Ausgabe 4/02, 24. März
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Der lange Abschied des Eduard Schewardnadse

In unserer Serie: „Der lange Ab­schied des Eduard Schewardnadse“ ver­sucht GN-He­raus­geber Rainer Kauf­mann die zehn Jahre Schewardnadse im post­sowjeti­schen Georgien auf­zu­arbeiten. In den drei vo­raus­gegan­genen Aus­gaben wurden die KP-Kar­riere Schewardnadses be­schrieben, die kurze Zeit Geor­giens, in der Schewardnadse keine Rolle spielen durfte, und die Rück­kehr des weissen Fuchses in ein Land, das von Chaos und An­archie ge­prägt war. Das war im März 1992 und damit genau vor zehn Jahren. In dieser Aus­gabe geht es darum, eine erste in­nen­politische Bilanz der Regie­rungs­zeit Schewardnadses zu ziehen vor allem unter dem Aspekt, das nach­sowje­tische Georgien in einen modernen Ver­fas­sungs- und Rechts­staat um­zu­wandeln.

Nimmt man die Aus­sage des ersten deut­schen Botschafters in Georgien, Norbert Dahlhoff, zum Mass­stab, der sagte, Schewardnadse habe Busch und Gen­scher ver­sprochen, das Land un­um­kehr­bar in Richtung Markt­wirt­schaft und De­mo­kratie zu führen, dann wird man heute kaum umhin kommen zu sagen: Ziel er­reicht, zu­mindest, was die Ge­setz­gebung an­geht. Die um­fang­reichen Reformen im Rechts­be­reich sind ohne Zweifel auf der in­nen­politi­schen Ha­ben­seite der Präsi­denten­bilanz zu ver­buchen, wie viele Schwächen, Fehler und Ver­säum­nisse auf der Soll­seite auch noch auf­zu­zählen sein werden. Selbstverständlich mangelt es bei zu vielen guten Gesetzen heute noch bei der Umsetzung in die Realität. Aber, im Gegensatz zu nahezu allen anderen postsowjetischen Staaten hat Georgien heute einen gesetzlichen Rahmen, der sich sehen lassen kann. Ausserdem sollte man das kleine Land nicht überfordern, es kann in einem knappen Jahrzehnt nicht das an staatlichen und demokratischen Strukturen aufbauen, wozu wir in Europa einige Jahrhunderte brauchten. Dazu muss man die Geschichte Georgiens ein wenig kennen. Das Land war, als es Anfang des letzten Jahrhunderts dem Kommunismus anheimfiel, kein moderner Staat in unserem Sinne. Es war damals noch tief im Feudalismus des Mittelalters verhaftet und der Sozialismus war für die Menschen hier nichts anderes als eine Art Fortsetzung des Feudalismus. Nur die Fahnen, Farben und Gesänge hatten sich geändert. Das Familiennetzwerk, der Clan – über Jahrhunderte das einzige Koordinatensystem dieser Gesellschaft - war geblieben. Einen georgischen Nationastaat gab es eigentlich seit dem 12. Jahrhundert nicht mehr. Das Land war in einzelne Königreiche und Fürstentümer zerfallen, meist zusammengehalten vom Schirm einer fremden Macht, unter dessen Schutz dann die einzelnen Clans und Netzwerke sich entfalteten. Die Neuzeit kam in Georgien erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Und dann kam sie mit aller Macht und allen Turbulenzen.

Die Verfassung – eine schwierige Geburt

In er­staun­lich kurzer Zeit hat das georgische Par­la­ment in diesen aufgeregten Jahren einen Ba­sis-Rahmen an Ge­setzen ge­schaffen, der das Land in das moderne Europa führt. Die Ver­fassung ist wohl die „europäischste“ Ver­fassung, die man in einem Nach­fol­ge­staat der So­wjet­union finden kann, wiewohl sie stark auf die Person Schewadnadse zugeschnitten ist und dringend einer Korrektur bedarf, will man die Aera nach ihm bewältigen. Wenn man weiss, dass das erste Attentat auf Schewardnadse zu der Minute statt­fand, als er vom proviso­rischen Par­la­mentsgbäude, der alten Parteischule am Rustaweli-Prospekt, zur Paraphie­rungs­zere­monie des Ver­fas­sungs­textes fahren wollte, dann weiss man auch, welch ge­waltige Wi­der­stände gegen eine Er­neuerung der Ge­sell­schaft zu über­winden waren. Dieser An­schlag galt nicht nur der Person Schewardnadse, er galt der ganzen Richtung, dem Ver­such, der georgi­schen An­archie, in der es sich manche allzu bequem gemacht hatten, mit einer modernen Ver­fassung ein Ende zu be­reiten.

