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Ausgabe 12/03
13. August


Es gibt viele Wege, wie man wei?, nicht nur nach Rom, auch nach Tbilissi. Nach mehreren praktischen Versuchen der letzten Jahre stellt GN-Chefredakteur Rainer Kaufmann in dieser und der nachsten Ausgabe die optimale Reiseroute vor. Naturlich definiert sich eine optimale Reiseroute durch die individuellen Kriterien des Reisenden. Deshalb seien zunachst unsere Kriterien erlautert: Die Reiseroute sollte moglichst lange innerhalb der Europaischen Union verlaufen, um unnotige Grenzubertritte, zollburokratischen Arger und Geldumtauschaktionen zu vermeiden. Die Reise sollte moglichst kostengunstig sein, in vertretbare Tagesetappen eingeteilt werden konnen und gleichzeitig noch landschaftlichen Genu? und Abwechslung bieten. Und sie sollte spannend genug sein, sie uber mehrere Tage zu strecken.

Um moglichst lange in der EU zu bleiben, sind wir von Karlsruhe uber Munchen, Innsbruck und den Brennerpass nach Italien gefahren, alles Autobahn bis nach Ancona, dem Fahrhafen nach Griechenland. Von da setzten wir ins nordgriechische Igoumenitza uber, die preiswerteste und kurzeste Fahrpassage uber die Adria. Von Igoumenitza fuhren wir uber Ionannina, Larissa und Saloniki zur griechisch-turkischen Grenze bei Ipsala. Genau 1.962 km waren es von Karlsruhe bis zur Genze von Euroland. In der Turkei fuhren wir auf der Autobahn an Istanbul vorbei zunachst in Richtung Ankara bis Bolu, von da auf sehr guten Landstra?en uber Samsun und Trabzon nach Hopa. Das waren noch einmal 1.537 km. Normalerweise wurde man von hier uber Sarpi (Grenze) und Batumi und Kutaissi nach Tbilissi fahren, das waren knapp 450 km. Wir wahlten aber den sudgeorgischen Grenzubergang Vale und fuhren deshalb uber Artvin und Ardahan nach Posof, von da nach Achalziche und uber Bordschomi und Chaschuri nach Tbilissi. Bis zur Stadtmitte von Tbilissi waren dies noch einmal genau 506 km, sodass wir auf eine Gesamtleistung von 4.005 km kamen und etwa 60 km mehr als die kurzere Route uber Adscharien. Insgesamt waren wir 115 Stunden unterwegs, die Route uber Batumi hatten wir in 100 Stunden schaffen konnen, wobei wir, mein Mitfahrer Fritz Morgenthaler, der vor 30 Jahren schon einmal mit dem PKW in den Kaukasus gefahren war, und ich, uns am Steuer abwechselten. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Reise vorweg:

- Bis auf Teile der turkischen Kustenstrecke Samsun-Hopa und die knapp 30 km zwischen Vale und Achalziche waren alle Stra?en (auch die georgischen!!!!!) in einem guten bis teilweise sogar sehr guten Zustand.
- Auf den gesamten 4.000 km wurden wir nicht ein einziges Mal von der Polizei angehalten (auch nicht in Georgien !!!!) oder von anderen Personen belastigt.
- Die beiden Grenzubertritte waren erstaunlich unkompliziert, wenn man von den 5 $ "Trinkgeld" absieht, die sich ein georgischer Grenzbeamter in Vale am allerletzten Schlagbaum noch erbettelte, das einzige nicht offizielle Geld, das wir auf dieser Reise zu zahlen hatten.

Die landlaufige Meinung vom Ablauf einer solchen Reise ist vollig anders, wobei wir zugeben, dass wir vor allem von der reibungslosen Abfertigung beider Grenzubertritte uberrascht waren. Bei fruheren Auto-Transfers haben auch wir andere Erfahrungen gemacht. Naturlich hat eine Rolle gespielt, dass wir mitten im Pulk fur dieUrlaubszeit heimkehrender griechischer und turkischer Mitburger fuhren. Und naturlich auch, dass wir keine Transit-Nummer an unserem Auto hatten sondern eine normale deutsche Zulassung. Georgier als Autohandler auf Transit haben da sicher andere Voraussetzungen, aber wir wollen diese Reise ja auch unter dem Gesichtspunkt testen, ob sie fur Urlauber, die sich den Zeitaufwand leisten konnen, lohnt. Angesichts der uberwaltigenden landschaftlichen Eindrucke, die die Reise von Igoumenitza bis nach Tbilissi nahezu ohne Unterbrechung bietet, ist der Trip mehr als nur empfehlenswert, ein unvergleichliches Erlebnis, allerdings nur fur den, der die Erfahrung", die nur die Stra?e bieten kann, dem "Uberfliegen" des Jet-Zeitalters vorzieht.

