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Ausgabe 04/04
17. März
www.zaliko.com


In der vergangenen Ausgabe haben wir ein Hintergrundgespräch mit dem früheren Bildungsminister Alexander Kartosia angekündigt, dem - als Germanisen - insbesondere in der deutsch-georgischen Szene ein besonderer Ruf vorauseilt. Kartosia, der Eduard Schewardnadse bis zum bitteren Ende zur Seite stand, hatte sich in einer dramatischen öffentlichen Stellungnahme gegen die neue Regierung gewandt, deren Verhaftungswelle gegen Mitglieder der früheren Regierung er scharf anprangerte. In dem Exklusiv-Gespräch mit georgien-news äußert sich Kartosia auch zu den vielen Vorwürfen, die ihm wegen seiner Amtsführung gemacht wurde.

GN: "Seit wenigen Tagen sind Sie kein Minister mehr. Was nun, Herr Kartosia? Was werden Sie jetzt machen?"

Alexander Kartosia: "Ich habe ja meinen Lehrstuhl an der Universität behalten und den werde ich jetzt wieder ausfüllen. Ich denke, dass ich schon in Kürze mit Vorlesungen beginnen werde, das Sommersemester hat ja gerade begonnen."

GN: "Ehrlich, das alles ohne jeden Groll?"

Alexander Kartosia: "Ich hege überhaupt keinen Groll, obwohl dies schwer ist angesichts der neuen Mode, seinen Vorgänger mit Schmutz zu bewerfen. Man muss aber verstehen, dass ich nicht bereit bin, zuzuschauen, wie andere sich mit den Erfolgen meiner Arbeit schmücken. Das lässt mein Ehrgeiz nicht zu. Irgendwann wird man schon erkennen, was in den fünfeinhalb Jahren meiner Amtszeit auf dem Bildungssektor erreicht wurde."

GN: "Und das wäre?"

Alexander Kartosia: "Es ist uns gelungen, die Weltbank von der Notwendigkeit und den Erfolgsaussichten einer grundlegenden Reform des Bildungswesens Georgiens zu überzeugen. Das war nicht einfach, schon gar nicht, weil die Weltbank den Kreditrahmen von 60 Millionen $, der letztendlich gewährt wurde, am Anfang weitaus enger eingeschätzt hatte. Wir konnten sie davon überzeugen, dass in Georgien eine entsprechende Bereitschaft vorhanden ist, ein solches Programm in Angriff zu nehmen. Das ist im Übrigen kein Weltbank-Programm, das ist ein georgisches Projekt, das die Weltbank finanziert. Der Kreditvertrag wurde im Jahr 2001 vom damaligen georgischen Botschafter in Washington, Tedo Tschaparidse (Anm. d. R.: heute Außenminister der "Revolutionsregierung") und dem Präsidenten der Weltbank Wolfensohn unterzeichnet."

GN: "Genau um diesen Kredit geht jetzt der Streit. Der Innenminister hat ja erklärt, Beweise dafür zu haben, dass im Bildungsministerium große Summen dieses `unglückseligen` Kredits in private Taschen hochrangiger Offizieller geflossen seien."

Alexander Kartosia: "Bei diesen 60 Millionen handelt es sich um einen Kreditrahmen, der in zwölf Jahren abgerufen werden kann. Die Rückzahlung erfolgt über 40 Jahre zu einem Vorzugszins von nur 0,75 %. Bis zum Jahr 2005 können insgesamt 25 Millionen abgerufen werden, davon haben wir bis jetzt nur 8 Millionen verbraucht. Es geht also nicht um 60 Millionen, wie der Innenminister behauptet. Das Schicksal von über 87 % dieses Kredits liegt in der Verantwortung seiner, der neuen Regierung. Außerdem prüfen Experten der Weltbank vor der Freigabe einer weiteren Tranche die Fortschritte, die bis zu diesem Zeitpunkt in der Umsetzung des Reformkonzepts gemacht wurden, wie die Weltbank ja auch über internationale Auditoren jährlich die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder überprüft. Dabei wurde noch keine einzige Beanstandung gemacht."

