Ausgabe 4/02, 24. März
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In der vergangenen Woche fand in Tbilissi eine grosse internationale Öl- und Gaskonferenz statt. Höhepunkt war die Unterzeichnung des Abkommens zum Bau der Gaspipeline Baku-Tbilissi-Erzurum. Diese Pipeline soll ab dem Jahr 2005 kaspisches Erdgas in die Türkei liefern. Daneben soll die Ölpipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan gebaut werden. Auserdem sind Pipelines von Noworossisk über Abchasien und Supsa nach Ceyhan im Gespräch. An der Konferenz, bei der es auch um Sicherheitsfragen ging, nahmen hochrangige Vertreter Russlands teil. Ein Zeichen dafür, dass nach den medialen Irritationen um Pankisi, Al Qaida und die Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien jetzt wieder die langfristigen strategischen und wirtschaftlichen Interessen aller Länder dieser Region und der USA im Vordergrund stehen. GN gibt einen Überblick über die Lage an der Pipelinefront im Kaukasus.

Es geht im wesentlichen um zwei Projekte, die zeitgleich gebaut werden sollen: Die Erdgasröhre von Baku über Tbilissi nach Erzurum (BTE) und die Ölröhre ebenfalls von Baku nach Ceyhan (BTC), den türkischen Mittelmeerhafen. Die Pipelines kommen südlich von Rustawi und Marneuli aus Aserbaidschan, führen nördlich von Bolnisi zum Zalkasee, von da zum Tabazkurisee über den Tzrazkaro-Pass am Dörfchen Tsichisdschwari vorbei nach Sakire und Dwiri, wo sie der Kura folgend nach Achalziche und von da in die Türkei führen. Beide Pipelines werden parallell auf einer Trasse gebaut, für die planerisch eine Breite von 550 m angenommen wird. Die Endtrasse wird für beide Pipelines nur noch 45 m betragen. Der Detailverlauf hängt von den Grundstücksverhandlungen ab, die ab Mai beginnen.

Die Gaspipeline hat eine Länge von 1.050 km, 280 davon führen über georgisches Gebiet. Sie wird 2,9 Milliarden $ kosten. Das erste Gas soll im Jahr 2005 fliessen. Die Pipe ist bereits voll finanziert, das heisst die Öl- und und Gasfirmen unter der Führung von BP und STATOIL, die zusammen 51 % des Konsortiums halten, werden die gesamten Baukosten selbst aufbringen, erfuhr NG aus Baku. Zu dem Konsortium gehören ferner: SOCAR (State Oil Company of Azerbaijan): 10 %, LUKAGIP (eine Tochter von LUKoil and Agip): 10 %, ELF: 10%, OIEC (Oil Industries Engineering and Construction, Iran): 10% und TPAC (Turkish Petroleum Corporation): 9%.

Georgien erhält für die Durchleitungsrecht jährlich 5 % des durchgeleiteten Gases kostenlos, das sind rund 40 Millionen Kubikmeter, e,5 mal mehr als Georgien derzeit verbraucht. Damit wird in wenigen Jahren die Abhängigkeit Georgiens von russischen Gaslieferungen beendet sein. Schon im Vorfeld dieser Pipeline versucht Tbilissi durch einen 38 km langen Anschluss an das aserische Erdgasnetz einen Teil seines Gasbedarfs in Aserbaidschan einzukaufen. Beim Bau der Pipelines können georgische Gundbesitzer einen Geldregen von etwa 130 Millionen $ erwarten. Mit knapp 4.000 Grundstücksbesitzern muss verhandelt werden. Rund 70.000 Arbeitsplätze sollen für die Bauzeit von zwei Jahren angeboten werden, ein Teil davon auch in Georgien. Insgesamt rechnet die Georgian International Oil Corporation mit einem Gewinn für Georgien von mehr als vier Milliarden US-$ in 40 Jahren, das sind rund 100 Milionen pro Jahr.

Anders sieht es mit der Baku-Tbilissi-Ceyhan Pipeline aus. Obwohl bereits die ersten Ausschreibungen auch auf georgischem Gebiet laufen, hört man aus Baku, dass das Ölkonsortium nur bereit sei, einen Teil der Gesamtbaukosten von 2,5 Milliarden $ zu tragen. Der Rest soll über internationale Finanzierungsinstitute abgewickelt werden. Diese hätten sich aber noch nicht abschliessend geäussert. Diese Pipeline war lange umstritten. Sie wurde vor allem von den USA politisch forciert, da man sich beim Energie-Transport weder von Russland noch vom Iran abhängig machen will. Diese Strecke ist aber die weitaus teuerste Variante, um kaspisches Öl in den Westen zu bringen. In zwei bis drei Monaten soll die endgültige Finanzierung stehen, geben sich die georgischen Ölmanager optimistisch..

