Ausgabe 10/03
11. Juni
Guten Tag aus Deutschland,

mit etwas Verspätung stellen wir unsere 10. Ausgabe des Jahres 2003 ins Netz. Wir bitten um Ihre Nachsicht, die abschließenden Redaktionsarbeiten wurden in Bruchsal erledigt, das Layout allerdings in Tbilissi. Und da hat es mit der Kommunikation trotz Internet und e-mail nicht ganz so geklappt, wie wir uns das wünschen und mehrfach schon erprobt hatten. Es darf ja auch einmal etwas schief gehen, zumal wir durch aktuelle Ereignisse gezwungen waren, die Themen dieser Ausgabe quasi über Nacht völlig neu zusammenzustellen.

Dafür bieten wir Ihnen zu den wichtigsten Ereignissen der vergangenen Tage ausführliches Hintergrundmaterial. Auch wenn in deutschen Medien die Themen Afghanistan, Naher Osten und Möllemann die Schlagzeilen beherrschten, ist das kurze Entführungsdrama um die UNOMIG-Militärbeobachter im Kodorital doch nicht ganz unverborgen geblieben. Die drei Soldaten aus Deutschland und Dänemark sind übrigens in bester Stimmung, sie feierten ihre Freilassung am Mittwoch Abend just in dem Tbilisser Biergarten, indem sie wenige Tage vor ihrer Entführung noch friedlich gesessen hatten. Und sie erzählten dabei, so wurde uns nach Deutschland gekabelt, dass sie während der gesamten Entführung anständig behandelt worden seien und keinerlei Gefahr für ihr Leben bestanden habe. Es müssen eben doch Gentlemen gewesen sein, die da im Kaukasus mal wieder ein wenig Sand ins internationale Beobachtergetriebe haben streuen wollen. Nach der jetzt dritten Entführung von UNOMIG-Mitarbeitern, die allesamt in angemessener Zeit und vor allem friedlich-schiedlich beendet werden konnte, ist man geneigt, Vorgänge dieser Art etwas gelassener zur Kenntnis zu nehmen als manch ein deutscher Zeitungskommentator. Lesen Sie heute, welche absolut sicheren Tipps wir in den letzten Tagen zu den Hintermännern dieser Entführung in Tbilissi in Erfahrung bringen konnten. Auch dies ist ein Teil der Inszenierung Kodorital, die da immer wieder aufs Neue angeboten wird. Wünschen wir uns und allen Betroffenen, dass sich das, was sich aus der Nähe betrachtet immer wieder eher als Operette darbietet, niemals in ein echtes Drama auswachsen wird für diejenigen, die nur da sind, Dramen zu verhindern, die die Direktbeteiligten niemals alleine verhindern könnten.

Etwas gelassener sehen wir nach ein paar Jahren intensiver Beobachtung der politischen Szene Georgiens auch die in der vergangenen Woche groß angekündigten Protestaktionen der georgischen Opposition: nichts als Wahlkrampf, der vergessen machen soll, dass allen politischen Kräften im Lande die Zauberformel zur Lösung der wirklichen Probleme Georgiens noch nicht eingefallen ist. Hierzulande sollte man nahezu nichts einfach 1:1 und damit wirklich ernst nehmen.

Dagegen machen sich internationale Consultingfirmen daran, den Dschungel im georgischen Elektrizitätswesen zu lichten. Nahezu alle wichtigen Management-Positionen der georgischen Stromwirtschaft sind mittlerweile von ausländischen Spezialisten besetzt, die von Donor-Organisationen bezahlt werden und nicht von der georgischen Strom(miss)wirtschaft. Sie gehen jetzt mit drastischen Schritten daran, mit dem Chaos im georgischen Elektrizitätswesen langsam aber sicher aufzuräumen. Denn das Land müsste eigentlich nicht unter Strommangel leiden, wenn es einigermaßen anständig gemanagt würde. Jetzt heißt es: Wer nicht zahlt, wird abgeklemmt. Und die georgische Regierung bekommt angesichts bevorstehender Wahlen das Fracksaußen.

Dazu in unserer Backgroundleiste drei Themen, mit denen wir uns immer wieder beschäftigen müssen. Alle Jahre wieder, wenn der IWF nach Georgien kommt, holt Eduard Schewardnadse die große Keule heraus, um seinem laschen Kabinett Etatdisziplin beizubiegen. Wie lange wird das noch gut gehen? Auch im Streit um die Landerechte für ausländische Airliner hat der Präsident jetzt seinen Widerspruch zum ganz normalen georgischen Wirtschaftsalltag angemeldet. Der Renommee-Verlust seines Landes auf dem internationalen Parkett hat ihn offensichtlich aufgeschreckt. Ob sich ähnliches in Kürze zum Thema neues Wahlrecht wird sagen lassen? Zwei Berichterstatter des Straßburger Europarates stellen der gesamten politischen Klasse Georgiens, Regierung wie Opposition, ein höchst ungenügendes Zeugnis aus.

In all diesen Themen - Stromwirtschaft, Haushaltskrise, Airline-Streit und Wahlrecht - zeigt sich, dass dem alltäglichen georgische Wahnsinn nur mit gehörigem Druck aus dem Ausland beizukommen ist. Glückliches Georgien, dass es solch wackere Freunde hat, vornehmlich die Amerikaner, die sich ernsthafte Sorgen um die Energiesicherheit ihres neuen Verbündeten machen.

Deutschland als Freund Georgiens ist nicht minder engagiert, jedoch in weitaus sanfteren Themen. So kümmert sich die KfW intensiv um den Bereich Landmanagement in Georgien, was dem Land unter anderen einen völlig neuen Berufszweig beschert, den der Bodenbewerter. Wir haben beim ersten Ausbildungskurs reingeschnuppert. Über den Nationalpark Bordschomi-Charagauli, ebenfalls ein KfW-Projekt, haben wir bereits mehrfach berichtet. An Pfingsten war Saisoneröffnung, mit Touristen aus Deutschland und Künstlern aus Georgien. Und im Herbst bietet ein georgisches Nachwuchsorchester beim berühmten Bonner Beethoven-Festival die Welturaufführung eines Werkes, für das ein georgischer Komponist einen Preis der Deutschen Welle erhalten hat. Glückliches Deutschland, dass es seine Freundschaft zu Georgien nicht auf dem Energiesektor beweisen muss.

Bleiben noch drei schöne Themen, mit denen wir unseren Georgien-Somemr-Mix abrunden. Der Jugendstil, eine Hundeausstellung und die zweite Neuauflage des legendären Europacup-Endspiels Tbilissi-Jena. Glückliches Jena, glückliches Tbilissi, dass es in der sportlichen Tristesse von heute immer wieder einen Anlass gibt, sich vergangener Größe zu erinnern.

Eine ganze Menge Georgien in einem Magazin. Wetten, dass Ihnen überhaupt nicht auffällt, dass wir in dieser Ausgabe kein neues Restaurant vorstellen?

Viele Grüße
Ihr Team von georgien-news


Rainer Kaufmann (derzeit in Bruchsal)
Irine Epitashvili (derzeit in Berlin)
Irakli (allein zu Haus) Naskidashvili



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