GN: "Bleiben wir zunächst einmal bei den finanziellen Fragen. Der Vorwurf lautet, dass mit diesen Geldern extrem hohe Gehälter für die Mitarbeiter der Reform-Arbeitsgruppen bezahlt worden seien, die allesamt dem Freundes-Netzwerk des Ministers angehören."

Alexander Kartosia: "Zunächst einmal stimmt es, dass die Teamleader der insgesamt sieben Arbeitsgruppen etwa das zehnfache Gehalt dessen bekommen, was dem Minister als Leiter der Behörde zusteht."

GN: "Und da sind Sie nicht neidisch geworden?"

Alexander Kartosia: "Warum sollte ich? Wir wollten fähige Leute haben und haben uns entschlossen, diese auch entsprechend zu bezahlen. Dabei ging es uns weniger um das Thema Korruption. Wer korrupt ist, ist es auch mit 1.500 Lari Monatsgehalt. Es ging uns darum, dafür zu sorgen, dass diese Leute sich voll und ganz auf ihre Arbeit in den Reform-Kommissionen konzentrieren und nicht ihr bescheidenes staatliches Salär mit allerhand weiteren Jobs aufbessern mussten."

GN: "Das ist ja in der Zielsetzung durchaus ehrenwert. Die georgische Realität lässt viele Menschen aber glauben, dass der Minister an diesen Supergehältern auf irgendeine Art und Weise partizipiert und dass deshalb natürlich nur Freunde des Ministers auf diesen Posten untergekommen sind."

Alexander Kartosia: "Erstens lege ich Wert auf die Feststellung, dass alle Teamleader und Experten dieser Kommissionen in öffentlichen Ausschreibungen ausgesucht wurden, in deren Entscheidungsgremien meistens auch Vertreter der Weltbank gesessen haben. Ein ehrlicheres und transparenteres Auswahlverfahren kenne ich nicht. Zweitens habe ich von niemandem auch nur einen Tetri angenommen. Und drittens bin ich stolz darauf, dass die Teamleader dieses Reformprogramms heute meine Freunde geworden sind. Wir haben zusammen in einem Team an den Reformzielen dieses Programms gearbeitet."

GN: "Hand aufs Herz: Wie viel Geld hat der Bildungsminister in Monat bekommen?"

Alexander Kartosia: "Mein Ministergehalt betrug 165 Lari, dazu kamen 80 Lari von der Universität und 200 Lari für eine Experten-Tätigkeit in einem Gremium. Nach Steuern machte dies etwa 380 Lari im Monat. Es ist für viele Leute unverständlich, dass ich davon gelebt haben soll. Aber es ist so. Ich habe immer recht bescheiden gelebt, habe nie eine Staats-Datscha für mich beansprucht oder einen Kuraufenthalt auf Staatskosten. Als Professor hätte ich überall auf der Welt Vorträge halten können und weitaus mehr verdient."

GN: "Das kann jetzt ja ausgiebig nachgeholt werden."

Alexander Kartosia: "Denken Sie, dass ich als Minister der alten Regierung derzeit unbehelligt das Land verlassen kann? Das sind ja mittlerweile kafkaeske Zustände. Eine Auslandsreise eines freien Menschen kann in meinem Fall als Fluchtversuch ausgelegt werden. Und die Folgen kennen Sie. Nein, ich werde vorerst das Land nicht verlassen."

GN: "Noch einmal zum Thema Minister und Korruption. Die georgische Verwaltungswirklichkeit lässt es doch als höchst unwahrscheinlich erachten, dass ein Minister oder anderer Vorgesetzter nicht an den Supergehältern seiner Untergebenen partizipiert."

