Guten Tag aus Tbilissi,
etwas kopflastig könnte man die Titel dieser Ausgabe nennen,
mit einer Ausnahme beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig
mit Personen, die in den letzten Wochen für Interesse in
Georgien sorgten. Manchmal sind die Zeiten eben so.
Der Konflikt zwischen Michael Saakaschwili
und Aslan Abaschidse beschäftigt wieder einmal die Medien
der Welt. Zusammen mit der deutschen Journalistin Deborah Wild
(u.a. Deutsche Welle) haben wir versucht, den Ablauf der Ereignisse
der letzten Tage nachzuzeichnen und zu analysieren. Was überall
in der Welt als ein neues Problem an georgischem Sezessionismus
dargestellt wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen eigentlich
als ein rein juristisches Problem. Wie geht man mit jemandem um,
den man nach Lage der Dinge eigentlich vor einem ordentlichen
Gericht anzuklagen hätte, der aber dank der Nachsichtigkeit
der früheren Regierung sich eine kleine private Hausmacht
hat aufbauen können, die er nur unter einem hohen Preis aufzugeben
bereit ist. Die neue Krise ist überflüssig, mit etwas
Geduld und Weitsicht hätte man das Problem Abaschidse auch
weniger dramatisch lösen können. Jetzt blickt die Welt
wieder einmal auf das "Pulverfass Georgien". Höchste
Zeit für uns, wieder einmal in einem Kommentar
Position zu beziehen.
Der Tod von Gert Hummel hat auch in
der Redaktion von GN Trauer und Bestürzung ausgelöst.
Auch wir verlieren mit dem Kirchenmann einen wichtigen Ratgeber,
Gesprächspartner und unbestechlichen Informanten. Vor allem
das Gespräch, das wir vor genau zwei Jahren mit dem evangelischen
Bischof geführt haben - eines der ersten großen Interviews
- ist auch heute noch aufregend aktuell.
Zwei georgische Politiker verdienen das Rampenlicht unserer fürsorglich-freundlichen
Schlagzeilen: die neue Außenministerin,
ein Personalimport aus Frankreich, und - noch einmal - der frühere
Bildungsminister Alexander Kartosia,
ein guter Freund Gert Hummels aus dessen frühen Georgien-Tagen
übrigens. Unabhängig von der Beurteilung Vorwürfe,
die gegen ihn und das von ihm geführte Ministerium erhoben
werden, zeigt das Gespräch, das wir mit ihm führen konnte,
ganz deutlich: es gibt noch unendlich viel zu tun, wenn die georgische
Bildungspolitik sich das Prädikat Politik verdienen will.
Leben Sie in Tbilissi und haben Sie ein paar Minuten Zeit für
die Muse? Dann gehen Sie unbedingt zum Obersten Gerichtshof und
schauen sich die Collagen-Wunderwelt der Keta
Matabeli an. Kunst im Gerichtshof - eine der Ideen, mit denen
Lado Tschanturia die überkommenen Berührungsängste
der Bevölkerung mit der Justiz abbauen möchte. Und der
Palst des Obersten Gerichtshofes ist allemal sehenswert. Die Ausstellung
haben wir entdeckt, als wir dort die Präsentation eines interessanten
juristischen Fachbuches in deutscher Sprache
beobachteten. Unser Urteil: Auch für Laien lesenswert.
Bis zum nächsten Mal. Dann sollte Georgien endlich ein neues
Parlament gewählt haben. Der dritte Urnengang in nur vier
Monaten. Wir werden darüber berichten, vor allem über
die spannende Frage, ob in einem völlig blockierten Adscharien
Wahlen überhaupt möglich sind. Keine Überraschung
kann da ausgeschlossen werden.
Viele Grüsse aus Tbilissi
Rainer Kaufmann
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