Ein kleiner, per­sön­licher Rück­blick sei an dieser Stelle er­laubt. Es ist ein Zitat aus dem „Prestel-Land­schafts­buch: Kaukasus“ und schildert authen­tisch die Rechts­situ­ation, die Schewardnadse wenige Wochen später an­traf:

Im Januar 1992, wenige Tage nach dem Putsch gegen Gamsachurdia, sprach mich noch während des militärischen Aus­nah­me­zu­stands auf der Strasse ein junger Mann an, wohl aus Neu­gierde auf einen der wenigen Aus­länder, die sich damals noch in die Stadt wagten. Er war Ju­ra­student. Trotz nächt­licher Aus­gangs­sperre ver­abre­deten wir, uns abends in der Wohnung seiner Eltern zu treffen. Es war kalt, das Zimmer un­ge­heizt wie alle Woh­nungen damals, und es gab, soweit ich mich erinnern kann, Brot und Käse, etwas Wodka und warmen Tee. Auch einige andere Stu­denten waren ge­kommen, alles an­ge­hende Juristen, und während draussen auf der Strasse in re­gel­mässigen Ab­ständen alle paar Minuten geschossen wurde, während War­lords und Mili­tär­pöbel das Stadt­bild beherrschten, quetschten mich diese jungen Leute über die deutsche Ver­fassung aus, fragten interes­siert nach Ge­wal­ten­teilung und Men­schen­rechten, nach Parla­mentaris­mus und De­mo­kratie.

Es war eine be­freiende Dis­kussion in­mitten der Hoff­nungs­lo­sig­keit und Lethargie, in der sich das Land kurz nach dem Putsch gegen Gamsachurdia be­fand, ein Zu­stand völliger Orien­tierungs­losigkeit. Denn was die neuen Herren an Zu­kunfts­perspektive zu bieten hatten, war in diesen Janu­ar­tagen 1992 ziem­lich klar: einen Rück­fall in ein mit­tel­al­ter­lich an­mutendes Clan­system, in dem nur die Macht der Ka­laschni­kows zählte. An­ge­sichts dieser nahe­zu aus­weg­losen und de­primie­renden Ver­hält­nisse disku­tierten junge Ju­ra­stu­denten mit einem deut­schen Journa­listen über den ersten Ent­wurf einer de­mo­krati­schen, georgi­schen Ver­fassung. „Das ist es, was wir brauchen, wenn wir nicht unter­gehen wollen“ war die all­ge­meine Über­zeugung in diesem kalten, dunklen, nur von ein paar Kerzen be­leuch­teten Wohn­zimmer ir­gend­wo im 5. oder 6. Ge­schoss eines Wohn­hauses an der Kostawa-Strasse. Daran, dass diese Vision vier Jahre später schon Rea­li­tät werden sollte, hätte in dieser Nacht niemand zu glauben ge­wagt.

Das Sowjetsystem überwinden

Es scheint heute nach Aus­sagen einiger dama­liger Mit­arbeiter Schewardnadses als sicher, dass er es war, der von An­fang an er­klärte, Georgien müsse so schnell als mög­lich die sowjeti­schen Rechts­normen über­winden. Des­halb hat er auch beim ersten Amts­besuch Gen­schers, der ihm die diploma­tische An­erkennung Deutsch­lands brachte, als oberste Prio­ri­tät die Hilfe bei der Rechts­reform des Landes ge­nannt, nicht etwa populäre humanitäre Projekte, für die an allen Ecken und Enden Notwendigkeit bestand. Und Deutsch­land hat einen guten Teil der zu­gesagten Ent­wick­lungs­hilfe in der Rechtsreform aus­gegeben, ein Be­reich, der wenig spekta­kulär ist aber ganz sicher ent­scheidend zum Auf­bau des Landes bei­getragen hat, das damals über keinerlei Grundstruktur oder Tradition verfügte, die eine Eigenstaatlichkeit auszeichnet. Es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass das heutige Georgien seine Staatlichkeit, seine Grenzen zum Beispiel nur dem zu Recht ungeliebten Sowjetsystem verdankt, unter dessen Regie die Sozialisitische Sowjetrepublik Georgien konstruiert wurde. Um aber wirklich ein Nationalstaat werden zu können, musste das sowjetische Rechtssystem abgeschafft und durch ein georgisches Rechtssystem ersetzt werden.

