Ausgabe 12/03
13. August
Zeit für offene Worte
Brandrede des US-Botschafters in Georgien

Auszüge aus dem Grußwort des amerikanischen Botschafters in Tbilissi, Robert Miles, anlässlich der 5. Jahreskonferenz der georgischen Assoziation für amerikanische Studien an der Staatlichen Universität Tbilissi am 5. Mai 2003.

Georgien und die Vereinigten Staaten erfreuen sich einer sehr engen Freundschaft und festen Kooperation einschliesslich des Verteidigungs- und Sicherheitssystems. Georgiens Unterstützung für die Koalition im Krieg gegen Saddam Husseins Regime ist ein Beispiel dafür. Ich freue mich, ankündigen zu dürfen, dass eine 74 Mann starke georgische Einheit schon bald aufbrechen wird, um ihren Dienst in den Koalitionskräften im Irak anzutreten. Die amerikanisch-georgischen Beziehungen beinhalten auch die Zusammenarbeit bei der demokratischen Entwicklung Georgiens.

Aber Georgien kann nicht allein von Freundschaften leben. Die Bürger Georgiens fragen sich, wie lange sie noch warten müssen, bis sie ununterbrochen Strom bekommen und gute Strassen. Sie sind besorgt über den Zustand ihres Erziehungs- und Gesundheitssystems. Sie sind besorgt über die schleichende Verarmung des Landes. Sie sind die tägliche Korruption leid, die sich wie eine Eiterbeule über das Land legt. Sie erinnern ihre Regierung daran, dass ihr Land jetzt im zehnten Jahr unabhängig ist und dass sie ihre Geduld verlieren.

Als ein Außenseiter, als ein diplomatischer Vertreter eines anderen Landes, kann ich erkennen, dass Georgien ausländische Investitionen nötig hat. Georgien braucht Geld und Technologie von ausländischen Unternehmen. Nur mit solchen Investitionen in das Kapital und in die Kenntnisse kann sich Georgiens Wirtschaft entwickeln und können die Bürger Georgiens den Lebensstandard erreichen, den andere Länder der früheren Sowjetunion bereits erreicht haben.

Aber Georgien wird diese auswärtigen Investments nie bekommen, solange die Atmosphäre im Land ist wie sie ist. Keine ausländische Firma wird in Gorgien investieren, wenn sie hört, dass Georgien als eines der am meisten korrupten Länder der Welt angesehen wird. Kein auswärtiger Geschäftsmann wird in Georgien arbeiten wollen, solange die Kriminalität, auch die Kriminalität gegen Ausländer nicht zurückgeht. Kein ausländischer Tourist wird das Land bereisen wollen, wenn die Strassen unpassierbar sind. Und kein ausländischer Arbeiter wird in Georgien leben wollen, wenn er zur besten TV-Zeit die religiös-extremistischen Attacken gegen die Zeugen Jehovas sieht und erkennen muss, dass sie ungestraft bleiben.

An der Wahlurne haben die Georgier die Möglichkeit, diejenigen Vertreter in Ämter zu wählen, die sie wollen. Sie sollten diese Macht ausnutzen, um solche Kandidaten zu wählen, die den Statusquo ändern werden. Politiker, die die Korruption niederkämpfen und vor allem auswärtige Firmen vor der Korruption beschützen. Führer, die ihr Volk dazu motivieren, hart und gesetzeskonform zu arbeiten - und Steuern zu bezahlen. Eine Regierung, die eine Polizei und Justiz versprechen, die das Volk beschützt.

Georgien wird im November ein neues Parlament wählen. Jetzt ist die Chance für Georgien, nachzuweisen, dass diese Wahlen frei, fair und transparent ablaufen können. Jetzt ist es an der Zeit, nachzuweisen, dass alle Bürger im Wahlalter ordnungsgemäss registriert sind und das entsprechende gesetzliche und administrative Vorbereitungen unternommen werden.

Die interantionale Gemeinschaft kann Georgien helfen, freie und faire Wahlen abzuhalten, und wir werden es auch tun. Aber es liegt an der georgischen Bevölkerung, ihre Regierung und die politischen Institutionen und Organisationen dazu zu bringen, dass die anstehenden Wahlen offen, ehrlich und transparent abgehalten werden.

Ich erinnere meine Freunde immer wieder daran, dass Amerika eine "alte Demokratie" ist - aber keine perfekte. In der Tat haben wir uns über 200 Jahre darum bemüht, es richtig zu machen. Und wir bemühen uns weiter. Demokratie is ein permanenter Prozess. Deshalb denke ich, dass American Studies ein exzellentes Subjekt für Studenten in jungen Demokratien ist. Denn Ihr jungen Studenten von heute seid die Führer von morgen. Und Sie Professoren hier unterrichten die Führer von morgen. Sie alle können davon profitieren, wenn sie die amerikanischen Herausforderungen studieren und wie wir daran gearbeitet haben, sie zu bestehen.

Ohne die Reformen im wirtschaftlichen und politischen Bereich wird Georgien nicht in der Lage sein, sich selbst zu einem Land zu entwickeln, das ein verlässliches Mitglied der internationalen demokratischen Gemeinschaft ist. Und das georgische Volk wird nicht in der Lage sein, sein Potential voll auszuschöpfen.

Meine Rede war eine harte Botschaft und sie war ein bisschen kritisch. Aaber dies ist ein ganz besonders wichtiges Jahr für Georgien und für die Georgier. Die Wahlen bieten allen Wählern eine durchaus realistische Möglichkeit, die künftige Richtung in ihrem Land mitzubestimmen. Ich glaube, es ist jetzt Zeit für offene Worte und ich hoffe, Sie haben Sie in diesem Sinne verstanden. Vielen Dank.


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