Ausgabe 8/02, 5. Juni
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Bagrationi Sektfabrik sucht seine Märkte

Es sieht aus wie bei Henkells in Wiesbaden, wenn man die pompöse Eingangshalle der Sektfabrik Bagrationi 1882 in Tbilissi betritt. Das kommt nicht von ungefähr, wie Irakli Gegeschidse, der neue Direktor erklärt. Denn die 1937 gegründete Schaumweinfabrik geht auf einen Besuch des damaligen russischen Aussenministers Molotow in Hitlerdeutschland zurück, wo man ihn im Rahmenprogramm zur Sektkellerei Henkell in Wiesbaden geführt hat. Der Gast war anscheinend beeindruckt. In Moskau angekommen überzeugte er Stalin, der dann in Tbilissi diese Fabrik bauen liess, durchaus mit architektonischen Anleihen beim deutschen Ideengeber. Weitaus imagefördernder aber ist die Verbindung zu den georgischen Bagrationis, deren Prinz Iwane Muchraneli im Jahr 1870 an seinem Stammsitz Muchrani eine erste Sektfabrik bauen liess. 1882 schon erhielt er in St. Petersburg einen Grand Prix für seinen Schaumwein aus Kartli. An diese Tradition anknüpfend benannten die neuen Besitzer der Tbilisser Sektfabrik ihre Firma "Bagrationi 1882". Und sie behaupten sich recht erfolgreich. Zumindest im georgischen Markt sind sie eindeutig die Nr. 1.

Die neuen Besitzer - das ist ein amerikanischer privater Investmentfond, der 1997 vom georgischen Staat eine Aktienmehrheit von 75 % erwarb. Damals war die Fabrik ziemlich heruntergekommen. 20 Millionen Flaschen wurden 1980 abgefüllt und verkauft, ein Grossteil davon in Russland. Die Fabrik war Nummer 1 in Georgien und immerhin auf dem dritten Platz in der UdSSR. Im Jahr 2001 hat man wieder 1,3 Millionen Flaschen verkauft, nachdem man 1999 mit gerade einmal 300.000 Flaschen angefangen hatte. Es geht also wieder aufwärts, etwas mühsam, aber immerhin. Die Geschichte ist symptomatisch für den Zustand der georgischen Wirtschaft.

Die neuen Herren aus Amerika haben seither rund 7 Millionen $ investiert. Für 2,5 Millionen kauften sie den Betrieb, weitere 1,5 Millionen alter Steuerschulden mussten sie übernehmen. Über eine Million wurde in neue Abfüllanlagen investiert, der Rest wurde als Betriebskapital verbraucht. Man stelle sich einmal vor, die deutsche Treuhand hätte unter diesen Bedingungen Investoren für die Betriebe der ehemaligen DDR gesucht. Bis heute macht die Fabrik noch Verluste, im Jahr 2001 waren es rund 400.000 GEL. Im Jahr 2002 erwartet Gegeschidse zu ersten Mal ein Plus im operativen Geschäft.

Gegeschidse ist einer der wenigen Georgier, die im Ausland studiert haben und als erfolgreiche Manager zurückkamen. Nach seinem Studium in Moskau nutze er die Chancen der Perestroika und ging zu weiteren Studien nach Amerika. Danach arbeitete er als Consultant, Auditor und Manager für amerikanische und russische Firmen unter anderem in Grossbritannien und auf Zypern. 1998 folgte er dem Ruf der amerikanischen Investoren und kehrte als Direktor in sein Heimatland zurück. Nicht ohne nostalgische Gefühle. Aber es überwog die Neugierde auf die Aufgabe.

Bagrationi macht sein Geschäft hauptsächlich auf dem Inlandsmark. In Moskau ist man gegenüber der einheimischen Konkurrenz einfach zu teuer und für eine aufwendige Marketingstrategie fehlt einfach das Geld. Im Gegensatz zur UdSSR-weit bekannten Marke Bordschomi muss Gegeschidse mit seinem Label "Bagrationi 1882" bei Null beginnen. Deshalb sind die Abssätze in Russland derzeit noch nicht allzu gross, aber immerhin, man kooperiert mit einem der führenden Importeure und hat eine eigene Repräsentanz in Moskau. Dafür schaut man jetzt, nachdem man zuerst einmal Marktführer in der Heimat wurde, nach Absatzmärkten wie Japan, Kazachstan oder das Baltikum.

Produziert wird nach der klassischen Methode champagnoise, also der Flaschengärung, und nach der Reservoir-Methode, das heisst in grossen Tanks. Den Hauptabsatz macht man mit dem Bagrationi-Sekt nach der Reservoir-Methode, der im Handel etwa 4,50 GEL kostet. In diesem Marktsegment hält Bagrationi nach eigenen Angaben rund 70 % des georgischen Marktes. Der klassische Sekt, der auf der Flasche vergoren wird, kostet in Georgien etwa 5 - 6 GEL. Derzeit lebt man noch von alten Lägern, aber im Jahr 2004 kommt der erste "Champagner" aus eigener Produktion auf den Markt.

Die Firma hat rund 150 Beschäftigte, inklusive der Repräsentanz in Moskau. Die Gehälter liegen bei den Arbeitern bei 120 - 180 GEL, bei Führungspersonal auf der Abteilungsebene bei 500 - 600 GEL.

Die Ziele für die nächsten Jahre sind klar umrissen: Erstens die Position als georgischer Marktführer halten, zweitens den russischen Markt auf rund 1 Million Flaschen pro Jahr wieder aufbauen und drittens neue Absatzmärkte suchen. Im Jahr 2005 will Irakli Gegeschidse seinen Investoren eine Jahresproduktion von 5 Millionen Flaschen präsentieren.

Aber im Aufbau neuer Märkte liegt sein grösstes Problem. Seine Investoren sind reine Finanzleute, sie haben kaum Ahnung von Marketing und schon gar keine Kontakte im Markt. So sucht er seit einiger Zeit nach strategischen Partnern im Ausland, die vor allem Marketing und Vertrieb der georgischen Sekte übernehmen sollen. Bei Henkell in Wiesbaden hat er schon mal nachgefragt, im vergangenen Jahr war eine Marketingmanagerin der Konzernzentrale für einige Tage in Tbilissi. Bei einer Kooperation mit der Weltmarke aus Hessen müssten sich die neuen Partner in Georgien gar nicht erst lange eingewöhnen. Denn bei Bagrationi in Tbilissi siehts aus wie zu Hause bei Henkells und wenn auch nur im luxuriösen Treppenhaus des ansonsten eher sozialistisch überdimensionierten Fabrikbaus.

 

 

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