Es gibt viele Wege, wie man wei?, nicht nur nach Rom, auch nach
Tbilissi. Nach mehreren praktischen Versuchen der letzten Jahre
stellt GN-Chefredakteur Rainer Kaufmann in dieser und der nachsten
Ausgabe die optimale Reiseroute vor. Naturlich definiert sich eine
optimale Reiseroute durch die individuellen Kriterien des Reisenden.
Deshalb seien zunachst unsere Kriterien erlautert: Die Reiseroute
sollte moglichst lange innerhalb der Europaischen Union verlaufen,
um unnotige Grenzubertritte, zollburokratischen Arger und Geldumtauschaktionen
zu vermeiden. Die Reise sollte moglichst kostengunstig sein, in
vertretbare Tagesetappen eingeteilt werden konnen und gleichzeitig
noch landschaftlichen Genu? und Abwechslung bieten. Und sie sollte
spannend genug sein, sie uber mehrere Tage zu strecken.
Um moglichst lange in der EU zu bleiben, sind wir von Karlsruhe
uber Munchen, Innsbruck und den Brennerpass nach Italien gefahren,
alles Autobahn bis nach Ancona, dem Fahrhafen nach Griechenland.
Von da setzten wir ins nordgriechische Igoumenitza uber, die preiswerteste
und kurzeste Fahrpassage uber die Adria. Von Igoumenitza fuhren
wir uber Ionannina, Larissa und Saloniki zur griechisch-turkischen
Grenze bei Ipsala. Genau 1.962 km waren es von Karlsruhe bis zur
Genze von Euroland. In der Turkei fuhren wir auf der Autobahn
an Istanbul vorbei zunachst in Richtung Ankara bis Bolu, von da
auf sehr guten Landstra?en uber Samsun und Trabzon nach Hopa.
Das waren noch einmal 1.537 km. Normalerweise wurde man von hier
uber Sarpi (Grenze) und Batumi und Kutaissi nach Tbilissi fahren,
das waren knapp 450 km. Wir wahlten aber den sudgeorgischen Grenzubergang
Vale und fuhren deshalb uber Artvin und Ardahan nach Posof, von
da nach Achalziche und uber Bordschomi und Chaschuri nach Tbilissi.
Bis zur Stadtmitte von Tbilissi waren dies noch einmal genau 506
km, sodass wir auf eine Gesamtleistung von 4.005 km kamen und
etwa 60 km mehr als die kurzere Route uber Adscharien. Insgesamt
waren wir 115 Stunden unterwegs, die Route uber Batumi hatten
wir in 100 Stunden schaffen konnen, wobei wir, mein Mitfahrer
Fritz Morgenthaler, der vor 30 Jahren schon einmal mit dem PKW
in den Kaukasus gefahren war, und ich, uns am Steuer abwechselten.
Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Reise vorweg:
- Bis auf Teile der turkischen Kustenstrecke Samsun-Hopa und
die knapp 30 km zwischen Vale und Achalziche waren alle Stra?en
(auch die georgischen!!!!!) in einem guten bis teilweise sogar
sehr guten Zustand.
- Auf den gesamten 4.000 km wurden wir nicht ein einziges Mal
von der Polizei angehalten (auch nicht in Georgien !!!!) oder
von anderen Personen belastigt.
- Die beiden Grenzubertritte waren erstaunlich unkompliziert,
wenn man von den 5 $ "Trinkgeld" absieht, die sich ein
georgischer Grenzbeamter in Vale am allerletzten Schlagbaum noch
erbettelte, das einzige nicht offizielle Geld, das wir auf dieser
Reise zu zahlen hatten.
Die landlaufige Meinung vom Ablauf einer solchen Reise ist vollig
anders, wobei wir zugeben, dass wir vor allem von der reibungslosen
Abfertigung beider Grenzubertritte uberrascht waren. Bei fruheren
Auto-Transfers haben auch wir andere Erfahrungen gemacht. Naturlich
hat eine Rolle gespielt, dass wir mitten im Pulk fur dieUrlaubszeit
heimkehrender griechischer und turkischer Mitburger fuhren. Und
naturlich auch, dass wir keine Transit-Nummer an unserem Auto
hatten sondern eine normale deutsche Zulassung. Georgier als Autohandler
auf Transit haben da sicher andere Voraussetzungen, aber wir wollen
diese Reise ja auch unter dem Gesichtspunkt testen, ob sie fur
Urlauber, die sich den Zeitaufwand leisten konnen, lohnt. Angesichts
der uberwaltigenden landschaftlichen Eindrucke, die die Reise
von Igoumenitza bis nach Tbilissi nahezu ohne Unterbrechung bietet,
ist der Trip mehr als nur empfehlenswert, ein unvergleichliches
Erlebnis, allerdings nur fur den, der die Erfahrung", die
nur die Stra?e bieten kann, dem "Uberfliegen" des Jet-Zeitalters
vorzieht.
