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Ausgabe 04/04
17. März
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…. et circenses?
Kommentar zur aktuellen Adscharienkrise
Von GN-Herausgeber Rainer Kaufmann

Im alten Rom, so kann man heute noch in den Geschichtsbüchern nachlesen, war den Herrschenden zumindest eine Weisheit bewusst, wollten sie ihre Macht behalten: Panem et circenses. Das Volk will Brot und das Volk will Spiele, wobei die Reihenfolge, seit Jahrtausenden unverändert, beachtenswert erscheint: Erst Brot, dann Spiele. Die georgische Politik-Elite hat einen Teil dieser ewig währenden Grundregel der Staatskunst verinnerlicht, den anderen aber vergessen, was nicht negativ sondern durchaus positiv zu vermerken wäre, wenn man nur die Prioritätenliste der alten Römer beachten würde: Erst Brot, dann Spiele. Die georgische Politik dagegen bietet fast nur circenses, kaum panem, bietet Spektakel zuhauf und wenig Brot. Und die Regierenden glauben dabei auch noch, den "Rosenbeifall" der westlichen Welt im Ohr und die Medien-Präsenz im In- und Ausland im Blick, auf dem richtigen Weg zu sein. Dabei kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass hinter all dem auch gar noch System steckt. Weil man nämlich auf des Volkes Frage nach Brot nur wenig Überzeugendes sogar an biederem politischem Handwerk - man wagt es ja kaum, Staatskunst einzufordern - zu bieten hat, muss man das Volk mit Spektakulärem beschäftigen, mit circenses eben.

Aktuelles Beispiel: Adscharien. Statt dem Wählervolk wenigstens zwei Wochen vor den Wahlen aufzuzeigen, wie man die schlimme Management-Krise in Staat und Gesellschaft zu lösen gedenkt, lenkt man die TV-Massen mit einer kunstvoll hoch gejazzten Krise um Adscharien ab, als ob die Frage, wie lange das Regime des Schwarzmeer-Napoleons Aslan noch andauern kann, von existentieller Bedeutung für die Mehrheit der georgischen Bevölkerung wäre. Da bauen sich ein Staatspräsident, der die Pose des strahlenden Helden der Straßen-Aktion verinnerlicht zu haben scheint, und ein alle Fäden ziehender Premierminister, der seine öffentlich gemachte Deus-ex-machina-Rolle liebt wie keine andere, vor ein paar Hundert maskierten Polizisten, die der Operetten-König von Adscharien an seiner angeblichen Republikgrenze aufgeboten hat, auf und versammeln ein halbes Kabinett in Poti, um, wie immer TV-gerecht, eine drohende Staatskrise abzuwenden, die sie selbst heraufbeschworen haben.

Kaum jemand hätte einen Tag davor auch nur einen Pfifferling auf das mittelfristige politische Überleben Abaschidses gesetzt. Und kaum jemand konnte auch nur zwei oder drei Tage zuvor irgendwelche Anzeichen von Spannungen oder Nervosität in Adscharien entdecken. Die Lage in Adscharien vor einer Woche war alles andere als angespannt. Vor einer Woche noch sind wir an der adscharischen "Republikgrenze" in Tscholochi nahezu unbehelligt durchgewunken worden. Die allfällige Frage eines jeden Uniformträgers nach dem Woher und Wohin - eindeutig beantwortet mit "von da" und "nach dort" - und der durchsichtige, aber erfolglose Versuch, einen Wegezoll zu verlangen, mehr passierte nicht mehr an der Grenze zwischen Georgien und seiner angeblich sezessionistischen Provinz. Über Nacht wurde Tscholochi jetzt aber zum Schauplatz von gegenseitigen Machtprotzereien und rhetorischen Muskelspielen.

Man hätte doch in Tbilissi in aller Ruhe auf das adscharische Wahlergebnis am 28. 3. warten können. Entweder hätte die adscharische Wahladministration unter der strengen Aufsicht internationaler wie nationaler Beobachter ein für Aslan verheerendes, weil realistisches Wahlergebnis gemeldet oder hätte die Zentrale Wahlkommission das Ergebnis aus Batumi einfach annullieren können oder sogar müssen, hätte es wiederum sozialistische Prozentzahlen gezeitigt wie in all den Jahren zuvor. So oder so, für Aslan konnte diese Wahl nichts Gutes versprechen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Tbilissi, die Zentrale, auf alle Fälle als Sieger hervorgegangen wäre, wenn man nur genügend Geduld gehabt hätte, noch zwei Wochen abzuwarten.

Warum also die ganze Geschichte? Warum provozieren Michael Saakaschwili und die Seinen den Eklat? Warum können sie nicht warten, bis ein glorioses Wahlergebnis ihnen alle Trümpfe in die Hand spielt, um Aslan Abaschidse ein für allemal in die Schranken zu verweisen?

Der Verdacht lässt sich eben kaum unterdrücken, dass sich die Regierung der Rosenrevolution in ihre - bislang durchaus erfolgreiche - Politik des spektakulären Aktionismus derart verliebt hat, dass sie seriöse Politik mit dem Unterhaltungswert einer Seifenoper verwechselt. Die ungezählten privaten TV-Sender - viel zu viel für ein Land von der Größe Georgiens - wollen gefüttert werden. Noch lässt sich das Volk mit spektakulären Luftsprüngen seiner Regierenden davon abhalten, mehr Brot zu fordern. Vor den Folgen sei gewarnt: Irgendwann einmal ist das Wählervolk der zirzensischen Qualitäten seiner Regierung überdrüssig. Irgendwann einmal will es einfach nur noch mehr Brot. Konkret: Irgendwann einmal wird man sich um die Hausaufgaben kümmern müssen, um Wirtschaftsreformen und neue Steuergesetze, um ein entsprechendes Investitionsklima, um neue Arbeitsplätze und eine gesicherte Energieversorgung, um die maroden Staatsfinanzen. Sollte dies mit Erfolg und vor allem sollte dies auch in einer angemessenen Frist erledigt werden, wird sich in Georgien einschließlich Batumi niemand mehr um Aslan Abaschidse und sein anachronistisches, ja absurdes Provinz-Regime kümmern. Dann wäre auch das Thema Abchasien schnell vom Tisch. Aber dafür müsste eine komplette Regierung ihre Hausaufgaben machen und auf die Politik-Inszenierungen auf der Straße verzichten.


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