens im georgischen Staatsverbund. Während das offizielle Tbilissi das Papier begrüsst, da es die territoriale Integrität des Landes absichere, ist gerade dieser Punkt für die Abchasen schwer zu akzeptieren. Den Unterhändlern aus Abchasien und Georgien und ihrem deutschen UN-Vermittler stehen die eigentlichen Hausaufgaben erst noch bevor. Trotzdem, so sehen es alle Beteiligten, ist mit dem Kodori-Kompromiss ein erster Schritt gemacht, der zumindest vage Hoffnungen auf weitere Fortschritte rechtfertigt.

Der georgische Rückzug aus dem Kodorital wird allerdings nicht von allen politischen Lagern in Tbilissi begrüsst. Während die Bürgerunion keine Risiken für Georgien im Abzug seiner Soldaten aus dem unzugänglichen Hochlandtal sieht, erklärt Wachtang Bochorischwili von der Fraktion 21. Jahrhundert, der Rückzug käme einer Aufgabe des Kodoritals gleich. Die "Neuen Rechten" schlossen sich dieser Bewertung an und erklärten, dass Georgien sofort von diesem Protokoll und dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 zurückzutreten habe, sollten sich neue Gefahren für das Kodori ergeben. Die Traditionalisten warfen der Regierung Schewardnadses vor, jetzt einem Rückzug georgischer Soldaten zugestimmt zu haben, was man vor einem Monat noch kategorisch ablehnte. Agorzineba, die Fraktion von Aslan Abaschidse, den Schewardnadse zu seinem persönlichen Beauftragten für die Lösung des Abchasienkonflikts ernannte, kritisierte, dass die Annahme des Protokolls durch die Regierung ohne einen Parlamentsbeschluss die Verfassung Georgiens verletze. Gleichzeitig betonte Agorzineba allerdings die Notwendigkeit einer friedlichen Regelung des Abchasienkonflikts.

 

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