1. Tag: Mit der Fahre nach Griechenland
Von allen moglichen italienischen Fahrhafen (Venedig, Triest,
Bari, Brindisi) erschien uns Ancona als der geeigneteste. Die
suditalienischen Hafen kosten erheblich mehr an Autobahnkilometern
und -gebuhren in Italien und haben meist Patras und die Turkei
als Ziele, beides erschien uns fur eine moglichst kurze Reise
nach Georgien nicht besonders gunstig. Ahnlich sehen wir es mit
den beiden norditalienischen Hafen Venedig und Triest. Einmal
ist es nach Ancona nur unwesentlich weiter, zum anderen liegt
die Abfahrzeit in Ancona ausserst gunstig: nachmittags um 16.30
Uhr. Da kann man aus Suddeutschland bequem anreisen. Und noch
besser ist es mit der Ankunft in Igoumenitsa: 9.00 Uhr am Vormittag,
da ist man gut ausgeschlafen und hat einen ganzen Tag zum Kilometerfressen
vor sich. Und die genau 1.080 km von Karlsruhe bis zum Hafen kann
man problemlos hinter sich bringen. Wir starteten um Mitternacht
und waren um 13.30 Uhr bereits am Hafengelande in Ancona, ein
Tankstopp, ein Nickerchen von einer Stunde und zwei Kaffepausen
inklusive. Eingecheckt wurde ab 15.00 Uhr. Die Strecke uber den
Brenner hat den gro?en Vorteil, das Autobahn-Nadelohr Mailand
umgehen zu konnen, das man bei einer Anreise uber den Gotthard
gerade rechtzeitig zur Rushhour am Morgen erreicht. Staus vor
allem bei den zahlreichen festen Mautstellen sind da kaum zu vermeiden.
Von Ancona nach Igoumenitsa gibt es mehrere Fahrlinien. Wir wahlten
im Gegensatz zu fruheren Trips, bei denen wir mit Superfast Ferries
fuhren, diesmal den griechischen Reeder ANEK LINES und das Schiff
"Olympic Champion". Die Uberfahrt ist mehr als angenehm,
das Schiff sauber, bietet viele Moglichkeiten zur Unterhaltung
(Pool, Shops, Bars, Spielsalon, Disco, Kinderecke, Restaurants)
fur 1.850 Passagiere und Raum fur 1.100 Fahrzeuge. Es war gerade
Ferienanfang in Baden-Wurttemberg, der Kahn war bis auf den letzten
Platz besetzt, auch die anderen Fahren meldeten volle Belegung.
Wer zur Hauptreisezeit fahren will, sollte also rechtzeitig buchen,
schon gar, wenn er eine Kabine fur die Nacht benotigt. Die sind
recht teuer, wer preiswerter reisen mochte, kann einen Pullmansitz
buchen oder eine einfache Deckpassage. Wir hatten uns fur Pullman
entschieden, nachdem keine Kabine mehr frei war, was allerdings
nicht unbedingt zu empfehlen ist. Einerseits sind die Sitze zum
wirklich erholsamen Schlafen recht ungemutlich, andererseits herrscht
in dem gro?en Saal mit uber 100 Platzen eine standige Unruhe,
bei der nur Hartgesottene wirklich schlafen konnen. Nach und nach
fullt sich der ohnehin ausgebuchte Raum mit zusatzlichen Passagieren,
die sich in den Zwischengangen ihr Schlafsacklager einrichten.
Es ist ein eifriges Kommen und Gehen bis spat in die Nacht hinein.
Erst nach Mitternacht kommen die Kids von ihrem Zug durch die
Schiffs-Disco zuruck und legen sich kichernd zur Ruhe. Gleich
danach schreien die ersten Babies nach der Mutterbrust und beklagen
sich lautstark uber die ungewohnte nachtliche Gerauschkulisse.
Und kurze Zeit spater schon steigen die ersten Fruhaufsteher,
die den Sonnenaufgang anbeten wollen, uber die schlafenden Leiber
in den Gangen. Es ist also immer etwas los, wobei ich zugeben
muss, zu den Anbetern des Sonnenaufgangs zu gehoren. Mein Mitfahrer
Fritz hatte sich eh recht schnell der stickigen Athmosphare des
Pullmansaales entzogen und auf Deck ubernachtet.
