Ausgabe 6/02, 24. April
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Eine radikale Vereinfachung des Steuersystems hat das Georgian Economic Development Institute vorgeschlagen. Es sieht statt der bisher geltenden 19 verschiedenen Steuern nur noch vier vor, drei staatliche und eine kommunale. Die Gesamtbelastung eines Steuerzahlers, egal ob juristische oder natürliche Person, soll nicht mehr als 30 % seines Einkommens betragen. Der Reformvorschlag wurde zusammen mit Gogi Topadse und der Open Society-Georgia Foundation des amerikanischen Philanthropen George Sorros erarbeitet und dieser Tage von der Fraktion "Industrie rettet Georgien" der Öffentlichkeit vorgestellt. Präsident Schewardnadse und Staatsminister Jorbenadse haben das Modell begrüsst und ihre Unterstützung zugesagt. Widerstand signalisiert der Finanzminister. Der meiste Widerstand wird vom Internationalen Währungsfond erwartet.

Dass das derzeit existierende Steuersystem nicht funktioniert und eine der wichtigsten Quellen der Korruption darstellt, ist in Wirtschaftskreisen schon lange bekannt. Eine Änderung des Steuerrechts scheiterte aber bisher am Widerspruch des IWF, der seine Finanzbeihilfen an Georgien strikt vom Erreichen vorgegebener Staatseinnahmen abhängig macht. Beim IWF geht man davon aus, dass eine Liberalisierung der Steuer die Steuermoral der Georgier nicht verbessere und dadurch dem Staat sogar ein Teil der geringen Einnahmen entgingen, die er jetzt habe. Die Reformer setzen dagegen auf das russische Vorbild, wo eine radikale Steuerreform das Investitionsklima genauso verbesserte wie die Steuermoral.

Die vorgeschlagene Steuerreform verringert die Zahl von bisher 12 nationalen und 6 kommunalen Steuern auf 3 nationale und nur noch eine kommunale Steuer. Unter den nationalen Steuern soll es weiter geben

  • Einkommenssteuer
  • Mehrwertsteuer
  • Verbrauchersteuern

Von den sechs kommunalen Steuern sol lediglich die Vermögenssteuer (für Grund- und Immobillienbesitz und für Motorfahrzeuge) übrig bleiben, wobei sehr wohl daran gedacht ist, weitere Sonderabgaben wie Kurtaxen oder Spielsteuern in Form von Lizenzen zu erheben. Ein Grossteil der vorhandenen Steuern wie etwa die Werbesteuer oder die allgemeine Strassensteuer (1 % vom Firmenumsatz) sollen ersatzlos gestrichen werden.

Die mit 35 % auf die Löhne und Gehälter recht hohen Sozialabgaben, die derzeit vom Unternehmen zu bezahlen sind, sollen möglichst schnell in eine leistungsfähige personenbezogene Sozialversicherung umgewandelt werden. Die Sozialabgaben sind ebenfalls ein Grund für Korruption, denn ein Grossteil der Löhne wird wegen der hohen Sozialabgaben einfach nicht versteuert.

Umweltabgaben sollen aus dem normalen staatlichen Finanzierungssystem herausgenommen werden und nur noch zweckgebunden erhoben werden. Die bisherige Vermögenssteuer, die dem Staatsbudget zufloss, soll entsprechend internationaler Praxis in eine kommunale Steuer umgewandelt werden, nur die KfZ-Steuer soll landesweit erhoben werden. Die Steuerausfälle der Kommunen sollen mit einem landesweiten Steuerausgleich aus dem Staatsbudget ausgeglichen werden.

Erhebliche Einschnitte sieht das Reformkonzept bei den einzelnen Steuersätzen vor. Zunächst einmal werden die früheren Gewinn und Einkommenssteuern zu einer einheitlichen Einkommenssteuer zusammengefasst. Natürliche Personen, also Angestellte und Selbständige, können zwischen zwei Steuersätzen wählen: 10 oder 20 %. Beim Steuersatz von 10 % können keine Kosten steuerlich abgesetzt werden, beim Steuersatz von 20 % können Betriebskosten abgesetzt werden, sofern sie ordentlich nachgewiesen sind. Bei juristischen Personen soll die Steuerfreiheit von Reinvestitionen aus dem erzielten Gewinn eingeführt werden. Dies wird, so die Autoren des Reformkonzepts, zu stärkeren Investitionen und damit auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen.

Die Mehrwertsteuer, eines der grössten Probleme des georgischen Steuersystems, soll von bisher 20 % auf 15 % reduziert werden. Die Grundlage der neuen Mehrwertsteuer ist die Differenz zwischen erzieltem Einkommen und dafür aufgewendeten und nachgewiesenen Kosten. Für diesen Nachweis soll ab sofort eine einfache Handelsrechnung dienen. Das spezielle Mehrwertsteuerformular, einer der Gründe, warum diese Steuer nie funktionieren konnte, soll der Vergangenheit angehören. Das neue Steuerrecht geht nämlich von der Steuerehrlichkeit der Steuerzahler aus, deren Aufzeichnungen und Buchhaltung die Steuerverwaltung erst einmal vertraut. In Zweifelsfällen obliegt es der Steuerverwaltung, den Steuersünder vor Gericht anzuzeigen. Obsiegt die Steuerverwaltung, muss der sündige Steuerzahler die doppelte Steuerschuld und alle Verfahrenskosten bezahlen. Sollte der Steuerzahler obsiegen, muss ihm der Staat die doppelte Klagesumme auszahlen und die Verfahrenskosten übernehmen. Der entsprechende Steuerinspektor soll dafür haftbar gemacht werden.

Die Reformer versprechen sich von diesem Paket eine Vereinfachung des Steuersystems, eine Verbesserung des Investitionsklimas und damit neue Arbeitsplätze und eine Bekämpfung von Korruption und Schattenwirtschaft. Es soll für den Unternehmer billiger sein, Steuern zu bezahlen als Bestechungsgelder. Damit will man mittelfristig auch die Staatseinnahmen deutlich erhöhen und das Budget endlich absichern. In einer Volkswirtschaft, die zum überwiegenden Teil im Schatten arbeitet und sich damit der Steuer entzieht, bewerten Politiker und Wirtschaftler diese Vorschläge als einen Schritt in die richtige Richtung. Der Internationale Währungsfond muss mit einer breiten Front an reformwilligen Politikern und Unternehmern rechnen, zu denen auch Präsident Schewardnadse zu gehören scheint. Jedenfalls hat er dem Reformvorschlag auf einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern zugestimmt und erklärt: "Seit 1998 hängen wir hauptsächlich von den Empfehlungen der internationalen Organisationen und der Weltbank ab und waren nicht stark genug, unsere eigenen Interessen bei der Steuergesetzgebung zu verteidigen." Dem dürfte jetzt vielleicht anders werden. Die Reformer bereiten sich auf eine heftige Auseinandersetzung vor. Sollte der IWF diese Reform erneut blockieren, will Gogi Topadse, der Bierkönig von Georgien und Vorsitzender der Partei "Industrie rettet Georgien" sogar die Strasse mobilisieren. Der Gesetzesentwurf soll bis spätestens Juni im Parlament eingebracht werden, damit er für das jahr 2003 wirksam werden kann.

 

 

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