Na­tür­lich darf die Rolle des Par­la­ments nicht vernachlässigt werden, ein Par­la­ment, dem recht schnell junge Reformer ihren Stempel aufdrückten. Schewardnadse hatte sie gefördert, hatte sie in Ämter und Ver­antwortung ge­bracht, le­dig­lich den Si­cher­heits­apparat be­liess er in der Hand alter Seil­schaften, bis er nicht mehr anders konnte. Diese jungen Poli­tiker wie Surab Schwania, der als Parlamentspräsident alle Gesetzesinitiativen Schewardnadses durchpaukte, oder Michael Saakaschwili, der sich zunächst als Vorsitzender des Reform- und Wirtschaftsausschusses, dann als Fraktionsvorsitzender, später als Justizminister zu einem der bekanntesten Reformer des Landes profilierte, und einige andere bildeten über Jahre hinweg den Reformflügel der Schewardnadse-Partei „Bürgerunion“. Ohne sie hätte die Rechtsreform niemals stattgefunden wie man gleichermassen sagen muss, dass diese Jungen Wilden ohne die Rückendeckung des Alten, des Babua, wie man hier sagt, des Grossvaters also, niemals die Grundwiderstände der alten Betonfraktion hätten überwinden können. Denn beide Fraktionen hatte Schewardnadse in seiner Bürgerunion vereinigt: die Betonköpfe und alten Seilschaften, die er zur Absicherung seiner Macht brauchte, und die Jungen Wilden, die das Land nach vorne bringen sollten. Dazwischen standen die erfolgreichen Unternehmer und Manager wie Lewan Gachechiladse und Davit Gamgrelidse, Leute, die ihm Wahlkampagnen finanzierten. Zu nennen wären, neben anderen, weiter: Kacha Tschitaja, Vorsitzender des Aussenpolitischen Ausschusses, jetzt Umweltausschuss; Giorgi Gachechiladse, ein junger, vielseitig verwendbarer Verwaltungsmann, der jetzt Wirtschaftsminister ist; David Kirvalidse, der engagierte Agraminister; Aliko Kartosia, der honorige aber etwas glücklose Bildungsminister; oder Lado Tschanturia, der umsichtige Justizreformer und jetzige Präsident des Obersten Gerichtshofes. Was auch immer man Schewardnadse an innenpolitischen Versäumnissen vorwerfen mag, eines kann man nicht sagen, dass er junge Leute, Leute neuen Denkens nicht gefördert hätte. In diesem Punkt braucht er keinen Vergleich mit seinen Präsidenten-Kollegen der Nach-Sowjetunion zu scheuen. Dass sich ein Teil dieser neuen Elite an Politikern und Verwaltungsleuten heute in der Opposition zu Schewardnadse wieder findet, hängt wohl eher mit der allgemeinen politischen Stimmung im Lande zusammen, die alles Negative, ob subjektiv oder objektiv, Schewardnadse anlastet, auch mit der Stimmung in den Medien, den Alten möglichst rasch ab- und damit wegzuschreiben. Vielleicht auch mit der altkommunistischen Bunkermentalität, die Schwardnadse nie ablegen konnte und die ihn davon abhält, junge Leute wirklich stark werden zu lassen. Irgendwie scheint es, duldet der weisse Fuchs keinen, der ihm als Konkurrent zu nahe kommen könnte. Sicher ist aber auch, dass aus dem Lager Schewardnadses heraus kaum einer Aussichten auf Erfolg hat, wenn es um dessen Nachfolge geht. Also drängen viele, die dem Meister jahrelang gefolgt waren, jetzt erst einmal in die Opposition.