Denn den weitaus besseren, weil erholsameren Schlaf findet man
auf Deck, man muss allerdings einen windgeschutzten, ruhigen Liegeplatz
erkampfen, Schlafsack und Isomatte auslegen und sich gut einwickeln.
Dann ist der Fahrtwind, der trotz guter Abschirmung in nahezu
jede Ecke des Schiffs kommt, durchaus erfrischend. Ein paar Hundert
Menschen verbringen so die Nacht, turkische Familienlager haben
wir gesehen neben griechischen, dazu deutsche Rucksacktouristen,
ein buntes Gemisch. Erstaunlich positiv: die offentlichen Toiletten
und Duschkabinen, die sich trotz des Massenansturms immer recht
sauber prasentierten. Vor 15 bis 20 Jahren sah es auf den Fahrschiffen
ganz anders aus. Fazit: Wer preiswert reisen und eine Nacht unter
freiem Meereshimmel im Schlafsack genie?en will, fahrt am besten
und ist am Morgen wirklich auch ausgeruht, denn auf Deck ist es
in aller Regel ab Mitternacht recht ruhig. 52 kostet die
Uberfahrt auf Deck, in der Saison 56 und 68 . Der Pullmansitz
kostet 66 , in der Saison 72 und 86. Die Kabinenpreise schwanken
pro Person von 104 (116, 144 in der Saison) bis
244 (258, 316 in der Saison). Ein normaler PKW kostet
66 , 72 und 98 zur Feriensaison. Fur zwei Personen
kann man also von in der Nebensaion zwischen 170 und 554
fur die Uberfahrt veranschlagen, das waren im preiswertesten Fall
85 pro Person, bei einer Vierpersonengruppe nur noch 68
pro Person. Das Essen rechnen wir nicht, jeder kann sich
seine Verpflegung mitbringen oder in Restaurants verschiedener
Preisklassen essen. Wir haben im Selbstbedienungsrestaurant reichlich
und angemessen gut gegessen, griechische Kuche selbstredend, und
pro Person 15 bezahlt inklusive einem halben Liter griechischen
Rotweins. Damit lasst sich umgehen.
2. Tag: Durchs griechische Bergland
Nach Igoumenitza gehts zunachst in die ersten Bergprufungen fur
Fahrer und Fahrzeug. Auf den rund 120 km uber Joanina nach Kalambaka
sind mehrere Passe zu uberwinden, Achterbahnfahren ist angesagt.
Wer da allerdings hinter einem LKW stecken bleibt und nicht vorbeiziehen
kann, verliert viel Zeit. Das Highlight des Tages sind die Meteorafelsenkloster
bei Kalambaka, fur Reisende, die nicht nur durchheizen wollen,
ein Pflichtstopp. Ab Larissa fuhrt eine Autobahn zunachst zum
Meer und dann in nordlicher Richtung am Olymp vorbei nach Thessaloniki.
Die Autobahn ist auch im weiteren Verlauf bis zur Grenze mehrfach
unterbrochen, wobei sich der Ausbauzustand jedoch jahrlich verbessert.
In ein paar Jahren, so kann man hoffen, wird die Strecke mehr
oder weniger geschlossen sein. Die Mautgebuhren sind derzeit noch
unerheblich, wir haben insgesamt 2.60 bezahlt, mag sein,
dass man da erheblich mehr veranschlagen muss, wenn die Strecke
einmal vollstandig hergestellt sein wird.
In Thessaloniki endet dieAutobahn. Wir erreichen die ostgriechische
Metropole am Nachmittag, etwa zu der Zeit, zu der wir die Fahre
erst hatten verlassen konnen, wenn wir von Ancona bis nach Patras
gefahren waren. In Thessaloniki geht es auf die Stadtumfahrung,
um dann nach etwa 7 km in nordlicher Richtung nach Kilkis, Kabala
und Serra abzubiegen. Nach weiteren 8 km zweigt die Hauptstra?e
nach Kilkis und Serra links ab, in die Turkei fahrt man zunachst
einmal geradeaus und dann nach einem Bogen ziemlich genau in ostlicher
Richtung, passiert zwei Binnenseen, gelangt dann wieder an die
Kuste, wo vor allem die wunderschon gelgene Stadt Kabala zu einem
Zwischenaufenthalt lockt. Wer noch in Griechenland ubernachten
will, sollte das hier tun, rund 200 km vor der turkischen Grenze.
