Ausgabe 8/02, 5. Juni
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Abgestraft
GN-Kommentar zum Ausgang der Kommunalwahl

Es gibt einen klaren Verlierer dieser Wahl, obwohl er selbst nicht zur Wahl stand: Eduard Schewardnadse. Das Wahlergebnis von Tbilissi kann nur als eine krachende Ohrfeige für den Staatspräsidenten interpretiert werden. Seine Rumpf-Bürgerunion wurde in der Hauptstadt mit einem lächerlichen Wählerprozent abgestraft, ein Niederlage, wie man sie niemals zuvor und nirgendwo in der Welt erlebt hat. Vor vier Jahren noch war sie mit knapp 30 % eindeutig stärkste Partei im Tbilisser Stadtparlament. Es rächt sich jetzt für den grossen Meister der auswärtigen Diplomatie, dass er die Reformer in der eigenen Partei - Schwania, Saakaschwili und vorher auch Gachechiladse - über Jahre hinweg derart vor den Kopf gestossen hat, dass sie es mit ihren politischen Freunden vorzogen, nach und nach die Bürgerunion zu verlassen. Die Wählerinnen und Wähler sind ihnen gefolgt, zusammengerechnet vereinigen die Abspaltungen der Bürgerunion jetzt über 45 Prozent der Stimmen.

Dabei hätte es der Chef wissen müssen: Mit gesichts- und profillosen Apparatschiks wie Lewan Mamaladse kann man den Wählerinnen und Wählern in Georgien eben nicht mehr kommen. Auch nicht mit einem einfaltslosen "Weiter so" im georgischen Gewurstel von Inkompetenz und Korruption. Innenpolitisch geht der Präsident in seinen letzten Amtsjahren also schweren Zeiten entgegen, mag er aussenpolitische derzeit auch noch so fleissig Punkte sammeln. Aussenpolitisch ist er noch unersetzbar. Er wird sich aber damit abfinden müssen, für den Rest seiner Amtszeit die aussenpolitischen Aufgaben abzuarbeiten und sich im Innern endlich von der Macht zu verabschieden, sofern er nach dieser Wahl noch welche hat. So schwer es ihm auch fallen mag nach mehr als 30 Jahren nahezu ununterbrochener Führerschaft wäre es jetzt an der Zeit, endlich einem vom Parlament gewählten Premierminister die Verantwortung für die Regierung zu übergeben.

Ein zweites muss man Schewardnadse und seiner Regierung anlasten: Wer den Behörden für die Vorbereitung landesweiter Kommunalwahlen gerade einmal einen Monat Zeit zur Verfügung stellt, muss das Chaos einkalkuliert und fahrlässig in Kauf genommen haben, wenn man ihm nicht sogar unterstellen muss, das alles gewollt zu haben. Zwar sind nicht alle Manipulationsvorwürfe, die jetzt in Tbilissi die Runde machen, belegbar und zutreffend. Manch einer wärmt sich allzu gerne weiter am Propagandafeuerchen der Wahlschlacht. Aber das Chaos war unübersehbar. Es hat Georgien erneut einen schweren Imageschaden in der internationalen Öffentlichkeit zugefügt. Wer traut denn diesem Land noch zu, in den nächsten Jahren einigermassen zuverlässig Parlaments- und Präsidentenwahlen zu organisieren? Ein neues Parlament und ein neuer Präsident, die sich auf solch zweifelhafte Wählervoten stützen müssten, würden ihre Ämter mit einer schweren Hypothek antreten. Das muss Schewardnadse genauso klar sein wie der gesamten politischen Elite des Landes, die anscheinend das Chaos solange mitträgt, solange sie parteipolitische Vorteile ertricksen kann.

Bei dieser Kommunalwahl ging es eigentlich um nichts. Die Verantwortung für die Kommunen liegt sowieso bei den vom Präsidenten eingesetzten Verwaltungschefs. Bei den nächsten beiden Urnengängen geht es aber um die Macht nach Schewardnadse. Dann wird man all die Unzulänglichkeiten der Wahlorganisation nicht mehr mit gnädigem Schweigen und leichtem Tadel übersehen können. Parlament und Präsident brauchen ein sauberes, demokratisches Votum, wenn sie international ernst genommen werden wollen. Dieser Wahltestlauf ging gründlich schief, nicht nur für die Partei des Präsidenten.

 

 

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