Diese Strecke wurde vor allem von russischer Seite heftig bekämpft, wo man vorgezogen hätte, das kaspische Öl ausschliesslich über eigenes Territorium zu führen. Nachdem mittlerweile aber klar ist, dass es auf alle Fälle eine nichtrussische Trasse geben wird, bemüht sich der russische Ölkonzern LUKoil um eine Aufnahme ins Konsortium. Denn auch die Russen wollen später Teile ihres kaspischen Öls über diese Pipe nach Westen verkaufen. Und wer jetzt nicht am Bau der Pipe teilnimmt, hat später keine Anrechte auf die Kapazität der Röhre, die schon ziemlich ausgebucht sein soll. Der Präsident der aserischen staatlichen Ölgesellschaft SOCAR, Natik Aliew, erklärte kurz vor der Tbilisser Ölkonferenz, es gäbe eine mündliche Abmachung, dass LUKoil auf alle Fälle ins Baku-Tbilissi-Ceyhan Projekt einsteige, die Verträge würden Ende März oder Anfang April unterzeichnet. Dazu passt auch das Statement des Stellvertretenden Russischen Aussenministers Viktor Kaliuschin am Rande der Konferenz in Tbilissi, dass die Idee, kaspische Energie über mehrere Varianten zu transportieren, im Interesse der Russischen Föderation sei. Russland sei in alle Entwicklungen in der Kaspi-Region voll eingebunden. Kaliuschin ist auch der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten zur Regelung des Status des Kaspischen Meeres, bei der sich die Anrainer noch nicht einig sind.

Dass Kaliuschin an der Unterzeichnung des georgischen Durchleitungsabkommens anwesend war, ist ein politisches Signal. Ungeachtet aller Irritationen über die tatsächlichen und vermeintlichen Krisengebiete Georgiens sind wohl alle Beteiligte, die USA, Russland und die kaukasischen Staaten vor allem an einer Stabilisierung der Situation interessiert. Nur so kann das grosse Geschäft mit dem kaspischen Öl gelingen und allen Beteiligten Profit abwerfen. Deshalb hat sich Russland in den letzten beiden Jahren wieder an Aserbaidschan angenähert, dessen Freundschaft man anfangs der 90-er Jahre aufkündigte, als eine nationalistische Regierung den Russen den Zutritt zu Ölgeschäft ganz verweigerte. Hajdar Aliew hat diese Blockade überwunden, die Russen an der Entwicklung des aserischen Öls beteiligt und sie jetzt auch in beide Pipe-Konsortien gebracht. Russland ist also eingebunden und sieht vor allem seine Kapitalinteressen in dieser Region gewahrt.

In dieses Szenario passen dann auch Pläne, von Noworossisk über Abchasien und Supsa eine Ölpipeline zu bauen, um Russland auch von dieser Seite her an das internationale Netz anzubinden. Damit wäre eine Ringpipeline um den Kaukaus geshaffen. Diese Plände wurden am Rande der Ölkonferenz bekannt. Auch wenn die Abchasen derzeit noch etwas blockieren, dürften die wirtschaftlichen Verlockungen schliesslich so gross werden, dass sich auf diesem Hintergrund mittelfristig vielleicht doch eine friedliche Lösung des Konflikts bewerkstelligen lässt. Das Schmiermittel Erdöl scheint zu wirken. Das russische Einlenken auf die UN-Position, dass Abchasien untrennbarer Bestandteil Georgiens sei, kann wohl nur im Zusammenhang mit diesen strategischen Planungen um die Kaspi-Energie gesehen werden.

Bliebe dann noch der Sicherheitsaspekt, denn eine Konzentration von Pipelines stellt ein enormes Risiko dar. Das wissen wir spätestens seit dem letzten James Bond Film, der ja um dieses Thema und in der Region spielte und in der Fiktion vorweggenommen hat, was seit dem 11. September durchaus auch eine gewissen realen Hintergrund bekam. Der Politologe Ramaz Klimiaschwili, ein Engländer georgischer Herkunft, sieht das ganze Theater um die US-Militärhilfe ausschliesslich vor diesem Hintergrund. Bush habe den Investoren lediglich ein Signal geben wollen, dass die USA deren Interessen im Südkaukasus mit militärischer Präsenz sichern werden. Klimiaschwili geht davon aus, dass Waschington den russischen Präsidenten rechtzeitig informiert hätte. Die Hysterie in den Massenmedien und der politischen Szene in Russland erklärte er mit fehlender Information.

Diese Einschätzung wird gedeckt durch eine Einlassung Schewardnadses auf der Ölkonferenz. In seinem Grusswort sagte er: "Mit den Öl- und Gas-Transportprojekten steigt Georgiens geopolitische Rolle in dramatischer Weise. Unser Land wird das besondere Interesse Europas und der USA bekommen. Als wir die Anti-Terror-Frage erörterten, haben wir die Sicherheit der Pipelines mit einbezogen."

Der Berater des amerikanischen Präsidenten für diplomatische und strategische Fragen in der Kaspischen Region Steven Mann erklärte nach einem Gespräch mit Eduard Schewardnadse, die US-Regierung würde alles unternehmen, um die Sicherheit der Pipelines in Georgien zu gewährleisten.

Das Problem der Sicherheit in der Kaukasus-Region werde auch bei dem Besuch Schewardnadses in Brüssel angesprochen, erklärte der Präsident der Georgischen Internationalen Öl Corporation GIOC, Giorgi Tschanturia, nach der Unterzeichnung des BTE-Vertrages. Er führte weiter aus, dass sich die NATO aktiv an der Lösung der regionalen Sicherheitsfragen im Kontext des Energietransportes beteiligen werde.

 

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