Ausgabe 8/02, 5. Juni
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"Der Wahlkampf war schmerzhaft, aber ich hoffe, dass die Wahlen ein friedliches Ende finden werden", sagte Präsident Eduard Schewardnadse, als er am Sonntag morgen seine Stimme abgab. Aber entgegen der Hoffnung des Präsidenten wurden die Wahlen in mehreren Städten abgesagt wegen vielfältiger Verletzungen des Wahlrechts und Unregelmässigkeiten in den Stimmbezirken. Die Kommunalwahlen wurden begleitet von mehreren deftigen Skandalen und vielen Verletzungen des Wahlrechts, berichten Parteien und Wahlbeobachter unisono.

In Rustawi, der wichtigsten Stadt der Provinz Nieder-Kartli, mussten die Wahlen am Sonntag Morgen bereits abgesagt werden, da die Stimmzettel gestohlen wurden. Die Zentrale Wahlkommission (Central Election Commission - CEC) berichtete, dass ihr Fahrzeug, das die Stimmzettel verteilen sollte, von Unbekannten angehalten wurde, die dann die Stimmzettel mitnahmen. Der CEC-Vorsitzende Dschumber Lominadse nannte diesen Vorgang eine "besonders bedeuernswerte und unwürdige" Aktion. Nieder-Kartli ist die Provinz des Gouverneurs Lewan Mamaladse, der sich bis kurz vor dem Wahltag eine erbitterte Gerichtsschlacht mit Surab Schwania um die Kandidatenliste der Bürgerunion lieferte. Man darf deshalb gespannt sein, wen die Ermittlungsbehörden als Täter und Hintermänner dieser offensichtlichen Wahlsabotage identifizieren.

Der Vorfall verursachte einige Unruhe unter den Wählern Rustawis. Ein paar Hundert demonstrierten zunächst vor dem Gouverneurs-Gebäude, später in Tbilissi vor dem Gebäude der CEC. In Rustawi war neben den Kommunalwahlen auch eine Nachwahl zum georgischen Parlament angesetzt. Die Demonstranten wurden angeführt von einem der Parlamentskandidaten Merab Tkeschelaschwili, der die Abhaltung der Parlamentsnachwahl verlangte. Die CEC beschloss in einer Sitzung, an der Merab Tkeschelaschwili selbst teilnehmen konnte, eine Verlegung der Parlamentsnachwahl auf den 9. Juni.

Ein ähnliches Szenario entwickelte sich in der westgeorgischen Stadt Sugdidi, wo unter Waffengewalt Wahlurnen zerstört wurden. Kurze Zeit später traten die ersten stellvertretenden Gouverneure von von Samegrelo und Oberswanetien, Giorgi Berulawa, und Sugdidi, Paata Danelia, von ihren Posten zurück. Berluawa begründete diesen Schritt mit den Unregelmässigkeiten bei der Durchführung der Wahlen. In Sugdidi konnte nicht gewählt werden.

In Chaschuri und Kutaissi, der zweitgrössten Stadt des Landes, wurden die Wahlen ebenfalls ausgesetzt, da die Stimmzettel wohl aufgrund einer einfachen Organisationspanne nicht rechtzeitig in der Stadt eingetroffen waren. In Tbilissi mussten einige Wahllokale aus demselben Grund ein paar Stunden später als vorgesehen eröffnen. Im Kodorital, der Region der sezessionistischen Republik Abchasien, die unter georgischer Kontrolle ist, mussten die angekündigten Wahlen wegen heftiger Regenfälle verschoben werden. Die Dörfer des Kodoritals sind derzeit von Georgien aus nicht zu erreichen.

"Die Regierung hat erhalten, was sie wollte: Die Wahlen sind im Grunde genommen zerstört. Ich hätte mir niemals vorstellen können, was heute passierte", erklärte Surab Schwania zu all den Vorfällen, als er in seinem Wahlbezirk die Stimme abgab.

Die NGO-Koalition, die die Wahlen beobachtet, hat fast in jedem Wahllokal in Tbilissi Verletzungen des Wahlrechts festgestellt. Immer wieder seien die Wahlgesetze durch die Unkenntnis der Mitglieder der Wahlkommissionen verletzt worden. Die Anwesenheit von Polizei in den Wahllokalen wurde ebenso kritisiert wie die Tatsache, dass Plakate verschiedener politischer Gruppierungen in Bereichen rund um die Wahllokale angebracht waren, in denen es gesetzlich verboten ist.

Ausserdem berichten Wahlbeobachter von einem sogenannten "rotierenden System", was nichts anderes bedeutet, als dass diesselbe Gruppe von Bürgern in mehreren Wahlbezirken hintereinander ihre Stimme abgab. Dazu passt der Vorwurf, dass einige Wähler auf den Wählerlisten verschiedener Wahlbezirke auftauchten. Der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission hatte noch in der Nacht vor der Wahl in mehreren Gesprächen mit Eduard Schewardnadse versucht, die Wahl wegen organisatorischer Pannen zu verschieben. Wie es heisst, soll er insbesondere moniert haben, dass die CEC keine Möglichkeit gehabt habe, die Wählerverzeichnisse zu prüfen, die von der Verwaltung recht spät vorgelegt wurden.

 


Enttäuschte Rustawi-Wähler protestieren
vor der Zentralen Wahlkommission


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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