Ausgabe 6/02, 24. April
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Hat die Tourismusmesse in Tbilissi eine Zukunft?

Das Bild ist symptomatisch für den Zustand des Tourismus in Georgien: Statt des gross angekündigten Auftritts der Welttourismusorganisation WTO auf der 4. Internationalen Tourismusmesse in Georgien blieb der Stand der WTO leer. Ob dies mit den Ereignissen im Pankisi und Kodori zu tun hat oder mit der Tatsache, dass Georgien seit sechs Jahren seine Mitgliedsbeiträge an die WTO nicht leistet und dort mit mittlerweile 136.000 $ Schulden auf der schwarzen Liste steht, ist unerheblich. Denn neben der WTO haben kurz vor der Messe auch noch sieben Länder ihre Teilnahme abgesagt.

Das Image Georgiens als Land der Krisen hat alle hochtrabenden Pläne des Tourismusdepartments, aus der eigentlich kaum beachtenswerten Tourismusmesse in Tbilissi in diesem Jahr ein besonderes Ereignis für die ganze Kaukasus-Region zu machen, zunichte gemacht. Dabei hatte Präsident Schewardnadse das Jahr 2002 per Dekret zum "Jahr der Unterstützung und Entwicklung des Tourismus" in Georgien erklärt. Und Wascha Schubladse, Chef des staatlichen Tourismusdepartments, hatte die Messe in diesem Jahr zur "Internationalen Tourismusmesse der Länder der Seidenstrasse" hochstilisiert.

Der Tourismus des nachsowjetischen Georgiens steckt zweifelsohne in einer schweren Krise. Und das Land kann eigentlich nicht viel dafür. Nach anfänglich guter Entwicklung Mitte der 90-er Jahre kam 1999 mit dem Tschetschenienkrieg der erste grosse Einbruch. Als die Medien nur noch über "Moskaus Krieg im Kaukasus" berichteten, schlug sich dies bei den wenigen Tourismusunternehmen in Georgien in rückläufigen Buchungen nieder. Dabei liegt das völlig darnierdegebombte Grosny nicht im Kaukasus sondern nördlich im Terekbecken und zwischen Tschetschenien und Georgien liegt mit der 5.000 m hohen Kette des Grossen Kaukasus ein schier unüberwindlicher Gebirgsriegel. Moskaus schmutziger Krieg gegen die Tschetschenen hatte niemals die Chance, nach Georgien herüberzuschwappen. In Europa sah man das anders, da sah man jeden Abend in den TV-Nachrichten eine Landkarte, auf der Tbilissi direkt neben Grosny lag.

Als die Incoming-Agenturen im vergangenen Herbst nach zwei Jahren Flaute erstmals wieder zufriedenstellende Buchungen vorweisen konnten, brachte der 11. September einen erneuten Rückschlag. Alle Agenturen und Touroperatoren berichten übereinstimmend, dass weit über 50 % ihrer bereits gebuchten Touristen im September und Oktober spontan zu Hause blieben. Zum einen wollte man nicht mehr so gerne in Flugzeuge steigen und zum anderen liegt Tbilissi aus europäischer Sicht eben verdammt nahe bei Afghanistan. Der Herbst ist die touristische Hochsaison in Georgien schlechthin, wenn man solche Begriffe angesichts der realen Besucherzahlen überhaupt verwenden darf. Damit war ein harter Winter angesagt, denn auch im Hotelgeschäft lief ab November recht wenig. Die meisten Geschäftsleute verzichteten vorerst einmal auf jede Reise, die nicht unbedingt notwendig war. Jetzt im Frühjahr machte sich die Weltpresse über die künstlich erfundene Präsenz von Al Qaida in Georgien und die georgisch-russische Militärposse um einen kleinen Kontrollposten im Norden Abchasiens her. Wieder Schlagzeilen, gegen die der tapferste staatliche Tourismusverwalter kaum ankämpfen kann.

Zumal Wascha Schubladse all die Mittel fehlen, die seine Kollegen in anderen Ländern haben, um ihr Land zu promoten. Das staatliche Budget bezahlt ihm gerade mal die dürftigen Gehälter seiner Mitarbeiter. Wenn er mehr will, muss er betteln gehn. Den kleinen Flyer zur Tourismusmesse musste er sich aus Griechenland sponsern lassen. Und in einer TACIS-Studie zum Zustand des Tourismus in Georgien musste er sogar nachlesen, dass es wohl das Sinnvollste wäre, das Department für Tourismus und Kurorte ganz aufzulösen und in einer kleinen Verwaltungseinheit im Wirtschaftsministerium einzugliedern. Die Tourismusmesse sollte dem wohl entgegenwirken.

So finden sich auf der gross angekündigten Messe fast nur die einzelnen Regionen Georgiens als Aussteller ein. Sie präsentieren wie jedes Jahr die vielfältigen touristischen Potentiale des Landes, die ohne Zweifel vorhanden sind. Unter anderem gibt es in diesem Jahr gut organisierte Rafting-Touren in Westgeorgien und der Bordschomi-Charagauli-Nationalpark bietet interessante Touren und Trekks. Über beide neuen touristischen Angebote wird GN in den nächsten Wochen ausführlich berichten.

Das Fazit dieser Messe ist also eher bescheiden. Die Touroperatoren und Incoming Agenturen glänzten durch Abwesenheit mit Ausnahme eines kleinen Gemeinschaftsstandes, der kurz vor Messebeginn noch organisiert worden war. Und selbst die grossen Hotels zeigten auffällig weniger Präsenz als im letzten Jahr. Die schmalen Werbebudgets der Tourismus-Unternehmen, müssen dort konzentriert werden, wo Kunden zu finden sind. Und das ist eben nicht in Georgien sondern in Europa.

So ist das ehrgeizige Projekt einer kaukasischen Tourismusmesse in Tbilissi in diesem Jahr noch fragwürdiger geworden denn je. Aber dafür können die Veranstalter am wenigsten. Trotzdem müssen sie sich nach diesem Flop, auch wenn er unverschuldet war, die Frage stellen, ob diese Messe eigentlich noch eine Zukunft hat.

 

 

 

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