Newsletter
Währungskurse
Wetterprognose
E-Mail an GN
Ausgabe 04/04
17. März
www.zaliko.com


Gert Hummel ist tot. Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Georgien, der emeritierte Theologie-Professor von Saarbrücken und Förderer der deutsch-georgischen Freundschaft hat die Folgen eines Hirnschlags vom vergangenen Wochenende nicht überlebt. Der 71-jährige verstarb in der Nacht vom Montag auf Dienstag in einem Tbilissier Krankenhaus.

Gert Hummel kam bereits in den 80-er Jahren als Partnerschaftsbeauftragter der Universität Saarbrücken nach Georgien. Viele Germanistik-Studenten Georgiens verdankten Hummel einen Studienaufenthalt in Deutschland, bei dem er sich immer mit viel Engagement auch der Betreuung seiner Austauschschüler widmete. Über Hummels Verdienste auf dem universitären Sektor werden von kompetenter Seite sicher die notwendigen Nachrufe erfolgen. Wir wollen uns in dieser Würdigung auf ein paar der Begegnungen beschränken, die wir mit Gert Hummel im Laufe der Jahre in Georgien hatten, und auf die politischen Aspekte seines Wirkens.


Dabei sei zunächst noch einmal in Erinnerung gerufen, wie Gert Hummel nach einem erfolgreichen Berufsleben als Theologe und Wissenschaftler dazu kam, im Kaukasus noch einmal von ganz vorne anzufangen. Beim Abendessen anlässlich seiner Bischofsweihe hat er die Geschichte erzählt, dass ausgerechnet ein Professor für Atheismus der georgischen Universität ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass in Tbilissi noch ein paar verstreute Reste deutscher Protestanten lebten, Nachfahren jener schwäbischen Aussiedler, die Anfang des 19. Jahrhunderts zumeist aus wirtschaftlicher Not aus ihrer Heimat ausgewandert waren. Der Schwabe und Protestant Hummel entdeckte urplötzlich einen Teil seiner persönlichen Wurzeln wieder, denn unter den Aussiedlern damals waren auch entfernte Vorfahren Hummels, die im azerischen Dorf Chanlar, früher Helenental, eine Weinhandlung "Gebrüder Hummel" führten. Dies freilich erfuhr auch Hummel erst, als er bereits im Kaukasus war und die Geschichte seiner Schwaben hier recherchierte.

Hummel suchte fortan bei seinen universitären Dienstreisen nach Georgien die kleine protestantische Rest-Gemeinde von Tbilissi auf, um mit ihnen Gottesdienst zu feiern. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Nach seiner Emeritierung verkaufte Hummel einen Teil seines ererbten Privatbesitzes, um damit und mit zusätzlich gesammelten Spenden eine neue protestantische Kirche in Tbilissi zu bauen, die er Versöhnungskirche nannte. Zusammen mit seiner Frau zog er dann nach Georgien, um zunächst als Gemeindepastor noch einmal von vorne zu beginnen. Mittlerweile hat sich sein Sprengel gut entwickelt, weitere Gemeinden in Rustawi, Gardabani, Bolnissi, Bordschomi und sogar im abchasischen Sotschi sind dazugekommen. Aus der kleinen Gemeinde wurde kirchenrechtlich eine eigenständige Landeskirche, aus dem Pastor ein Bischof, der erste evangelisch-lutherische Bischof in Georgien.

Neben der Seelsorge widmete sich Hummel vor allem der Diakonie in Georgien, seiner Diakonie, für die er nie müde wurde, in Deutschland Geld einzusammeln. Urlaubsreisen in die Heimat waren für den Unermüdlichen nie reine Erholung: Vorträge, Begegnungen, Kollekten. Wie vielen Menschen er im Alltag geholfen hat, wie viele Leute, auch aus seiner privaten Tasche bezahlt, ein festes Monatseinkommen von ihm erhielten, hat er nie offen gelegt. Aber dass er als Kirchenmann die Lohnsumme eines mittleren georgischen Unternehmens bewegte, darauf hat er hin und wieder mit Stolz verwiesen und mit einigem Recht.

Hummel stand für eine Kirche im Leben und nicht im Jenseits. Er konnte im privaten Gespräch einen schwäbisch-heiligen Zorn nur schwer unterdrücken, wenn er sich all die Kirchenneubauten in Georgien, vor allem den der großen Kathedrale vor Augen führte, die Geldquellen und die Sponsoren, und dann mit der Frage konfrontiert wurde, warum denn die Orthodoxie so wenig soziales Engagement zeigt. Sicher, in der Orthodoxie erkannte der moderne Theologe aus Deutschland auch eine kontemplative Seite des Christentums, eine feiernde und feierliche, eine Seite, aus der die manchmal etwas nüchtern wirkenden deutschen Protestanten durchaus auch ihre Anregungen beziehen konnten. Aber ein wenig mehr an sozialem Engagement hätte er sich von seinen christlichen Amtsbrüdern der lokalen Kirche hie und da schon gewünscht. Das wurde immer wieder deutlich, wenn Hummel über seine Kirche und seine Arbeit sprach. Die Dankesrede anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuz an ihn und seine Frau im vergangenen Winter in der deutschen Botschaft - war das nicht so etwas wie eine ungeduldige Mahnung Hummels an andere, gleiches zu tun?

