Gert Hummel ist tot. Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche
von Georgien, der emeritierte Theologie-Professor von Saarbrücken
und Förderer der deutsch-georgischen Freundschaft hat die Folgen
eines Hirnschlags vom vergangenen Wochenende nicht überlebt.
Der 71-jährige verstarb in der Nacht vom Montag auf Dienstag
in einem Tbilissier Krankenhaus.
Gert Hummel kam bereits in den 80-er Jahren als Partnerschaftsbeauftragter
der Universität Saarbrücken nach Georgien. Viele Germanistik-Studenten
Georgiens verdankten Hummel einen Studienaufenthalt in Deutschland,
bei dem er sich immer mit viel Engagement auch der Betreuung seiner
Austauschschüler widmete. Über Hummels Verdienste auf
dem universitären Sektor werden von kompetenter Seite sicher
die notwendigen Nachrufe erfolgen. Wir wollen uns in dieser Würdigung
auf ein paar der Begegnungen beschränken, die wir mit Gert
Hummel im Laufe der Jahre in Georgien hatten, und auf die politischen
Aspekte seines Wirkens.
Dabei sei zunächst noch einmal in Erinnerung gerufen, wie
Gert Hummel nach einem erfolgreichen Berufsleben als Theologe
und Wissenschaftler dazu kam, im Kaukasus noch einmal von ganz
vorne anzufangen. Beim Abendessen anlässlich seiner Bischofsweihe
hat er die Geschichte erzählt, dass ausgerechnet ein Professor
für Atheismus der georgischen Universität ihn darauf
aufmerksam gemacht hatte, dass in Tbilissi noch ein paar verstreute
Reste deutscher Protestanten lebten, Nachfahren jener schwäbischen
Aussiedler, die Anfang des 19. Jahrhunderts zumeist aus wirtschaftlicher
Not aus ihrer Heimat ausgewandert waren. Der Schwabe und Protestant
Hummel entdeckte urplötzlich einen Teil seiner persönlichen
Wurzeln wieder, denn unter den Aussiedlern damals waren auch entfernte
Vorfahren Hummels, die im azerischen Dorf Chanlar, früher
Helenental, eine Weinhandlung "Gebrüder Hummel"
führten. Dies freilich erfuhr auch Hummel erst, als er bereits
im Kaukasus war und die Geschichte seiner Schwaben hier recherchierte.
Hummel suchte fortan bei seinen universitären Dienstreisen
nach Georgien die kleine protestantische Rest-Gemeinde von Tbilissi
auf, um mit ihnen Gottesdienst zu feiern. Der Rest der Geschichte
ist schnell erzählt: Nach seiner Emeritierung verkaufte Hummel
einen Teil seines ererbten Privatbesitzes, um damit und mit zusätzlich
gesammelten Spenden eine neue protestantische Kirche in Tbilissi
zu bauen, die er Versöhnungskirche nannte. Zusammen mit seiner
Frau zog er dann nach Georgien, um zunächst als Gemeindepastor
noch einmal von vorne zu beginnen. Mittlerweile hat sich sein
Sprengel gut entwickelt, weitere Gemeinden in Rustawi, Gardabani,
Bolnissi, Bordschomi und sogar im abchasischen Sotschi sind dazugekommen.
Aus der kleinen Gemeinde wurde kirchenrechtlich eine eigenständige
Landeskirche, aus dem Pastor ein Bischof, der erste evangelisch-lutherische
Bischof in Georgien.
Neben der Seelsorge widmete sich Hummel vor allem der Diakonie
in Georgien, seiner Diakonie, für die er nie müde wurde,
in Deutschland Geld einzusammeln. Urlaubsreisen in die Heimat
waren für den Unermüdlichen nie reine Erholung: Vorträge,
Begegnungen, Kollekten. Wie vielen Menschen er im Alltag geholfen
hat, wie viele Leute, auch aus seiner privaten Tasche bezahlt,
ein festes Monatseinkommen von ihm erhielten, hat er nie offen
gelegt. Aber dass er als Kirchenmann die Lohnsumme eines mittleren
georgischen Unternehmens bewegte, darauf hat er hin und wieder
mit Stolz verwiesen und mit einigem Recht.
Hummel stand für eine Kirche im Leben und nicht im Jenseits.
Er konnte im privaten Gespräch einen schwäbisch-heiligen
Zorn nur schwer unterdrücken, wenn er sich all die Kirchenneubauten
in Georgien, vor allem den der großen Kathedrale vor Augen
führte, die Geldquellen und die Sponsoren, und dann mit der
Frage konfrontiert wurde, warum denn die Orthodoxie so wenig soziales
Engagement zeigt. Sicher, in der Orthodoxie erkannte der moderne
Theologe aus Deutschland auch eine kontemplative Seite des Christentums,
eine feiernde und feierliche, eine Seite, aus der die manchmal
etwas nüchtern wirkenden deutschen Protestanten durchaus
auch ihre Anregungen beziehen konnten. Aber ein wenig mehr an
sozialem Engagement hätte er sich von seinen christlichen
Amtsbrüdern der lokalen Kirche hie und da schon gewünscht.
