Guten Tag aus Deutschland,
mit etwas Verspätung stellen wir unsere 10. Ausgabe des
Jahres 2003 ins Netz. Wir bitten um Ihre Nachsicht, die abschließenden
Redaktionsarbeiten wurden in Bruchsal erledigt, das Layout allerdings
in Tbilissi. Und da hat es mit der Kommunikation trotz Internet
und e-mail nicht ganz so geklappt, wie wir uns das wünschen
und mehrfach schon erprobt hatten. Es darf ja auch einmal etwas
schief gehen, zumal wir durch aktuelle Ereignisse gezwungen waren,
die Themen dieser Ausgabe quasi über Nacht völlig neu
zusammenzustellen.
Dafür bieten wir Ihnen zu den wichtigsten Ereignissen der
vergangenen Tage ausführliches Hintergrundmaterial. Auch
wenn in deutschen Medien die Themen Afghanistan, Naher Osten und
Möllemann die Schlagzeilen beherrschten, ist das kurze Entführungsdrama
um die UNOMIG-Militärbeobachter im Kodorital doch nicht ganz
unverborgen geblieben. Die drei Soldaten aus Deutschland und Dänemark
sind übrigens in bester Stimmung, sie feierten ihre Freilassung
am Mittwoch Abend just in dem Tbilisser Biergarten, indem sie
wenige Tage vor ihrer Entführung noch friedlich gesessen
hatten. Und sie erzählten dabei, so wurde uns nach Deutschland
gekabelt, dass sie während der gesamten Entführung anständig
behandelt worden seien und keinerlei Gefahr für ihr Leben
bestanden habe. Es müssen eben doch Gentlemen gewesen sein,
die da im Kaukasus mal wieder ein wenig Sand ins internationale
Beobachtergetriebe haben streuen wollen. Nach der jetzt dritten
Entführung von UNOMIG-Mitarbeitern, die allesamt in angemessener
Zeit und vor allem friedlich-schiedlich beendet werden konnte,
ist man geneigt, Vorgänge dieser Art etwas gelassener zur
Kenntnis zu nehmen als manch ein deutscher Zeitungskommentator.
Lesen Sie heute, welche absolut sicheren Tipps wir in den letzten
Tagen zu den Hintermännern dieser Entführung
in Tbilissi in Erfahrung bringen konnten. Auch dies ist ein Teil
der Inszenierung Kodorital, die da immer wieder aufs Neue angeboten
wird. Wünschen wir uns und allen Betroffenen, dass sich das,
was sich aus der Nähe betrachtet immer wieder eher als Operette
darbietet, niemals in ein echtes Drama auswachsen wird für
diejenigen, die nur da sind, Dramen zu verhindern, die die Direktbeteiligten
niemals alleine verhindern könnten.
Etwas gelassener sehen wir nach ein paar Jahren intensiver Beobachtung
der politischen Szene Georgiens auch die in der vergangenen Woche
groß angekündigten Protestaktionen der georgischen
Opposition: nichts als Wahlkrampf,
der vergessen machen soll, dass allen politischen Kräften
im Lande die Zauberformel zur Lösung der wirklichen Probleme
Georgiens noch nicht eingefallen ist. Hierzulande sollte man nahezu
nichts einfach 1:1 und damit wirklich ernst nehmen.
Dagegen machen sich internationale Consultingfirmen daran, den
Dschungel im georgischen Elektrizitätswesen zu lichten. Nahezu
alle wichtigen Management-Positionen der georgischen Stromwirtschaft
sind mittlerweile von ausländischen Spezialisten besetzt,
die von Donor-Organisationen bezahlt werden und nicht von der
georgischen Strom(miss)wirtschaft. Sie gehen jetzt mit drastischen
Schritten daran, mit dem Chaos im georgischen
Elektrizitätswesen langsam aber sicher aufzuräumen.
Denn das Land müsste eigentlich nicht unter Strommangel leiden,
wenn es einigermaßen anständig gemanagt würde.
Jetzt heißt es: Wer nicht zahlt, wird abgeklemmt. Und die
georgische Regierung bekommt angesichts bevorstehender Wahlen
das Fracksaußen.
Dazu in unserer Backgroundleiste drei Themen, mit denen wir uns
immer wieder beschäftigen müssen. Alle Jahre wieder,
wenn der IWF nach Georgien kommt,
holt Eduard Schewardnadse die große Keule heraus, um seinem
laschen Kabinett Etatdisziplin beizubiegen. Wie lange wird das
noch gut gehen? Auch im Streit um die Landerechte
für ausländische Airliner hat der Präsident
jetzt seinen Widerspruch zum ganz normalen georgischen Wirtschaftsalltag
angemeldet. Der Renommee-Verlust seines Landes auf dem internationalen
Parkett hat ihn offensichtlich aufgeschreckt. Ob sich ähnliches
in Kürze zum Thema neues Wahlrecht wird sagen lassen? Zwei
Berichterstatter des Straßburger
Europarates stellen der gesamten politischen Klasse Georgiens,
Regierung wie Opposition, ein höchst ungenügendes Zeugnis
aus.
In all diesen Themen - Stromwirtschaft, Haushaltskrise, Airline-Streit
und Wahlrecht - zeigt sich, dass dem alltäglichen georgische
Wahnsinn nur mit gehörigem Druck aus dem Ausland beizukommen
ist. Glückliches Georgien, dass es solch wackere Freunde
hat, vornehmlich die Amerikaner, die sich ernsthafte Sorgen um
die Energiesicherheit ihres neuen Verbündeten machen.
Deutschland als Freund Georgiens ist nicht minder engagiert,
jedoch in weitaus sanfteren Themen. So kümmert sich die KfW
intensiv um den Bereich Landmanagement in Georgien, was dem Land
unter anderen einen völlig neuen Berufszweig beschert, den
der Bodenbewerter. Wir haben beim
ersten Ausbildungskurs reingeschnuppert. Über den Nationalpark
Bordschomi-Charagauli, ebenfalls ein
KfW-Projekt, haben wir bereits mehrfach berichtet. An Pfingsten
war Saisoneröffnung, mit Touristen aus Deutschland und Künstlern
aus Georgien. Und im Herbst bietet ein georgisches
Nachwuchsorchester beim berühmten Bonner Beethoven-Festival
die Welturaufführung eines Werkes, für das ein georgischer
Komponist einen Preis der Deutschen Welle erhalten hat. Glückliches
Deutschland, dass es seine Freundschaft zu Georgien nicht auf
dem Energiesektor beweisen muss.
Bleiben noch drei schöne Themen, mit denen wir unseren Georgien-Somemr-Mix
abrunden. Der Jugendstil, eine Hundeausstellung
und die zweite Neuauflage des legendären
Europacup-Endspiels Tbilissi-Jena. Glückliches Jena,
glückliches Tbilissi, dass es in der sportlichen Tristesse
von heute immer wieder einen Anlass gibt, sich vergangener Größe
zu erinnern.
Eine ganze Menge Georgien in einem Magazin. Wetten, dass Ihnen
überhaupt nicht auffällt, dass wir in dieser Ausgabe
kein neues Restaurant vorstellen?
Viele Grüße
Ihr Team von georgien-news
Rainer Kaufmann (derzeit in Bruchsal)
Irine Epitashvili (derzeit in Berlin)
Irakli (allein zu Haus) Naskidashvili
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