In der georgischen Regierung geht es manchmal zu wie auf dem Olymp
des alten Griechenland, wo Gottervater Zeus, wenn ihn der Zorn packte,
mit Blitz und Donner herumfuhrwerkte, dass es Gottern wie Sterblichen
Angst und Bange wurde. Der Hausherr auf dem georgischen Olymp unserer
Zeit genehmigt sich, so will es scheinen, hin und wieder einen ahnlichen
Zornesausbruch, schleudert Blitz und Donner gegen alles, was sich
ihm in den Weg stellt. Das sind hin wieder auch Mitglieder seines
eigenen Kabinetts. Und von Zeit zu Zeit muss einer der Minister
dann seinen Hut nehmen.
In den vergangenen Tagen traf der Zorn des politischen Patriarchen
Georgiens ausgerechnet den Minister, der unter westlichen Beobachtern
als einer der Aktivposten in der ansonsten eher lendenlahmen Regierung
Schewardnadses gilt: Landwirtschaftminiser David Kirwalidse. Der
Staatschef lastet ihm - die alten Zeiten lassen grussen - die
Steigerung des Brotpreises an, wahrend dieser erklart, dass sich
Georgien nun mal nicht gegen Entwicklungen auf dem Weltmarkt wehren
konne, nachdem die staatliche Regulierung des Brotpreises aufgehoben
wurde. Dieser Auffassung konnte sich der Staatsprasident nicht
anschliessen, dekretierte, dass die Steigerung des Brotpreises
nicht mit den Gesetzen der Marktwirtschaft erklart werden konnen
und drohte, seinen Minister wegen offensichtlicher "Verbreitung
von Falschinformationen" zu entlassen. Keinem einzigen Staatsdiener,
auch keinem hochrangigen, konne er solch ein Versagen durchgehen
lassen.
Von der theatralisch angekundigten Entlassung Kirwalidses hat
Eduard Schewardnadse vorerst abgesehen und Regierungsinsider bezweifeln
auch, dass es dazu kommen wird. Denn das Echo der Offentlichkeit
auf den Regierungsstreit ums Brot war verheerend. Vor allem amerikanische
Diplomaten und Wirtschaftsleute hatten auf den unerklarlichen
prasidialen Zornesausbruch mit offen dargestellter Verwunderung
reagiert und dem angeschlagenen Minister demonstrativ den Rucken
gestarkt.
Was war geschehen? Aufgrund der Preissteigerung fur Weizen auf
dem Weltmarkt um bis zu 35 %, stieg der Brotpreis in Georgien
um rund 10 %. Georgien produziert nur fur etwa zwei Monate im
Jahr eigenen Weizen, der Rest muss zugekauft werden, vornehmlich
aus Russland oder der Uraine. Die Preissteigerung wurde aber nicht
offen gelegt, die Brotindustrie hatte sich heimlich darauf geeinigt,
die gestiegenen Mehlkosten durch eine Verringerung der Brotgewichte
oder die Verwendung schlechterer Mehlsorten aufzufangen: Ein Kilo-Laib
wog fortan nur noch 900 gr und der Minister, von Schewardnadse
nach der Steigerung des Brotpreises befragt, konnte zunachst einmal
erklaren, der Preis furs Brot sei gleich geblieben, bevor er dann
den Mengentrick der Brotindustrie eingestehen und mit marktwirtschaftlichen
Mechanismen erklaren musste.
Schewardnadse erklarte daraufhin, dass der Brotpreis ein Thema
der Grundversorgung der Menchen sei, egal ob arm oder reich, und
dass deshalb die Regierung bei einer Brotpreiserhohung gefragt
sei, Gehalter und Pensionen zu erhohen. Da dies angesichts der
real existierenden Haushaltslocher und bevorstehender Budgetkurzungen
unmoglich ist, scheint der Prasident einen Schuldigen zu suchen,
auf den er in Wahlkampfzeiten schlagen kann. Den fand er im Landwirtschaftsminister
und dessen kleiner Notluge, wobei der Prasident grosszugig ubersieht,
dass sein Minister in einem marktwirtschaftlichen System nun mal
den geringsten Einfluss auf die Preisentwicklung fur Mehl- und
Weizenimporte hat. Es war ubrigens die Regierung selbst, die mithalf,
den Mehlpreis in die Hohe zu treiben, als sie im Fruhjahr damit
begann, gegen die illegalen und damit billigen Mehleinfuhren aus
Russland vorzugehen - Fluch einer guten Tat.
Die Drohung Schewardnadses, seinen Landwirtschaftsminister wegen
der Brotpreisentwicklung zu entlassen, rief alle auf den Plan,
die mit Kirwalidse auf dem Gebiet der Agrareformen zusammenarbeiten,
zuallererst Michael Fabman, den Missionschef der amerikanischen
Entwicklungshilfeagentur USAID. Er bescheinigte dem Minister Kompetenz
und Zielstrebigkeit bei der Entwicklung einer privatwirtschaftlich
orientierten Landwirtschaft. Seine Entlassung ware ein gro?er
Ruckschlag fur die Reformen im Lande. Ahnlich au?erte sich auch
der durchaus einflussreiche Prasident der Amerikanischen Handelskammer
in Georgien - AmCham - Fady Asly, der offen erklarte, ein Rucktritt
Kirwalidses brachte dem Land nichts Gutes. Die Botschaft scheint
beim Prasidenten angekommen zu sein, es hat jedenfalls den Eindruck,
als wurde der Landwirtschaftsminister die Attacke des Staatschefs
uberleben.
Dagegen wittert die Opposition finstere Geschafte und beruft
sich dabei auf durchaus pikante politische Hintergrunde. Der georgische
Brotmarkt wird von einem Clan einflussreicher Backereifursten
beherrscht, als deren Oberhaupt ausgerechnet der Vater von Parlamentsprasidentin
Nino Burdschanadse, Ansor Burdschanadse, gilt. Die Opposition
reicherte die Vorwufe Schewardnadses an seinen Minister mit dem
Verdacht an, dieser wolle zusammen mit dem Brotkonig Burdschanadse
mit der kunstlich erzeugten Brotpreiserhohung klammheimlich eine
Wahlkampfkasse speisen. Die Tochter des Brotkonigs, ansonsten
durchaus gesprachig, halt sich bisher aus dem seltsamen politischen
Brotpreiskrieg heraus.
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