Alexander Kartosia: "Natürlich lässt die Verwaltung theoretisch eine Möglichkeit zu Bestechung und Bestechlichkeit. Bedeutet das aber schon, dass sich alle an diesem System beteiligen? Wenn wir eine allgemeine Schuldvermutung an die Stelle der Unschuldsvermutung setzen, begeben wir uns auf einen gefährlichen Pfad. Die neue Regierung hat übrigens in einer ersten Amtshandlung die Gehälter der Minister auf 3.500 Lari hoch gesetzt, wobei mich insbesondere stört, dass diese Gehaltserhöhung nicht etwa aus dem Staats-Budget finanziert wird sondern von einer Spende des amerikanischen Milliardärs George Soros. Außerdem finde ich den Unterschied der Ministergehälter zu denen der übrigen Beamten nicht vertretbar. Und ich frage Sie, glauben Sie wirklich, dass ein Minister weniger anfällig ist gegen Korruption, wenn er ein höheres Gehalt hat?"

GN: "Also, der Minister war sauber und ehrlich, wird uns immer wieder gesagt. Aber seine Stellvertreter oder andere hohe Beamte, die machen dann die unsauberen Geschäfte, damit die Integrität des Chefs nicht angezweifelt wird. Wegschauen kann ja auch eine Art von Beteiligung sein."

Alexander Kartosia: "Auch hier gilt: keine allgemeine Schuldvermutung. Ich habe nie weggesehen, sondern immer sehr genau hingeschaut. Aber: Ich habe in meinem Haus auch keine Atmosphäre des Misstrauens zugelassen. Ich habe mit meinem Beispiel versucht, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu mehr Eigenverantwortung zu animieren. Führung heißt nicht permanentes Belauern sondern Führung heißt zunächst einmal Vertrauen investieren. Und es heißt auch, erst dann agieren zu können, wenn Beweismaterial für Verfehlungen vorliegt. Wenn eine Schweinerei geschehen war und die Beweise klar waren, habe ich das Schwein immer abgesetzt."

GN: "Ist das nicht ein bisschen blauäugig in einer Gesellschaft, die nur im gegenseitigen Geben und Nehmen funktioniert?"

Alexander Kartosia: "Damit agiert ja die neue Regierung und mit diesen Kategorien ist einfach jeder zunächst einmal schuldig. In jeder Zeit, in jedem System und in jedem Land ist es möglich, bei jedem irgendetwas zu finden, das kann historisch belegt werden. Ich habe in meinem Verantwortungsbereich niemals auf irgendeinen Verdacht hin gehandelt. Ich wollte nie, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ständiger Angst vor der Obrigkeit lebten. Ich habe versucht, zu helfen, den Betrieb zu organisieren und Fehler, wenn sie gefunden waren, aber auch dementsprechend zu bestrafen."

GN: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser…."

Alexander Kartosia: "Im Sowjetsystem hat sich die Regierung alle gesellschaftlichen Rechte und Pflichten angeeignet. Ich denke, die Regierung muss einen Großteil der Rechte und Pflichten auf die Gesellschaft übertragen. Dass nicht alle in der Regierung sowie nicht alle in der Gesellschaft sofort dazu bereit sind, damit muss man leben."

GN: "Zurück zum Weltbankkredit. 8 Millionen in zwei Jahren, das ist schon eine erkleckliche Summe. Was ist damit geschehen?"

Alexander Kartosia: "Wir müssen uns einmal die Ausgangssituation des sowjetischen Bildungssystems, aus dem wir kommen, anschauen. Bildung besteht aus einer Ganzheit von Wissen, den Fähigkeiten, dieses Wissen kreativ umzusetzen, und einer sittlichen Einstellung des Menschen. Fehlt nur eine dieser Komponenten, kann man schwer von einem gebildeten Menschen sprechen. Das Sowjetsystem kannte eigentlich nur einen Schwerpunkt: Die Wissensvermittlung. Es geht darum, diesen ganzheitlichen Ansatz eines Bildungsideals erst einmal konzeptionell zu erarbeiten und dann auch in die Wirklichkeit umzusetzen."

GN: "Können Sie das etwas konkreter darstellen?"

Alexander Kartosia: "Das bedeutet, dass alle Curricula von Grund auf neu erarbeitet werden müssen. Es bedeutet, dass alle Lehrer für dieses neue Bildungsideal gewonnen werden müssen. Wir haben in Georgien 3.135 Schulen und 78.000 Lehrer. Das ist nicht einfach, schon gar nicht, wenn man weiß, dass die meisten Lehrer gewohnt waren, in einem Frontalunterricht im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Wir wollen jetzt den Schüler in den Mittelpunkt stellen und dessen Fähigkeit zu denken, sich zu artikulieren, fördern. Die einheitlichen Benotungskriterien und zentrale Prüfungsaufgaben sind mittlerweile zur Norm geworden. Bisher konnte jede Schule sich die Arbeiten für die Abschlussprüfungen selbst ausarbeiten."