Wir fahren durch, haben neben einer Kaffepause vor Kalambaka lediglich
in einer schonen Strandtaverne bei Akrogiali einen einstundigen
Kaffe-Stopp eingelegt und erreichten etwa gegen Mitternacht die
Grenze, an der die Autobahn mittlerweile direkt bis an die griechische
Zollstelle fuhrt. Es war, wie gesagt, erster Ferientag in Baden-Wurttemberg
und unversehens finden wir uns in einem Stau mehrerer Tausend
PKW's mit uberwiegend schwabischen Kennzeichen wieder. Der war
anscheinend erwartet worden, denn am Rande der Fahrbahn hatten
die Griechen Trockentoiletten aufgebaut und jede Menge an Abfalleimern
aufgestellt.
Im Schritttempo gehg es zur Grenze. Die griechischen Zollner
winken nur durch, auf der turkischen Seite erwarten wir angesichts
unserer Erfahrungen aus fruheren Jahren das wahre Chaos. Wir werden
angenehm uberrascht. Die Zollanlage ist neu und gro?zugig ausgebaut,
die Abfertigung trotz Registrierung der Fahrzeuge weitaus effektiver
organisiert als noch vor drei Jahren. Die Aussicht, in die EU
aufgenommen zu werden, setzt anscheinend Organisationskrafte frei,
die man der turkischen Beamtenschaft kaum zugetraut hatte. Zusammen
mit dem etwa 3 km langen Stopp-and-Go vor der Grenze brauchen
wir etwas mehr als zwei Stunden, um wieder freie Fahrt in der
Turkei aufnehmen zu konnen. Kosten fur die Registrierung des Fahrzeugs:
8 , weitere Zahlungen: Fehlanzeige.
Nach rund 18-stundiger Fahrt war jetzt endlich Ubernachten angesagt.
Am Rande der Strecke gibt es ein paar einfache und preiswerte
Hotels, wir schliessen uns aber der Heerschar unserer turkisch-schwabischen
Landsleute an und halten auf einem Parkplatz einer der vielen
Tankstellen, um fur ein paar Stunden auzuruhen. Sofort kommt die
Jandarma, eine Art Militarpolizei, und bedeutet uns, dass das
an dieser Stelle nicht erlaubt sei. Aber 2 Kilometer weiter, da
sei eine Tankstelle, auf deren Gelande wir schlafen konnten. Wieder
erwartet uns eine Heerschar schwabisch-badischer Limousinen mit
schlafenden Familiensippen und zwei bewaffnete Jandarma-Polizisten,
die uns in unseren Parkplatz einweisen. Die ganze Nacht uber patroullieren
sie auf dem Gelande. Wir konnen sicher schlafen - mein Ko-Pilot
Fritz mit Isomatte und Schlafsack auf einem kleinen Grunstreifen,
wo einige andere Freiluftfans bereits liegen, ich im Fahrzeug.
Wie wir am nachsten Morgen erfahren, entsprang der Polizeischutz
einer Privataktion, die der ortliche Jandarma-Kommandeur mit dem
Besitzer der Tank- und Raststelle abgesprochen hatte, da es in
den Jahren zuvor hie und da Uberfalle auf schlafende Turkei-Heimaturlauber
gegeben habe. Die Polizei, Dein Freund und Helfer - das Beispiel
muss einfach zur Nachahmung empfohlen werden, wobei wir nicht
versaumen sollten, den Ort der Gastfreundschaft zu dokumentieren:
Tekirdag.
Nach rund sechs Stunden Schlaf starten wir zu unserem ersten
Turkeitag, nicht ohne zuvor einen Tee und ein kleines Fruhstuck
eingenommen zu haben. Der Raststellenbetreiber, der die Jandarma
als Security organisierte, hat sich die paar Lira Umsatz redlich
verdient. Die Hutte ist recht voll, es haben sich einige Dutzend
an deutsch-turkischen Fahrzeugen im Laufe der Nacht angesammelt.
Und wahrend wir unseren Tee schlurfen, gibt es noch eine Service-Uberraschung:
Mit einem Dampfstrahler macht sich ein Junge an unserem Fahrzeug
zu schaffen, dem nach einem Tag staubiger Stra?en diese Behandlung
sichtlich gut tat. Das Trinkgeld war redlich verdient.
Fortsetzung in der nachsten Ausgabe von www.georgien-news.de
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