Kurz vor Ende der Sommerferien kam der georgische Wahlkampf erstmals
richtig in Fahrt. Über Nacht waren alle Bauzäune, Strassenlaternen
und viele Werbeflächen mit einem gelben Plakat übersäht,
das Nino Burdschanadse, die beliebte Parlamentspräsidentin
zeigt. Die Überschrift der Plakate machte allerdings klar,
dass es sich bei dieser Aktion nicht um eine private Werbekampagne
der agilen Politikerin handelte: Burdschanadse Demokraten steht
in fetten Lettern über Konterfei. Damit wird eine wengige Tage
zuvor öffentlich verkündete Allianz dokumentiert: Die
Vereinigten Demokraten des früheren Parlamentspräsidenten
Surab Schwania und seine parteilose Nachfolgerin treten am 2. November
in einem gemeinsamen Wahlblock an. Das erste konkrete Oppositionsbündnis
steht damit
Surab Schwania ist ein kluger politischer Stratege, der vor allem
um seine eigenen Schwächen beim Wählervolk weiß.
Der früheren rechten Hand Eduard Schewardnadses wird seine
späte Wende zur Opposition von vielen Wählerinnen und
Wählern nicht abgenommen. Andere, Bierkönig Topadse
zum Beispiel mit den Industrialisten, oder Dato Gamkrelidse und
Lewan Gachechiladse von den Neuen Rechten, oder gar der populistische
Michael Saakaschwili von der Nationalen Bewegung hatten sich früher
und radikaler vom Staatsoberhaupt und seiner verbrauchten Clan-Regierung
abgesetzt als Surab Schwania, lange Zeit so etwas wie der Kronprinz
des Staatsoberhauptes. Dafür gilt Schwania als ausgeglichener
und besonner Politiker, was aber in einem Wahlkampf wenig gilt,
in dem vor allem eines zählt, die Distanz zu Eduard Schewardnadse.
Im vergangenen Mai hatte Schwania noch einen Achtungserfolg bei
den Kommunalwahlen in Tbilissi erstritten, zu wenig allerdings,
um die Parlamentswahlen, die vorentscheidenden Wahlen um die Nachfolge
Schewardnadses, zu bestehen. Jedenfalls haben Meinungsforscher
seinem wichtigsten Kontrahenten Saakaschwili weitaus bessere Prognosen
beschert als Schwania. Zudem ist Schwania Westgeorgier und Halbarmenier,
was - seltsam für europäische Politikgemüter -
hierzulande propagandistisch als Nachteil ausgeschlachtet wird.
Auf der anderen Seite war da die agile und in einigen aktuellen
Wortgefechten mit dem alternden Schewardnadse sturmerprobte Parlamentspräsidentin,
die vor zwei Jahren als Kompromiss-Kandidatin zwischen Reformen
und Betonköpfen nicht ohne die offene Unterstützung
ihres Vorgängers ins Amt gekommen war. Dass sie als Tochter
des sogenannten "Brotkönigs" gleichzeitig über
genügend private Drähte zum Establishment verfügt,
kann sie damals wie heute als ihren besonderen Vorteil einsetzen.
Beide - Schwania wie Burdschanadse - entstammen politisch dem
Schewardnadse-Lager, beider gehörten zur Garde junger und
besonnener Reformer in der zusammengebrochenenen Bürgerunion.
Und beide, was lange vorher schon von Insidern erwartet worden
war, haben sich jetzt zu einem Oppositionsblock Burdschanadse-Demokraten
zusammengeschlossen. Ein paar unabhängige Politiker sind
diesem Block beigetreten, die anderen Oppositions-Parteien haben
sich der Einladung zur Einigung entzogen.
Das macht durchaus Sinn, denn ausser dem erklärten Widerstand
gegen die abgewirtschaftete Regierungsmannschaft Schewardnadses
einigt die verschiedenen Abspaltungen des ehemaligen Mehrheitslagers
recht wenig. Industrialisten und Neue Rechte sind eher konservative
Wirtschaftsparteien, Saakaschwili ein populistischer Nationalist,
und die anderen, die Arbeiterpartei oder die Wiedergeburt von
Adscharienfürst Aslan Abaschidse, sind programmatisch kaum
auszumachen. Die Gruppe um Schwania und Burdschanadse kann man
wohl eher zu den liberalen und sozialen Reformern zählen,
die auch über Rückhalt in Teilen des Regierungsapparates
verfügen, sollten sie gemeinsam an die Macht kommen. Neue
Rechte und Industrialisten haben bereits zu erkennen gegeben,
dass auch sie über die Bildung eines Wahlblocks verhandeln,
um sicher gehen zu können, die hohe 7-%-Hürde für
den Einzug ins georgische Parlament auch wirklich überspringen
zu können.
So könnte sich unabhängig vom Ausgang der Novemberwahlen
mit dieser Blockbildung und Personal-Konstellation auch schon
der erste Umriss eines modernen georgischen Parteiensystems abzeichnen,
das dann auch in der Lage sein dürfte, tragfähige Koalitionen
zu bilden. Der Wahlblock Schwania-Burdschanadse jedenfalls ist
in diesem Spiel nicht zu unterschätzen, auch aus werblichen
Gründen nicht. Während das staatliche Fernsehen Surab
Schwania nahezu vollständig aus seiner Berichterstattung
ausschliesst, kann sich Nino Burdschanadse als Präsidentin
des Parlaments immer wieder publikumswirksam in Szene setzen und
gleichzeitig inhaltlich die Regierung attackieren. Mit diesem
Doppelpack muss nicht nur bei den Parlamentswahlen am 2. November
gerechnet werden. Das Kandidaten-Schaulaufen um die Nachfolge
Schewardnadses als Staatspräsident hat begonnen und die bisherigen
männlichen Platzhirsche haben möglicherweise eine ernsthafte
Konkurrenz erhalten: Nino "Tamara" Burdschanadse. Die
Wahlkampfstrategie Schwanias scheint voll und ganz auf die Popularität
Burdschanadses abgestimmt.
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