1. Tag: Mit der Fahre nach Griechenland

Von allen moglichen italienischen Fahrhafen (Venedig, Triest, Bari, Brindisi) erschien uns Ancona als der geeigneteste. Die suditalienischen Hafen kosten erheblich mehr an Autobahnkilometern und -gebuhren in Italien und haben meist Patras und die Turkei als Ziele, beides erschien uns fur eine moglichst kurze Reise nach Georgien nicht besonders gunstig. Ahnlich sehen wir es mit den beiden norditalienischen Hafen Venedig und Triest. Einmal ist es nach Ancona nur unwesentlich weiter, zum anderen liegt die Abfahrzeit in Ancona ausserst gunstig: nachmittags um 16.30 Uhr. Da kann man aus Suddeutschland bequem anreisen. Und noch besser ist es mit der Ankunft in Igoumenitsa: 9.00 Uhr am Vormittag, da ist man gut ausgeschlafen und hat einen ganzen Tag zum Kilometerfressen vor sich. Und die genau 1.080 km von Karlsruhe bis zum Hafen kann man problemlos hinter sich bringen. Wir starteten um Mitternacht und waren um 13.30 Uhr bereits am Hafengelande in Ancona, ein Tankstopp, ein Nickerchen von einer Stunde und zwei Kaffepausen inklusive. Eingecheckt wurde ab 15.00 Uhr. Die Strecke uber den Brenner hat den gro?en Vorteil, das Autobahn-Nadelohr Mailand umgehen zu konnen, das man bei einer Anreise uber den Gotthard gerade rechtzeitig zur Rushhour am Morgen erreicht. Staus vor allem bei den zahlreichen festen Mautstellen sind da kaum zu vermeiden.

Von Ancona nach Igoumenitsa gibt es mehrere Fahrlinien. Wir wahlten im Gegensatz zu fruheren Trips, bei denen wir mit Superfast Ferries fuhren, diesmal den griechischen Reeder ANEK LINES und das Schiff "Olympic Champion". Die Uberfahrt ist mehr als angenehm, das Schiff sauber, bietet viele Moglichkeiten zur Unterhaltung (Pool, Shops, Bars, Spielsalon, Disco, Kinderecke, Restaurants) fur 1.850 Passagiere und Raum fur 1.100 Fahrzeuge. Es war gerade Ferienanfang in Baden-Wurttemberg, der Kahn war bis auf den letzten Platz besetzt, auch die anderen Fahren meldeten volle Belegung. Wer zur Hauptreisezeit fahren will, sollte also rechtzeitig buchen, schon gar, wenn er eine Kabine fur die Nacht benotigt. Die sind recht teuer, wer preiswerter reisen mochte, kann einen Pullmansitz buchen oder eine einfache Deckpassage. Wir hatten uns fur Pullman entschieden, nachdem keine Kabine mehr frei war, was allerdings nicht unbedingt zu empfehlen ist. Einerseits sind die Sitze zum wirklich erholsamen Schlafen recht ungemutlich, andererseits herrscht in dem gro?en Saal mit uber 100 Platzen eine standige Unruhe, bei der nur Hartgesottene wirklich schlafen konnen. Nach und nach fullt sich der ohnehin ausgebuchte Raum mit zusatzlichen Passagieren, die sich in den Zwischengangen ihr Schlafsacklager einrichten. Es ist ein eifriges Kommen und Gehen bis spat in die Nacht hinein. Erst nach Mitternacht kommen die Kids von ihrem Zug durch die Schiffs-Disco zuruck und legen sich kichernd zur Ruhe. Gleich danach schreien die ersten Babies nach der Mutterbrust und beklagen sich lautstark uber die ungewohnte nachtliche Gerauschkulisse. Und kurze Zeit spater schon steigen die ersten Fruhaufsteher, die den Sonnenaufgang anbeten wollen, uber die schlafenden Leiber in den Gangen. Es ist also immer etwas los, wobei ich zugeben muss, zu den Anbetern des Sonnenaufgangs zu gehoren. Mein Mitfahrer Fritz hatte sich eh recht schnell der stickigen Athmosphare des Pullmansaales entzogen und auf Deck ubernachtet.

