Guten Tag aus Tbilissi,
Die Urlaubszeit ist vorbei. Seit gestern findet vor der gegenüberliegenden
Schule wieder das morgendliche Hupkonzert statt, wenn ein paar Hundert
Mütter oder Väter gleichzeitig ihre Kinder direkt bis
ins Klassenzimmer fahren wollen. Der zweimalige Verkehrsstau in
unserer Straße - morgens um 9 Uhr und nachmittags nach 14
Uhr - hat uns richtig gefehlt. Das Familienleben in Tbilissi geht
wieder seinen gewohnten Gang und wir sind regelmässig Zeuge
dieses Spektakels.
Ungewohnt belebt ging es vor ein paar Tagen auf dem höchsten
Gipfel Georgiens, dem Schkara zu. Gleich drei Gruppen von
deutschen und georgischen Alpinisten hatten sich auf unterschiedlichen
Routen aufgemacht, das Dach Georgiens zu erklimmen. Über
ihren tollen Erfolg berichten wir mit den ersten wunderschönen
Bildern dieser wichtigen internationalen Expedition in Swanetien.
Nach dem höchsten Gipfel, dem der Macht, greifen Surab
Schwania und Nino Burdschanadse, letztere aktuelle Präsidentin
des Parlaments, jener ihr Vorgänger. Gemeinsam kämpfen
sie um ihren Platz in der Zeit nach Schewardnadse. Das Duo ist
nicht zu unterschätzen. Der Wahlkampf kommt langsam auf Touren,
zumindest die lange umstrittene Besetzung der Zentralen
Wahlkommission ist jetzt endlich vom Tisch.
Das Energiethema beschäftigt uns fast in jeder Ausgabe.
Derzeit ist wieder einmal die große Stromkrise, selbst Tbilissi
bleibt von sommerlichen Stromabschaltungen nicht verschont. Im
Mittelpunkt steht dabei der Verkauf der amerikanischen Anteile
am Stromdistributor Telasi der georgischen
Hauptstadt an einen russischen Konzern. Wir versuchen, Hintergründe
und vor allem langfristige Folgerungen des heftig diskutierten
amerikanisch-russischen Stromdeals zu durchleuchten. In einer
der nächsten Ausgaben werden wir Sie über die wahren
Hintergründe der Stromabschaltungen in Tbilissi informieren.
Drei weitere Fotostrecken zieren diese Ausgabe: Da ist der dritte
Blick hinüber zum Nachbarn Armenien, diesmal mit einer Rundreise
um den Sewansee, der sich als kleines Landschaftswunder entpuppt.
In Georgien haben wir am 28. August das faszinierende Wallfahrtsfest
Mariamoba auf Zminda Sameba vor dem
Berg Kazbek beobachtet. Dazu der zweite Teil unserer Reisereportage
"In fünf Tagen von Karlsruhe nach
Tbilissi". Vor allem der letzte Teil, die Fahrt von Hopa
am Schwarzen Meer über Artvin und Ardahan nach Achalziche
lohnt. Vielleicht auch mal für einen kleinen Wochenendausflug
für Expats in Georgien. Dass sich die Situation auf den Strassen
des Landes erheblich gebessert hat, werden wir in der nächsten
Ausgabe in Wort und Bild zeigen. Zumndest die georgische Heerstraße
ist zwischen Tbilissi und Mleta in einem einwandfreien Zustand.
Auf dem Rückweg von Mariamoba sind wir über die nagelneue
Asphaltpiste mit mehr als 120 Stundenkilometern gebraust. Wer
über mehr als zehn Jahre gerade auf dieser Strecke über
ein Dutzend Mal im Jahr sein Fahrzeug im Schlagloch-Chaos ruinieren
musste, kann nicht anders, als sich wenigstens ein einziges Mal
dem Rausch der Geschwindigkeit hinzugeben.
Bis in zwei Wochen
Rainer Kaufmann
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