Hummel hat sich intensiv der Zusammenarbeit mit der Orthodoxie gewidmet, so schwer dieses Feld auch zu beackern war. Für einen Teil des orthodoxen Klerus war Hummel ein unbequemer, weil in Diakonie und Jugendarbeit erfolgreicher Mann. Mit dem Patriarchen versuchte er, trotz aller Spannungen zwischen Orthodoxie und den anderen christlichen Religionen das freundschaftliche Verhältnis weiter zu pflegen, das er zu Zeiten seiner Saarbrücker Universitäts-Missionen in Georgien aufgebaut hatte. Man gehe halt "nicht institutionell" miteinander um, wenn wir uns treffen, umschrieb er den schwierigen Balance-Akt der beiden Kirchenmänner in einem GN-Interview vor zwei Jahren. In diesem Interview zeigte sich Hummel als Kirchenpolitiker, der für alle Religionen und Glaubensgemeinschaften ein gesellschaftliches, rechtliches und politisches Umfeld der Toleranz forderte, wobei er im Namen auch anderer Religionen, mit denen er die ökumenische Zusammenarbeit pflegte, nicht anstand, die Orthodoxie als führende Religion im Lande an ihre Verpflichtungen anderen Religionen gegenüber zu erinnern. Immer wieder forderte er die Verabschiedung eines Religionsgesetzes durch das Parlament, mit dem alleine die rechtliche Absicherung aller nicht-orthodoxer Kirchen in Georgien möglich ist. Auch seine eigene Kirche schwebt bisher, rechtlich gesehen, im luftleeren Raum. In Baku und Abchasien, so erzählte er uns kürzlich noch, sei die rechtliche Lage der Kirchen und Religionsgemeinschaften besser als im christlichen Georgien.

Für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien, das Lebenswerk Gert Hummels, kommt dessen Ausscheiden viel zu früh. Denn es ist für alle schwer vorstellbar, wie sich die junge Gemeinde ohne ihren Gründer, ihren Kopf und ihren Motor im kirchenrechtlich und gesellschaftlich schweren Umfeld bewähren kann. Gert Hummel war der Mann, der alles zusammen hielt, der begeistern, der mitreißen konnte. Ein Talent, das uns viele Besucher aus Deutschland, die ihn schon von seiner Zeit als Jugendleiter in Stuttgart her kannten, immer wieder bestätigten.

Oft hat Gert Hummel deutsche Chöre und Gruppen motiviert, nach Georgien zu kommen und sie hier betreut. Eine Schülergruppe aus dem Saarland hat im letzten Sommer bei Marneuli einen Fussballplatz hergerichtet, den Hummel den azerischen Muslimen gestiftet hat. Religiöse Toleranz hat er nicht nur gefordert und gepredigt, er hat sie auch gelebt.

Das Talent, andere zu begeistern, hat Hummel bis zum Schluss in selbstloser Weise für seine neue Gemeinde im Kaukasus eingesetzt. Die Energie Hummels, sein klares und manchmal auch klärendes Wort, ohne jemanden zu verletzen, werden nicht nur in der evangelischen Kirchengemeinde in Tbilissi fehlen. Sie werden auch der deutschen Gemeinschaft in Tbilissi fehlen oder der Ökumenischen Bewegung in Georgien. In der Predigt anlässlich seiner Bischofsweihe prangerte Hummel die Unfähigkeit und Ungerechtigkeit eines Staates und einer Gesellschaft an, die ihre Renten nicht bezahlen, die bis zum Wahltag Strom verteilen, tags danach aber in zynischer Menschenverachtung das ganze Land wieder im Dunkel einer der Korruption geschuldeten Energiekrise versinken lassen. Mit dem Bischofskreuz, so Hummel damals in einer Klarheit, die beeindrucken musste, stehe er auch in der Verpflichtung, sich gegen die Mächtigen zu stellen und für die Schwachen zu einzutreten. Gert Hummel war immer ein Anwalt der Schwachen. Sie werden ihn am meisten vermissen.


Lesen Sie mehr über Gert Hummel:

"Tradition der Toleranz nicht wegwerfen"
GN-Gespräch mit Bischof Gert Hummel am 11. März 2002

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien
GN-Reportage vom

Copyright © 2003 ERKA-Verlag E-mail Impressum Kontakt Webmaster