Das Bündnis mit der Orthodoxie

Zur Absicherung seiner Macht versicherte sich der weisse Fuchs recht bald einer weiteren politischen und gesellschaftlichen Macht im Lande, der orthodoxen Kirche. Der frühere Komsomolze und und in der Wolle gefärbte Kommunist liess sich in späten Jahren noch taufen, nahm den kirchlichen Namen Giorgi statt Eduard an, und bildete von da an mit dem Patriarchen Ilia II ein nahezu unzertrennliches Duo. Kurz vor seiner ersten richtigen Präsidentenwahl auf Basis der neuen Verfassung segnete Ilia II. das damals noch recht schwach legitimierte Staatsoberhaupt Schewardnadse im Kloster Gelati und zwar ausgerechnet auf dem Grabstein von König David, dem Erbauer, knieend, dem grossen Heiligen der georgischen Orthodoxie und Einigungskönig des Mittelalters. Was sollte dies denn anderes sein als die klare Botschaft des Patriarchen an alle Menschen im Lande, hier ist er, Giorgi-Eduard, der moderne Erbauer eines neuen Georgiens, der einzige Hoffnungsträger des Landes? Sicher ist es viel zu früh, solche historischen Parallelen zu ziehen, das muss die Gechichtsschreibung späterer Jahre leisten. Aber festzuhalten ist auf alle Fälle: Georgien war alles andere als ein Staat, als Eduard Schewardnadse das Ruder übernahm. Es war ein anarchisches Gebilde mit unsicherer Rechtskonstruktion. Heute kann man sagen, dass es – von der kurzzeitigen Versuch nach dem 1. Weltkrieg abgesehen – erstmals seit mehreren Hundert Jahren einen georgischen Nationalstaat gibt, der alle Merkmale einer Staatlichkeit besitzt.

Kirche und Staat verstehen sich in Georgien ganz hervorragend und sie verstehen sich als konstitutionelle Partner der Gesellschaft. Auf eine Reporterfrage, ob er sich denn als junger Komsomolze denn hätte träumen lassen, einmal christlich getaufter Präsident eines unabhängigen Georgiens zu sein, antwortete Schewardnadse, mit der Hand unter dem Jackett in der Herzgegend einen erhöhten Pulsschlag imitierend, wahrscheinlich habe er dies da drinnen schon immer gespürt. Anpassungsfähigkeit an die Entwicklungen der Zeit, auch dieses hat Schewardnadse in seinen langen Lehr- und Meisterjahren kommunistischer Nomenklatur wohl gelernt. Denn dass er über 60 Jahre lang ein Krypto-Christ gewesen sein soll, wird ihm niemand abnehmen, wenngleich er auch als KP-Chef schon recht gute Beziehungen zum Patriarchen gepflegt haben soll.

Als letzterer bei der Einweihung der neuen evangelisch-lutherischen Kirche in Tbilissi vor einigen Jahren aus inner-othodoxen Gründen, die nicht in seiner Haltung zu suchen sind, eine Einladung brüsk ignorieren musste, sprang – eine Absprache mit dem „fundamentalistisch verhinderten“ Patriarchen darf unterstellt werden – der Staatspräsident persönlich ein, um während des feierlichen Gottesdienstes die in der Verfassung zugesicherte Religionsfreiheit zu proklamieren. Wegen der damals wenigen Hundert Protestanten im Lande hätte er dies nicht tun müssen, es brachte ihm im konservativ-fundamentalistischen Lager seiner „Nationalkirche“ – und das ist nicht zu unterschätzen – keine Pluspunkte. Es war aber ein deutliches Signal Schewardnadses an die Gesellschaft, die Versprechen einer modernen Verfassung ernst zu nehmen, einer Verfassung, die unter seiner Regierung erarbeitet wurde.