Denn den weitaus besseren, weil erholsameren Schlaf findet man auf Deck, man muss allerdings einen windgeschutzten, ruhigen Liegeplatz erkampfen, Schlafsack und Isomatte auslegen und sich gut einwickeln. Dann ist der Fahrtwind, der trotz guter Abschirmung in nahezu jede Ecke des Schiffs kommt, durchaus erfrischend. Ein paar Hundert Menschen verbringen so die Nacht, turkische Familienlager haben wir gesehen neben griechischen, dazu deutsche Rucksacktouristen, ein buntes Gemisch. Erstaunlich positiv: die offentlichen Toiletten und Duschkabinen, die sich trotz des Massenansturms immer recht sauber prasentierten. Vor 15 bis 20 Jahren sah es auf den Fahrschiffen ganz anders aus. Fazit: Wer preiswert reisen und eine Nacht unter freiem Meereshimmel im Schlafsack genie?en will, fahrt am besten und ist am Morgen wirklich auch ausgeruht, denn auf Deck ist es in aller Regel ab Mitternacht recht ruhig. 52 ˆ kostet die Uberfahrt auf Deck, in der Saison 56 und 68 ˆ. Der Pullmansitz kostet 66 ˆ, in der Saison 72 und 86. Die Kabinenpreise schwanken pro Person von 104 ˆ (116, 144 ˆ in der Saison) bis 244 ˆ (258, 316 ˆ in der Saison). Ein normaler PKW kostet 66 ˆ, 72 und 98 ˆ zur Feriensaison. Fur zwei Personen kann man also von in der Nebensaion zwischen 170 und 554 ˆ fur die Uberfahrt veranschlagen, das waren im preiswertesten Fall 85 ˆ pro Person, bei einer Vierpersonengruppe nur noch 68 ˆ pro Person. Das Essen rechnen wir nicht, jeder kann sich seine Verpflegung mitbringen oder in Restaurants verschiedener Preisklassen essen. Wir haben im Selbstbedienungsrestaurant reichlich und angemessen gut gegessen, griechische Kuche selbstredend, und pro Person 15 ˆ bezahlt inklusive einem halben Liter griechischen Rotweins. Damit lasst sich umgehen.

2. Tag: Durchs griechische Bergland

Nach Igoumenitza gehts zunachst in die ersten Bergprufungen fur Fahrer und Fahrzeug. Auf den rund 120 km uber Joanina nach Kalambaka sind mehrere Passe zu uberwinden, Achterbahnfahren ist angesagt. Wer da allerdings hinter einem LKW stecken bleibt und nicht vorbeiziehen kann, verliert viel Zeit. Das Highlight des Tages sind die Meteorafelsenkloster bei Kalambaka, fur Reisende, die nicht nur durchheizen wollen, ein Pflichtstopp. Ab Larissa fuhrt eine Autobahn zunachst zum Meer und dann in nordlicher Richtung am Olymp vorbei nach Thessaloniki. Die Autobahn ist auch im weiteren Verlauf bis zur Grenze mehrfach unterbrochen, wobei sich der Ausbauzustand jedoch jahrlich verbessert. In ein paar Jahren, so kann man hoffen, wird die Strecke mehr oder weniger geschlossen sein. Die Mautgebuhren sind derzeit noch unerheblich, wir haben insgesamt 2.60 ˆ bezahlt, mag sein, dass man da erheblich mehr veranschlagen muss, wenn die Strecke einmal vollstandig hergestellt sein wird.

