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Ausgabe 13/03
3. September


Kaum ein Thema hat die Gemüter in Georgien in den letzten Wochen derart erhitzt wie der Verkauf der 75-%-Aktienmehrheit an dem Tbilisser Stromverteilungsunternehmen Telasi vom amerikanischen Energie-Konzern AES zum russischen Gegenstück UES (United Energy Systems). Vom Ausverkauf georgischer Interessen an Russland war die Rede, vom Rückzug der Amerikaner aus Georgien. Und die nationalistische Opposition forderte sogar die Rückverstaatlichung strategisch wichtiger Unternehmen wie die der Energiewirtschaft. Der Wahlkampf hatte sein Sommerthema, der Energieminister trat zurück und die - für den Sommer unüblichen - Stromabschaltungen in der georgischen Hauptstadt taten ihr übriges, die Gerüchteküche überzukochen zu lassen. Da kam alles zusammen, was sich zu einer gross angelegten geo-politischen Machtintrige alten Stils zusammenbrauen liess, wobei das eine mit dem anderen kaum etwas zu tun hat.

Mit einiger Distanz und etwas nüchterner Überlegung sieht die ganze Angelegenheit weitaus weniger dramatisch aus. Der amerikanische Investor AES, der in den vergangenen Jahren rund 260 Millionen US-$ ins georgische Energiechaos investierte, hat völlig entnervt vom georgischen Geschäftsalltag den Bettel hingeworfen und einen Großteil seines Investments abgeschrieben. Über den Kaufpreis, den die russischen Käufer zu entrichten hatten, wurde zwar wenig bekannt, er dürfte jedoch weit unter dem liegen, was die Amerikaner im Laufe ihres Engagements in Georgien investiert haben. AES, selbst finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet und wohl schwer angeschlagen, hat etwas getan, was verantwortliche Unternehmen weltweit tun: Es hat einen Unternehmenszweig abgestossen, von dem es keine betriebswirtschaftliche Besserung erwarten konnte. Wer schreibt schon leichtfertig 260 Millionen ab, fragte der amerikanische Botschafter in einem TV-Interview, wobei er die Versicherung nachschob, das Unternehmen wäre sicher geblieben, wenn es einen angemessenen Return on invest und eine angemessene Abdeckung seiner Betriebskosten hätte erwarten können. Also ein völlig normaler Vorgang, wenn man einmal davon absieht, dass es wohl recht schwer ist, im georgischen Energiechaos einigermassen erfolgreich zu operieren. Aber im ewig angespannten Verhältnis zwischen dem amerikanischen Energie-Service-Unternehmen und den georgischen Regierungs- und Energiestrukturen haben beide Seiten genügend Fehler gemacht, die jetzt aufzuzählen, wenig Sinn macht.

Wie GN aus sicherer Quelle erfahren hat, haben die Amerikaner ihren Anteil vor langer Zeit schon den Georgiern zum Rückkauf angeboten, wobei man sich angeblich auch um eine vernünftige Kredit-Finanzierung bemühte. Eine Rückführung in georgischen Besitz scheiterte aber an der mangelnden Finanzkraft georgischer Energieunternehmen oder am mangelnden Zutrauen internationaler Kreditgeber. So blieb am Ende mit dem russischen Energiegiganten UES der einzige Bieter, der überhaupt Interesse am Kauf des Aktienpaketes hatte. Auch von dieser Seite besehen ist der Deal ein völlig normaler Geschäftsvorgang und zunächst einmal ohne jeden politischen Hintergrund, wenngleich alle Regierungen über den Verlauf der Verkaufsverhandlungen ständig unterrichtet gewesen waren.

Während eines halbtägigen Kurzaufenthalts in Tbilissi hat der Vorstandsvorsitzende des russischen Käufers UES, Alexander Dschubais, das strategische Interesse seines Konzerns am georgischen Engagement herausgestellt. Über Georgien will der russische Konzern die Märkte in der Türkei, in Syrien, Jordanien und möglicherweise auch Isreal beliefern. Deshalb ist UES an einer raschen Stabilisierung des georgischen Energiesystems interessiert. Dschubais forderte die georgischen Politiker explizit auf, den Vorgang nicht zu politisieren. Es habe sich ausschliesslich um eine kommerzielle Transaktion gehandelt, wie sie zwischen internationalen Geschäftspartnern üblich ist.