Rechtsreform ist unumkehrbar

Es war Eduard Schewardnadse, der die Rechtsreform auf den Weg bringen liess. Kein einziger dieser Gesetzesentwürfe kam aus dem Parlament heraus, musste dem Präsidenten sozusagen abgerungen werden. Alle Gesetzesvorlagen, die Georgien zu einem modernen Rechtsstaat machten, tragen die Unterschrift des Präsidenten, wurden vom ihm dem Parlament zur Entscheidung vorgelegt. So wird er denn, als er vom damaligen Justizminister den Entwurf für ein neues Zivilgesetzbuch überreicht bekam, mit dem Satz zitiert: „Damit haben wir endlich das Sowjetsystem überwunden!“ Dieses Zivilgesetzbuch ist in weiten Teilen eine Übersetzung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches. Daneben gibt es alle notwendigen Gesetze zu Wirtschaft und Handel, die nahezu völlig dem entsprechen, was etwa in Deutschland gilt. Es gibt ein allgemeines Verwaltungsgesetz, das Privatrecht, eine Reform der Zivilprozessordnung und, besonders wichtig, die Reform des Bodenrechts. In keinem anderen Nachfolgestaat der Sowjetunion wurde das Bodenrecht so radikal reformiert wie in Georgien. Grund und Boden sind frei erwerbbar und verkäuflich, auch für Ausländer mit Ausnahme landwirtschaftlicher Flächen. Dass daneben erst in Tbilissi und jetzt auch landesweit ein funktionierendes Katasterwesen aufgebaut wird, sichert diesen wichtigen Teil der Gesetzesreform ab. Ohne zweifelfreies Eigentum an Grund und Boden ist eine wirtschaftliche Fortentwicklung kaum denkbar. Beide Projekte werden im wesentlichen aus deutscher Entwicklungshilfe finanziert.

Ganz entscheidend sind die Reformen im Justizbereich. Zunächst einmal funktioniert die Gewaltenteilung mittlerweile ausgezeichnet. Eine dreistufige Justiz mit den Sparten Straf-, Zivil- und Verwaltungsrecht ist aufgebaut, wobei ein kleines Beispiel zeigen soll, wie konsequent man in der Überwindung des Sowjetsystems vorgegangen ist. Der Generalstaatsanwalt und der Präsident des Obersten Gerichtshofes konnten nach früherem Recht jedes eigentlich letztinstanzliches Urteil aufheben und an die unteren Instanzen zur Neuverhandlung – in ihrem Sinne natürlich – zurückgeben. Diese schier unendliche Machtfülle, Quelle von Korruption und Abhängigkeit, ist abgeschafft, die Urteile der einzelnen Senate des Obersten Gerichtshofes sind rechtsverbindlich. Sie werden allesamt publiziert und damit transparent. Willkürjustiz soll damit ein Riegel vorgeschoben werden, welch ein Richter will sich schon mit einer rechtsverbiegenden Urteilsbegründung erwischen lassen. (siehe auch Interview mit Lado Tchanturia in dieser Ausgabe)

Die alte Richterschaft wurde entlassen, ein einmaliger Vorgang, der gerade in Deutschland, das alle Richter der NS-Zeit anstandslos übernommen hatte, einiges an stiller Anerkennung hervorrufen sollte. Die neuen Richter mussten strenge Prüfungen ablegen, die unter internationaler Aufsicht stattfanden, Mogeleien waren wirklich ausgeschlossen. Ihr Gehalt wurde deutlich erhöht, die früher übliche Korruption, bei der manch ein Richter sich ohne jede Scham noch vor dem Urteil der Zahlungsfähigkeit der Parteien versicherte, ist überwunden. Natürlich gibt es elegantere Formen der Bestechlichkeit, aber dies ist nicht unbedingt ein rein georgisches Problem. Was bleibt von der Justizreform ist die Tatsache, dass sich das Justizwesen Georgiens heute von dem der Sowjetzeit gründlich unterscheidet. Es fehlt nur noch das Vertrauen der Bevölkerung in dieses System, das müssen sich die neuen Richter erst noch erarbeiten wie auch der gesamte Staat darunter leidet, dass ihm die Mehrheit der Gesellschaft nicht über den Weg traut. Aber dies hat viel mit einer Gesellschaft zu tun, die auch heute noch Probleme damit hat, einen allgemeinen Solidarbegriff oder eine gemeinsame Identität zu definieren, die über das Eingebundensein in ein privates, familiäres Netzwerk hinausgehen. Das Denken in Clanstrukturen ist noch immer weit verbreitet und bestimmt den georgischen Alltag. Die vielen Trinksprüche auf das christliche und einige Georgien täuschen über dieses fundamentale Missverstehen einer Nation und das Fehlen eine Staatstradition hinweg. So muss Schewardnadse wohl selbst bilanzieren, dass es ihm nicht gelungen ist, ein positives Staatsverständnis zu wecken, so eindrucksvoll seine gesetzgeberische Reformbilanz auch sein mag. Diese Aufgabe wird er seinen Nachfolgern weiterreichen müssen.

 

 


Der weisse Fuchs


Das 1. Gymnasium nach dem Putsch im Januar 1992

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