GN: "Was ja nach allgemeiner Einschätzung auch immer wieder zur Aufbesserung der Lehrergehälter benutzt worden sein soll……"

Alexander Kartosia: "Ja, dieses System hat die Möglichkeit der Bestechung geradezu angeboten, wobei ich mich allerdings auch hier gegen eine pauschale Schuldvermutung wehren muss. Trotzdem haben wir im vergangenen Jahr erstmals in allem 3.135 Schulen des Landes in den Fächern Georgisch, Mathematik und den Fremdsprachen einheitliche Aufgaben für die schriftlichen Prüfungen eingeführt und den Lehrern ein einheitliches System für die Benotung vorgelegt. Ohne jetzt auf alle Details einzugehen und um mich kurz zu fassen sei hier bemerkt, dass insgesamt 7 Komponenten und Arbeitsfelder definiert wurden, auf denen wir das Bildungssystem des Landes von Grund auf erneuern wollen"

GN: "Das soll bis jetzt 8 Millionen $ gekostet haben? Die Menschen haben da erhebliche Zweifel. Gibt es konkrete Informationen über die Verwendung dieser Gelder?"

Alexander Kartosia: ".Darüber haben wir regelmäßig berichtet. Außerdem sind die Informationen im Internet erhältlich."

(Anm. d. Redaktion: Wir haben nach den entsprechenden Web-Adressen gefahndet, dort allerdings nur allgemeine Informationen über das Reform-Projekt und keine konkreten Verwendungsnachweise der Gelder gefunden. Die uns bekannten Web-Adressen: www.naece.ge und www.catalog.ge.)

GN: "Der Bildungssektor hat in den letzten zehn Jahren eine reale Reform erfahren, die doch sehr bedenklich ist. Im Hochschulbereich ist mit Duldung des Bildungsministeriums eine private Bildungsindustrie entstanden, die heute schon mehr Geld umsetzt, als dem Bildungsminister insgesamt an Etat zur Verfügung steht. Über die Hälfte aller Studierenden sind an den rund 150 privaten Universitäten oder den privatwirtschaftlichen Abteilungen der staatlichen Universitäten eingeschrieben. Ist das ein normaler Zustand?"

Alexander Kartosia: " Auf den Begriff Bildungsindustrie habe, nebenbei bemerkt, ich das Copyright. Das ist meine Einschätzung dieser Situation. Man muss aber auch deren Hintergrund verstehen. In den Jahren 1991 und 1992 ist in diesem Land alles zusammengebrochen. Es gab keine Arbeitsplätze und für die Jugend, keine vernünftige berufliche Perspektive. Das Land wurde von Privatarmeen regiert, es herrschte das totale Chaos. Vielen jungen Leuten blieb nur die Straße als Aufenthaltsort. Und die Straße war kriminell, es herrschte die Kalschnikow. Die Zahl der staatlichen Ausbildungsplätze war begrenzt. So haben viele Eltern nur an eines gedacht, ihre Kinder weg zu bringen von der Straße. Die privaten Universitäten, die wie Pilze aus dem Boden schossen, waren für sie eine Rettung. Das muss man verstehen. Es ging da weniger um einen Aspekt der Bildung als vielmehr um eine Lösung akuter sozialer Probleme. Deshalb ist auch die Bildungspolitik nur begrenzt verantwortlich für die Situation, die da entstanden ist. Allerdings muss der Staat jetzt langsam eingreifen und den Wildwuchs unter Kontrolle bringen."

GN: "Und woher stammte das Geld in einem Land, dessen Bevölkerung zu einem großen Teil statistisch unterhalb der Armutsgrenze lebt? Immerhin besuchen rund 2/3 der jungen Leute Universitäten und davon mehr als die Hälfte gegen Bezahlung."