Das wurde immer wieder deutlich, wenn Hummel über seine Kirche
und seine Arbeit sprach. Die Dankesrede anlässlich der Verleihung
des Bundesverdienstkreuz an ihn und seine Frau im vergangenen
Winter in der deutschen Botschaft - war das nicht so etwas wie
eine ungeduldige Mahnung Hummels an andere, gleiches zu tun?
Hummel hat sich intensiv der Zusammenarbeit mit der Orthodoxie
gewidmet, so schwer dieses Feld auch zu beackern war. Für
einen Teil des orthodoxen Klerus war Hummel ein unbequemer, weil
in Diakonie und Jugendarbeit erfolgreicher Mann. Mit dem Patriarchen
versuchte er, trotz aller Spannungen zwischen Orthodoxie und den
anderen christlichen Religionen das freundschaftliche Verhältnis
weiter zu pflegen, das er zu Zeiten seiner Saarbrücker Universitäts-Missionen
in Georgien aufgebaut hatte. Man gehe halt "nicht institutionell"
miteinander um, wenn wir uns treffen, umschrieb er den schwierigen
Balance-Akt der beiden Kirchenmänner in einem GN-Interview
vor zwei Jahren. In diesem Interview zeigte sich Hummel als Kirchenpolitiker,
der für alle Religionen und Glaubensgemeinschaften ein gesellschaftliches,
rechtliches und politisches Umfeld der Toleranz forderte, wobei
er im Namen auch anderer Religionen, mit denen er die ökumenische
Zusammenarbeit pflegte, nicht anstand, die Orthodoxie als führende
Religion im Lande an ihre Verpflichtungen anderen Religionen gegenüber
zu erinnern. Immer wieder forderte er die Verabschiedung eines
Religionsgesetzes durch das Parlament, mit dem alleine die rechtliche
Absicherung aller nicht-orthodoxer Kirchen in Georgien möglich
ist. Auch seine eigene Kirche schwebt bisher, rechtlich gesehen,
im luftleeren Raum. In Baku und Abchasien, so erzählte er
uns kürzlich noch, sei die rechtliche Lage der Kirchen und
Religionsgemeinschaften besser als im christlichen Georgien.
Für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien, das
Lebenswerk Gert Hummels, kommt dessen Ausscheiden viel zu früh.
Denn es ist für alle schwer vorstellbar, wie sich die junge
Gemeinde ohne ihren Gründer, ihren Kopf und ihren Motor im
kirchenrechtlich und gesellschaftlich schweren Umfeld bewähren
kann. Gert Hummel war der Mann, der alles zusammen hielt, der
begeistern, der mitreißen konnte. Ein Talent, das uns viele
Besucher aus Deutschland, die ihn schon von seiner Zeit als Jugendleiter
in Stuttgart her kannten, immer wieder bestätigten.
Oft hat Gert Hummel deutsche Chöre und Gruppen motiviert,
nach Georgien zu kommen und sie hier betreut. Eine Schülergruppe
aus dem Saarland hat im letzten Sommer bei Marneuli einen Fussballplatz
hergerichtet, den Hummel den azerischen Muslimen gestiftet hat.
Religiöse Toleranz hat er nicht nur gefordert und gepredigt,
er hat sie auch gelebt.
Das Talent, andere zu begeistern, hat Hummel bis zum Schluss
in selbstloser Weise für seine neue Gemeinde im Kaukasus
eingesetzt. Die Energie Hummels, sein klares und manchmal auch
klärendes Wort, ohne jemanden zu verletzen, werden nicht
nur in der evangelischen Kirchengemeinde in Tbilissi fehlen. Sie
werden auch der deutschen Gemeinschaft in Tbilissi fehlen oder
der Ökumenischen Bewegung in Georgien. In der Predigt anlässlich
seiner Bischofsweihe prangerte Hummel die Unfähigkeit und
Ungerechtigkeit eines Staates und einer Gesellschaft an, die ihre
Renten nicht bezahlen, die bis zum Wahltag Strom verteilen, tags
danach aber in zynischer Menschenverachtung das ganze Land wieder
im Dunkel einer der Korruption geschuldeten Energiekrise versinken
lassen. Mit dem Bischofskreuz, so Hummel damals in einer Klarheit,
die beeindrucken musste, stehe er auch in der Verpflichtung, sich
gegen die Mächtigen zu stellen und für die Schwachen
zu einzutreten. Gert Hummel war immer ein Anwalt der Schwachen.
Sie werden ihn am meisten vermissen.
|