In Thessaloniki endet dieAutobahn. Wir erreichen die ostgriechische Metropole am Nachmittag, etwa zu der Zeit, zu der wir die Fahre erst hatten verlassen konnen, wenn wir von Ancona bis nach Patras gefahren waren. In Thessaloniki geht es auf die Stadtumfahrung, um dann nach etwa 7 km in nordlicher Richtung nach Kilkis, Kabala und Serra abzubiegen. Nach weiteren 8 km zweigt die Hauptstra?e nach Kilkis und Serra links ab, in die Turkei fahrt man zunachst einmal geradeaus und dann nach einem Bogen ziemlich genau in ostlicher Richtung, passiert zwei Binnenseen, gelangt dann wieder an die Kuste, wo vor allem die wunderschon gelgene Stadt Kabala zu einem Zwischenaufenthalt lockt. Wer noch in Griechenland ubernachten will, sollte das hier tun, rund 200 km vor der turkischen Grenze. Wir fahren durch, haben neben einer Kaffepause vor Kalambaka lediglich in einer schonen Strandtaverne bei Akrogiali einen einstundigen Kaffe-Stopp eingelegt und erreichten etwa gegen Mitternacht die Grenze, an der die Autobahn mittlerweile direkt bis an die griechische Zollstelle fuhrt. Es war, wie gesagt, erster Ferientag in Baden-Wurttemberg und unversehens finden wir uns in einem Stau mehrerer Tausend PKW's mit uberwiegend schwabischen Kennzeichen wieder. Der war anscheinend erwartet worden, denn am Rande der Fahrbahn hatten die Griechen Trockentoiletten aufgebaut und jede Menge an Abfalleimern aufgestellt.

Im Schritttempo gehg es zur Grenze. Die griechischen Zollner winken nur durch, auf der turkischen Seite erwarten wir angesichts unserer Erfahrungen aus fruheren Jahren das wahre Chaos. Wir werden angenehm uberrascht. Die Zollanlage ist neu und gro?zugig ausgebaut, die Abfertigung trotz Registrierung der Fahrzeuge weitaus effektiver organisiert als noch vor drei Jahren. Die Aussicht, in die EU aufgenommen zu werden, setzt anscheinend Organisationskrafte frei, die man der turkischen Beamtenschaft kaum zugetraut hatte. Zusammen mit dem etwa 3 km langen Stopp-and-Go vor der Grenze brauchen wir etwas mehr als zwei Stunden, um wieder freie Fahrt in der Turkei aufnehmen zu konnen. Kosten fur die Registrierung des Fahrzeugs: 8 ˆ, weitere Zahlungen: Fehlanzeige.

Nach rund 18-stundiger Fahrt war jetzt endlich Ubernachten angesagt. Am Rande der Strecke gibt es ein paar einfache und preiswerte Hotels, wir schliessen uns aber der Heerschar unserer turkisch-schwabischen Landsleute an und halten auf einem Parkplatz einer der vielen Tankstellen, um fur ein paar Stunden auzuruhen. Sofort kommt die Jandarma, eine Art Militarpolizei, und bedeutet uns, dass das an dieser Stelle nicht erlaubt sei. Aber 2 Kilometer weiter, da sei eine Tankstelle, auf deren Gelande wir schlafen konnten. Wieder erwartet uns eine Heerschar schwabisch-badischer Limousinen mit schlafenden Familiensippen und zwei bewaffnete Jandarma-Polizisten, die uns in unseren Parkplatz einweisen. Die ganze Nacht uber patroullieren sie auf dem Gelande. Wir konnen sicher schlafen - mein Ko-Pilot Fritz mit Isomatte und Schlafsack auf einem kleinen Grunstreifen, wo einige andere Freiluftfans bereits liegen, ich im Fahrzeug. Wie wir am nachsten Morgen erfahren, entsprang der Polizeischutz einer Privataktion, die der ortliche Jandarma-Kommandeur mit dem Besitzer der Tank- und Raststelle abgesprochen hatte, da es in den Jahren zuvor hie und da Uberfalle auf schlafende Turkei-Heimaturlauber gegeben habe. Die Polizei, Dein Freund und Helfer - das Beispiel muss einfach zur Nachahmung empfohlen werden, wobei wir nicht versaumen sollten, den Ort der Gastfreundschaft zu dokumentieren: Tekirdag.

Nach rund sechs Stunden Schlaf starten wir zu unserem ersten Turkeitag, nicht ohne zuvor einen Tee und ein kleines Fruhstuck eingenommen zu haben. Der Raststellenbetreiber, der die Jandarma als Security organisierte, hat sich die paar Lira Umsatz redlich verdient. Die Hutte ist recht voll, es haben sich einige Dutzend an deutsch-turkischen Fahrzeugen im Laufe der Nacht angesammelt. Und wahrend wir unseren Tee schlurfen, gibt es noch eine Service-Uberraschung: Mit einem Dampfstrahler macht sich ein Junge an unserem Fahrzeug zu schaffen, dem nach einem Tag staubiger Stra?en diese Behandlung sichtlich gut tat. Das Trinkgeld war redlich verdient.

Fortsetzung in der nachsten Ausgabe von www.georgien-news.de



































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