Alexander Kartosia: "Georgien war in der Sowjetunion eine der reichsten Republiken und viele georgische Familien verfügten Anfang der 90-er Jahre noch über erheblichen Besitz. Der wurde zunächst einmal für die Lösung dieser akuten sozialen Probleme verwendet."

GN: "Da tickt doch eine gefährliche soziale Zeitbombe, denn die meisten jungen Leute studieren nur die Arbeitslosigkeit. Die Universitäten, darunter auch die staatlichen, nicht nur die privaten, kümmern sich doch kaum darum, ob ihre Absolventen später einen Job bekommen."

Alexander Kartosia: "Die Fragestellung ist nicht korrekt. Jeder Mensch muss frei sein, das zu studieren, was er möchte. Es ist sein privates Risiko, ob er später mit dieser Ausbildung einen Arbeitsplatz bekommt oder nicht. Der Staat muss im Gegenzug dafür sorgen, dass insgesamt mehr Arbeitsplätze angeboten werden, dass sich Wirtschaft und Produktion im Lande entfalten."

GN: "Womit wir beim nächsten Thema wären, den oft gerühmte `human ressources` von Georgien. Das georgische Bildungsideal starrt wie gebannt auf einen Hochschulabschluss und vernachlässigt in sträflicher Weise den beruflichen Sektor. Industrie, Handwerk und Handel brauchen aber gut ausgebildete Fachkräfte und Facharbeiter und weniger Diplom-Wissenschaftler und Doktoranten."

Alexander Kartosia: "Erst einmal die Gegenfrage: Gibt es derzeit einen einzigen Arbeitsplatz in Georgien, der wegen des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften nicht besetzt wäre? Aber Sie haben trotzdem Recht. Wir haben uns natürlich zunächst einmal auf die Schule als die zentrale Institution des Bildungswesens konzentriert. Wenn wir die Schule nicht grundlegend verändern, verändern wir das ganze System nicht. Wir haben es nicht geschafft, uns gleichzeitig auch der beruflichen Ausbildung mit gleicher Energie zu widmen. Wir brauchen ein klares Konzept und eine Projektion."

GN: "Muss sich da aber nicht auch das Bildungsideal der georgischen Gesellschaft ändern?"

Alexander Kartosia: "Das ist ganz sicher auch ein gesellschaftliches Problem und nicht allein das Problem von Politik und Regierung. Wir müssen den Menschen den beruflichen Status eines guten Koches, Handwerkers, Händlers oder Verkäufers näher bringen."

GN: "Wir wollen Sie nicht entlassen ohne ein paar Fragen zu den letzten Tagen Schewardnadses. Sie waren ja einer der wenigen letzten Getreuen. Bereuen Sie heute, sich nicht früher abgesetzt zu haben? Haben Sie nicht gemerkt, dass das Schiff am Sinken war?"

Alexander Kartosia: "Ich war Minister und kein Politiker. Als Minister hatte ich meine Pflicht zu erfüllen. Natürlich war klar, dass es dem Ende zuging, schon gar am 22./23. November. Aber ich bereue es auch nicht, bis zum Ende loyal geblieben zu sein. Schewardnadse, das wird sich schon bald zeigen, war nicht nur ein Politiker, er war auch ein großer Staatsmann. Er hat nach den Jahren der Anarchie dem Land seine Staatlichkeit gegeben und er hat allen die Chance gegeben, alles auf seiner Person abzuladen, was eigentlich Fehler und Schuld der gesamten Gesellschaft war. Schewardnadse hat immer in langfristigen Kategorien gedacht und trotz einer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage das Wagnis der Demokratie und Meinungsfreiheit unternommen."

GN: "Woran ist Schewardnadse letzten Endes gescheitert?"

Alexander Kartosia: "Am Defizit des staatsmännischen Denkens und des Muts zu Uneigennützigkeit in seiner direkten Umgebung. Zu viele Leute, die er in die Politik gebracht hatte, haben ihn schließlich verlassen und verraten."

GN: "Herr Kartosia, wir danken Ihnen für dieses Gespräch."


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