Die Entscheidung ist endlich gefallen, Georgien hat ein neues Wahlgesetz.
Am 5. August, einige Tage nach der ursprunglich geplanten Deadline,
einigte sich die Mehrheit der Abgeordneten schliesslich doch noch
mit 132 zu 45 Stimmen auf eine endgltige Verteilung der Sitze in
den Wahlkommissionen, insbesondere der Zentralen Wahlkommission.
Dabei sorgte das Parlament noch einmal fur eine faustdicke Uberraschung,
als es in zweiter und dritter Lesung den sogenannten Baker-Plan
revidierte, der eine feine Austarierung der politischen Gewichte
vorgeschlagen hatte. Prasident Schewardnadse personlich hatte seinem
Freund, dem fruheren US-Aussenminister Baker, versprochen, fur dessen
Variante einzutreten. Zur Uberraschung des Staatschefs verweigerten
ihm die ihn tragenden Parlamentsfraktionen aber die gefolgschaft
und korrigierten den Baker-Vorschlag. Danach erhalten die Wiedergeburtspartei
Aslan Abaschidses drei und die Industrialisten Gogi Topadses zwei
statt des von Baker jeweils vorgeschlagenen einen Sitzes. Funf Sitze
erhalt die Regierungskoalition, je einen Sitz die Parteien, die
bei den letzten Kommunalwahlen im Mai 2002 erfolgreiche waren: Arbeiterpartei
(Vorsitzender: Schalwa Natelaschwili), Neue Bewegung (Michael Saakaschwili),
Neue Rechte (David Gamkrelidse, Lewan Gachechiladse)und Vereinte
Demokraten (Surab Schwania). Der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission
wird auf Vorschlag der OSZE bestimmt. Alle anderen Parteien und
Gruppierungen gehen leer aus (zur Vorgeschichte: siehe Background-Archiv).
Jetzt werfen sich Opposition und Regierung gegenseitg vor, in
der Wahlkommission die Ergebnisse manipulieren zu wollen und dank
der neuen Besetzung auch zu konnen. Neue Bewegung, Neue Rechte
und Vereinigte Demokraten beschuldigen die Gewinner der Gesetzes-Lotterie
um das Wahlrecht, Wiedergeburt und Industrialisten, vor, heimlich
mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Glaubt man dieser politischen
Mengenlehre, dann hatte die Regierungsseite nicht nur funf sondern
10 der insgesamt 15 Sitze in der Zentralen Wahlkommission. Die
angesprochenen Parteien weisen diese Sichtweise zuruck, bezeichnen
sich als Opposition, wahrend sie den neuen Oppositionsparteien
vorwerfen, als Abspaltungen der fruheren Regierungspartei "Burgerunion"
die Oppositionsrolle nur vorzuspielen und ihrerseits klammheimlich
mit dem Schewardnadse-Lager zu paktieren. Als einzige wirkliche
Opposition betrachtet sich Schalwa Natelaschwili mit seiner Arbeiterpartei,
der von Anfang an in Opposition zu allen Koalitionsgebilden stand,
die Staatsprasident Eduard Schewardnadse zur Unterstutzung seiner
Politik jeweils schmieden musste.
Das Ergebnis wird vor allem als eine Niederlage der massiven
amerikanischen Einmischung in innergeorgische Angelegenheiten
angesehen. Noch in der vergangenen Woche hatte sich der amerikanische
Botschafter Miles heftig fur die Annahme des Baker Vorschlags
eingesetzt. Jetzt, nach der Entscheidung, hagelte es heftige Kritik
gerade aus amerikanischen Kreisen, die sich vom georgischen Prasidenten
in dieser Prestige-Frage verraten fuhlen. Immerhin hatte sich
Richard Miles schon vor seiner Entsendung nach Georgien auf die
Fahnen geschrieben, fur demokratische Wahlen und eine saubere
Regelung der Nachfolge Schewardnadses sorgen zu wollen.
Zusammen mit dem Verkauf der AES-Anteile am Tbilisser Stromverteiler
TELASI an einen russischen Energiegiganten kam es deshalb erstmals
zu einer offentlich ausgetragenenen Missstimmung im georgisch-amerikansichen
Verhaltnis. Schewardnadse erteilte seinen amerikanischen Freunden
eine Nachhilfstunde in Demokratie, in dem er sie fragte, ob denn
der amerikanische Kongress einfach Anordnungen aus dem Wei?en
Haus erfulle. Er jedenfalls habe sich nicht in eine Angelegenheit
des Parlaments einmischen konnen. Einen Tag spater lehnte das
Prlament auch einen Antrag ab, nachdem Mitglieder der bisherigen
Zentralen Wahlkommission die Berufung in das neue Organsitaionsgremium
der Parlamentswahlen verboten sein soll. Damit konnen die Parteien
auch Mitglieder berufen, die an der Organisation von durchaus
zweifelhaft organisierten Wahlen der vergangenen Jahre beteiligt
waren.
Die Internationale Gesellschaft fur faire Wahlen und Demokratie
erklarte zum Ausgang des wochenlangen Tauziehens um ein neues
Wahlgesetz, das das Parlament mit dieser Entscheidung keine Grundlagen
fur eine faire Wahl gelegt habe. Der Streit nach den Wahlen uber
Auszahlung und Manipulation scheint jetzt schon vorprogrammiert.
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