Guten Tag aus Tbilissi,
Der Sommer in Tbilissi hat sein übliches Themen, das Wetter,
denn es ist hier aussergewöhnlich milde und bei weitem nicht
so heiss und schwül wie in normalen Jahren, schon gar nicht
so tierisch heiß wie derzeit in Deutschland. Normalerweise
ist das umgekehrt. Kein allzu großes Thema, gewiss. Die politischen
Themen im August 2003 sind die Novemberwahlen und der Einstieg russischer
Investoren in den georgischen Energiemarkt. In dieser Ausgabe berichten
wir deshalb erneut über das Theater um
das neue Wahlrecht, das jetzt endlich vom Parlament verabschiedet
wurde, mit einem Paukenschlag. Beim zweiten Thema, das die Menschen
bewegt, dem Rückzug der Amerikaner aus dem georgischen Energiesektor,
wollen wir erst einmal abwarten und die Hintergründe dieser
wichtigen Entwicklung ausloten. Was bis jetzt bekannt ist, ist einfach:
AES hat seine Anteile am Tbilisser Stromverteiler Telasi ausgerechnet
an einen russischen Energiegiganten verkauft. Die Amerikaner wollten
das kaukasische Fass ohne Boden los werden und, wen wunderts, keiner
hat angebissen ausser einem russischen Investor. Ein politischer
Deal mit weitreichenden geostrategischen Folgen oder Marktwirtschaft
pur? Global players unter sich und die Politik schaut zu? Die Hysterie
in Tbilissi ist erst einmal groß, die Verstaatlichung strategisch
wichtiger Unternehmen wird gefordert, der Ausverkauf des Landes
an Russland durch die Regierung wird beklagt, wobei eine Regel der
Marktwirtschaft übersehen wird, die weltweit gilt: Der zahlende
Kunde ist König, auch in Russland. Sklave wird nur, wer sich
vom Lieferanten mit Krediten aushalten lässt. In drei Wochen
mehr über dieses Sommerthema Nr. 1 in Tbilissi.
Die präsidiale Aufregung um Landwirtschaftminister
und Brotpreise könnte man eigentlich als provinzielles
Sommertheater abtun. Bei genauerem Hinschauen wird in diesem Streit
allerdings deutlich, wie sehr der georgische Präsident abgewirtschaftet
hat, welche wundersamen Ansichten er zu Marktwirtschaft von sich
gibt und dass er kaum noch die Kraft hat, einen Minister zu entlassen.
Der weiße Fuchs aus Gurien muss sich langsam aber sicher
damit abfinden, dass auch er dem Schicksal aller Präsidenten
auf Abruf nicht entgehen kann, der Mutation zur "lame duck".
Neben diesen politischen Berichten bieten wir im Sommer vier
schöne Fotostrecken und Reportagen. Einmal die erste Folge
unseres Berichtes vom Auto-Tripp Karlsruhe-Tbilissi,
der so gänzlich undramatisch verlief: keine Polizeikontrolle,
normale Zollabwicklungen und alles in allem gute Straßen.
Und: Landschaftseindrücke, die man beim Überfliegen
niemals erhält. Die Fünftagesfahrt ist sicher etwas
anstrengend, aber mehr als nur lohnend. Und wer sich zwei oder
drei Tage mehr gönnen kann für die 4.000 km, der wird
den langsamen Übergang von Landschaften und Kulturen als
übraus spannend empfinden. In dieser und der folgenden Ausgabe
berichten wir mit vielen Fotos und vielen Tipps für die,
die diese Strecke einmal nachfahren wollen.
In Tbilissi angekommen haben wir uns zweier Naherholungsziele
gewidmet: dem Vergnügungspark Mtazminda,
der seinem völligen Verfall entgegen geht, und dem Tbilisser
Meer, das von den Tbilissern wieder als Sommerfrische entdeckt
wird. Dazu die zweite Folge unseres Ausflugs zum Nachbarn
Georgiens: Armenien.
Natürlich stellen wir wieder eines der vielen neuen Tbilisser
Restaurants vor: das Landhaus in Schindisi.
Ansonsten ist hier August und Ferienzeit. Wenn sich die Aufregung
um Russenstrom und Wahlgesetz gelegt haben wird, ist Urlaub angesagt,
Kräfte sammeln für einen heissen Wahlherbst. Wir bleiben
für Sie am Ball.
Viele Grüße
Rainer Kaufmann
Irine Epitaschwili (z.Z. in Deutschland)
Irakli Naskidaschwili
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