Das alles erscheint vernünftig und im Gegensatz zur Hystrie des georgischen Wahlkampfes kann man auch zu einer anderen Bewertung kommen: Ein global player hat an einen anderen übergeben, in dessen Unternehemsstrategie der georgische Energiemarkt einfach besser passt. Und in beiden Unternehmen hat das Wunderwort vom shareholder value Vorrang vor allen anderen Überlegungen, insbesondere politischen. Ob die russischen Energiemanager mit dem Kauf von AES das Ziel verbinden, sich über kurz oder lang die wenigen Filetstücke der georgischen Volkswirtschaft, sofern es diese überhaupt gibt, unter den Nagel zu reissen, hängt einzig und allein von den Georgiern selbst ab. Wenn sie weiterhin dem süssen Gift erliegen, sich ihren Energiekonsum vor allem über Lieferantenkredite finanzieren zu lassen, dann müssen sie sich nicht wundern, wenn der Gläubiger seine berechtigten Ansprüche irgendwann einmal mit den Vermögenswerten des Schuldners verrechnet. Das ist eine Grunderegel der Marktwirtschaft, die der amerikanische Botschafter in seinem einstündigen TV-Interview auf die einfache Formel brachte: "Electricity is a commodity, its like gasoline or cigarettes. You have to pay for it. Someone has to pay for it."

Bewertet man den Vorgang vor dem Hintergrund des georgisch-russischen Verhältnisses der letzten Jahre, eröffnet der Stromdeal vor allem für Georgien neue Chancen im Umgang mit den beiden Großmächten. Denn, wenn das Beispiel von UES und Dschubais in Moskau Schule macht, dann hat man in Russland wohl endgültig begriffen, dass man seine Interessen am Rande seines früheren Reiches nicht mehr mit den militärischen Mitteln vergangener Hegemonialpolitik definieren kann sondern viel wirkungsvoller mit wirtschaftlichen Instrumenten, mit Investments und Kooperation. Insoweit kann nach dem ersten bedeutenden russischen Investment wohl eher der Ruf an Russland gelten: Welcome in the Club, willkommen in der globalisierten Wirtschaftswelt. Fast genau vor einem Jahr noch hat Wladimir Putin mit seiner Sotschi-Rede und einer möglichen militärischen Intervention in Georgien das genaue Gegenteil von dieser Politik aufgeführt, für die man ihn eigentlich zu stehen glaubte. Es war, wie nüchterne Analytiker damals schon vorhersahen, der letzte gross inszenierte Auftritt der russischen Militär-Betonköpfe, die sich durch die eindeutige Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft eine heftige Abfuhr einhandelten. Jetzt ist das russische Kapital auf dem Vormarsch.

Für Georgien könnte dies alles ein Stück Normalisierung seiner Beziehungen mit dem russischen Nachbarn bedeuten. Denn die Alternative Russland oder Amerika war wohl doch zu naiv, als dass sich daraus eine langfristige Politik des kleinen Kaukasuslandes hätte destilieren lassen. Der russische Markt, auch der Kapitalmarkt, ist viel zu nahe an Georgien und viel zu attraktiv, als dass man auf Dauer auf ihn verzichten könnte. Ein Großteil der Millioneninvestitionen in den georgischen Weinbau der letzten Jahre stammt aus Moskau. Die georgische Exportwirtschaft hat zunächst einmal die traditionellen Märkte im russischen Riesenreich und seinen früheren Vasallen zu bearbeiten. In einigen Bereichen tut man dies ja mit durchaus beachtlichem Erfolg.

Amerika hat in den letzten Jahren erreicht, was es wollte: Es hat seinen Fuss im Kaukasus, auch mit militärischer Präsenz, es bekommt seine Ölpipeline vom Kaspischen Meer ans Mittelmeer. Und in Moskau hat man ganz sicher verstanden, dass es sich kaum lohnt, sich wegen kaukasischer Querelen globale Kooperationen zu verbauen. Andererseits hat man in Amerika nach dem Irak-Abenteuer, das ja wohl kaum als überstanden anzusehen ist, anscheinend auch verstanden, dass man seine Rolle als Weltmacht Nr. eins nicht überziehen kann. Insofern können aus dem Energiedeal, der in seinem Ursprung ein rein kommerzieller war, doch einige langfristige politische Überlegungen abgeleitet werden:
Georgien ist für die Großen der Welt auch heute das, was es schon immer war, ein Durchgangsland für Waren und Menschen. Insofern wird der Traum von der Wiederbelebung der alten Seidenstrasse jetzt doch ein Stück Wirklichkeit. Statt Karawanen mit Spezereien geht es in Zukunft eher um Pipelines und Stromleitungen. Im Gegensatz zur Situation der letzten Jahrhunderte sind jetzt aber zwei Wirtschaftsgiganten vor Ort, der aus dem Norden nd der aus dem Westen. Manchmal stehen sie im Wettbewerb, manchmal stimmen sie ihre Interessen auch hinter den Kulissen klammheimlich ab. Es liegt allein an Georgien und der Weisheit seiner Wirtschaftspolitik, was es aus dieser Situation macht. Es liegt allein an Georgien und der Weisheit seiner Wirtschaftspolitik, was es aus dieser Situation macht. Das russische Wirtschafts-Engagement in Georgien bietet weitaus mehr Chancen als Gefahren, seinen angemessenen Platz in der Weltwirtschaft zu finden.



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