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Ausgabe 13/03
3. September


Kurz vor Ende der Sommerferien kam der georgische Wahlkampf erstmals richtig in Fahrt. Über Nacht waren alle Bauzäune, Strassenlaternen und viele Werbeflächen mit einem gelben Plakat übersäht, das Nino Burdschanadse, die beliebte Parlamentspräsidentin zeigt. Die Überschrift der Plakate machte allerdings klar, dass es sich bei dieser Aktion nicht um eine private Werbekampagne der agilen Politikerin handelte: Burdschanadse Demokraten steht in fetten Lettern über Konterfei. Damit wird eine wengige Tage zuvor öffentlich verkündete Allianz dokumentiert: Die Vereinigten Demokraten des früheren Parlamentspräsidenten Surab Schwania und seine parteilose Nachfolgerin treten am 2. November in einem gemeinsamen Wahlblock an. Das erste konkrete Oppositionsbündnis steht damit

Surab Schwania ist ein kluger politischer Stratege, der vor allem um seine eigenen Schwächen beim Wählervolk weiß. Der früheren rechten Hand Eduard Schewardnadses wird seine späte Wende zur Opposition von vielen Wählerinnen und Wählern nicht abgenommen. Andere, Bierkönig Topadse zum Beispiel mit den Industrialisten, oder Dato Gamkrelidse und Lewan Gachechiladse von den Neuen Rechten, oder gar der populistische Michael Saakaschwili von der Nationalen Bewegung hatten sich früher und radikaler vom Staatsoberhaupt und seiner verbrauchten Clan-Regierung abgesetzt als Surab Schwania, lange Zeit so etwas wie der Kronprinz des Staatsoberhauptes. Dafür gilt Schwania als ausgeglichener und besonner Politiker, was aber in einem Wahlkampf wenig gilt, in dem vor allem eines zählt, die Distanz zu Eduard Schewardnadse.

Im vergangenen Mai hatte Schwania noch einen Achtungserfolg bei den Kommunalwahlen in Tbilissi erstritten, zu wenig allerdings, um die Parlamentswahlen, die vorentscheidenden Wahlen um die Nachfolge Schewardnadses, zu bestehen. Jedenfalls haben Meinungsforscher seinem wichtigsten Kontrahenten Saakaschwili weitaus bessere Prognosen beschert als Schwania. Zudem ist Schwania Westgeorgier und Halbarmenier, was - seltsam für europäische Politikgemüter - hierzulande propagandistisch als Nachteil ausgeschlachtet wird.

Auf der anderen Seite war da die agile und in einigen aktuellen Wortgefechten mit dem alternden Schewardnadse sturmerprobte Parlamentspräsidentin, die vor zwei Jahren als Kompromiss-Kandidatin zwischen Reformen und Betonköpfen nicht ohne die offene Unterstützung ihres Vorgängers ins Amt gekommen war. Dass sie als Tochter des sogenannten "Brotkönigs" gleichzeitig über genügend private Drähte zum Establishment verfügt, kann sie damals wie heute als ihren besonderen Vorteil einsetzen.

Beide - Schwania wie Burdschanadse - entstammen politisch dem Schewardnadse-Lager, beider gehörten zur Garde junger und besonnener Reformer in der zusammengebrochenenen Bürgerunion. Und beide, was lange vorher schon von Insidern erwartet worden war, haben sich jetzt zu einem Oppositionsblock Burdschanadse-Demokraten zusammengeschlossen. Ein paar unabhängige Politiker sind diesem Block beigetreten, die anderen Oppositions-Parteien haben sich der Einladung zur Einigung entzogen.

Das macht durchaus Sinn, denn ausser dem erklärten Widerstand gegen die abgewirtschaftete Regierungsmannschaft Schewardnadses einigt die verschiedenen Abspaltungen des ehemaligen Mehrheitslagers recht wenig. Industrialisten und Neue Rechte sind eher konservative Wirtschaftsparteien, Saakaschwili ein populistischer Nationalist, und die anderen, die Arbeiterpartei oder die Wiedergeburt von Adscharienfürst Aslan Abaschidse, sind programmatisch kaum auszumachen. Die Gruppe um Schwania und Burdschanadse kann man wohl eher zu den liberalen und sozialen Reformern zählen, die auch über Rückhalt in Teilen des Regierungsapparates verfügen, sollten sie gemeinsam an die Macht kommen. Neue Rechte und Industrialisten haben bereits zu erkennen gegeben, dass auch sie über die Bildung eines Wahlblocks verhandeln, um sicher gehen zu können, die hohe 7-%-Hürde für den Einzug ins georgische Parlament auch wirklich überspringen zu können.

So könnte sich unabhängig vom Ausgang der Novemberwahlen mit dieser Blockbildung und Personal-Konstellation auch schon der erste Umriss eines modernen georgischen Parteiensystems abzeichnen, das dann auch in der Lage sein dürfte, tragfähige Koalitionen zu bilden. Der Wahlblock Schwania-Burdschanadse jedenfalls ist in diesem Spiel nicht zu unterschätzen, auch aus werblichen Gründen nicht. Während das staatliche Fernsehen Surab Schwania nahezu vollständig aus seiner Berichterstattung ausschliesst, kann sich Nino Burdschanadse als Präsidentin des Parlaments immer wieder publikumswirksam in Szene setzen und gleichzeitig inhaltlich die Regierung attackieren. Mit diesem Doppelpack muss nicht nur bei den Parlamentswahlen am 2. November gerechnet werden. Das Kandidaten-Schaulaufen um die Nachfolge Schewardnadses als Staatspräsident hat begonnen und die bisherigen männlichen Platzhirsche haben möglicherweise eine ernsthafte Konkurrenz erhalten: Nino "Tamara" Burdschanadse. Die Wahlkampfstrategie Schwanias scheint voll und ganz auf die Popularität Burdschanadses abgestimmt.



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