Ausgabe 6/02, 24. April
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Schonfrist
Menschenrechtsverletzungen im Justizsystem

Das UN-Komitee für Menscherechte hat dem georgischen Staat eine Frist von einem Jahr gesetzt, die Menschenrechtsverletzungen im Justizbereich abzustellen. Das Komitee sieht die Lage in den Gefängnissen Georgiens für so besorgniserregend an, dass es nicht bereit ist, die normale Frist von vier Jahren bis zur nächsten Berichterstattung abzuwarten. Auch das US-Aussenministerium und der Europarat konfrontierten Georgien mit der Forderung, die Umsetzung der Menschenrechte im Land voranzubringen. Präsident Eduard Schewardnadse hat deshalb - wieder einmal - seine Regierung zur Rede gestellt und eine Sondersitzung zum Thema Menschenrechte angekündigt. Die georgische Nachrichtenagentur Civil Georgia beschäftigt sich in zwei umfangreichen Analysen ausführlich mit der Situation der Menschenrechte in Georgien. GN fasst die beiden Berichte zusammen. Den vollen Wortlaut der englischen Berichte finden Sie unter www.civil.ge.

Das Tbilisser Büro von Human Rigths Watch bewertete die Auflagen, die das UN-Menschrechtskomitee Georgien machte, als klare Anweisungen, wie das Land seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen habe. Das UN-Komitee hat ganz konkrete Massnahmen verlangt, um die Verletzugn der Religionsfreiheit in Georgien einzudämmen, die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten zu schützen und einen Zivildienst als Alternative zum Militärdienst einzurichten. Insbesondere beschäftigt sich der Menschenrechtsreport mit den unhaltbaren Zuständen in Georgiens Gefängnissen.

Zu drei Fragen will das Komittee eine Antwort in einem Jahr: Es geht einmal um die sehr grosse Zahl an Todesfällen in Polizeistationen und Gefängnissen, um die weitverbreitete Folter von Gefangenen und die inhumane und herabwürdigende Behandlung durch die Sicherheitsorgane und schliesslich um die 72-Stunden-Frist, innerhalb der jemand in Polizeigewahrsam gehalten werden kann, ohne dass ihm ein Grund mitgeteilt werden muss. Die Rechte von Untersuchungsgefangenen müssen gestärkt werden, insbesondere muss ihnen sofort die gegen sie vorliegenden Vorwürfe bekannt gegeben werden und sie müssen das Recht erhalten, vor Gericht medizinische Behandlung während der Untersuchungshaft einzuklagen.

Das Komitee verlangt von Georgien die Zusicherung, dass alle Formen von Gewaltanwendung durch Sicherheitsorgane bestraft werden. Zur Zeit fehlt dazu die gesetzliche Grundlage. Ausserdem müsse der Staat eine effektives System aufbauen, mit dem die Behandlung von Gefangenen kontrolliert werden könne.

Human Rights Watch forderte die georgische Regierung zu ernsthaften Reformen vor allem des Strafvollzugs und der Ermittlungsbehörden auf, anders könnten die Forderungen des UN-Komitees niemals erfüllt werden. Sondersitzungen der Regierung, so wie sie vom georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse angekündigt wurden, reichten nicht aus. Georgien müsse jetzt statt der üblichen Versprechungen, den Schutz der Menschenrechte voranzubringen, ernsthafte Massnahmen ergreifen, die über eine nebulöse Anerkennung der Menschenrechte hinausgehe.

Ähnliche Forderungen sind im jährlichen Menschenrechtsbericht des US-Aussenministeriums enthalten, die sich insbesondere auch mit dem Treiben des orthodoxen Ex-Priesters Wasili Mkalawischwili auseinandersetzt. Entgegen dem Verfassungsrecht auf Religionsfreiheit sei der Kreuzzug gegen religiöse Minderheiten ritualisierter Alltag in Georgien geworden. Während Wasili sogenannte "Sektierer" traktiere, ihre Versammlungsräume zerstöre und Bücher verbrenne, sängen Frauen in mittelalterlicher Manier religiöse Choräle.

Das US-Aussenministerium betont insbesondere das Fehlen von einem Religionsgesetz, das die extremistischen Attacken begünstige. "Es gibt keine gesetzliche Regelung zur Registrierung von religiösen Organisationen. Religiöse Gruppen, die humanitäre Hulfe anbieten, müssen als caritative Organisationen registriert werden, während andere Organisationen humanitäre Hilfe ohne Registrierung arbeiten können. Organisationen, die nicht registriert sind, können weder Räumlichkeiten anmieten noch Bücher importieren. Diese Aufgaben müssen Mitglieder der Organisationen übernehmen und dafür persönlich haften." übernehmen."

Der US-Report beklagt sich darüber, dass der Extremist Wasili offensichtliche Unterstützung von amtlichen Stellen erhalte. Während es Aufgabe der Polizei sei, gegen Gesetzesverstösse einzuschreiten, werden hohe Polizeiführer in einem Bericht des georgischen Ombudsmannes mit der Bemerkung zitiert, "die Polizei habe die Pflicht, die Gesellschaft gegen den perversen Einfluss von Sekten zu schützen". Die Meinung, Sekten seien von feindlichen Mächten gesteuert, um den georgischen Nationalstaat zu zerstören, ist in der öffentlichen Meinung weit verbreitet.

Mehr noch, als nach einer Intervention des Präsidenten, religiöse Intoleranz und Gesetzesverletzungen doch entsprechend der georgischen Gesetzeslage zu bestrafen, die Polizei den Versuch unternahm, Wasili zu verhaften, wurde der Haftantrag von einem Gericht abgewiesen, während die Anhänger des Ex-Priesters massiv protestierten.

Nach wie geht es in Georgien um den Status der orthodoxen Kirche, die fordert, als einzige Kirche gesetzlich anerkannt zu werden, während andere Kirchen oder Religionsgemeinschaften lediglich den Status von Vereinigungen zugesprochen bekommen sollen. Aus diesem Grunde kommt der US-Report auch zu dem Schluss, dass die orthodoxe Kirche zwar den Kreuzzug ihres Ex-Priesters verurteile, sich jedoch gegenüber religiösen Minderheiten ähnlich kritisch, wenngleich auch viel milder, verhalte.

Die Analyse von Civil Georgia gelangt zu der Überzeugung, dass eine Verhaftung und Bestrafung des Ex-Priesters Wasili das Problem nicht lösen könne, da ein stiller Konsens in wesentlichen Teilen der Gesellschaft ihm eine Art Immunität garantiere und seinen Erfolg fördere. "Solange die Bürger Georgiens nicht einsehen, dass jeder berechtigt ist, seinen Glauben ohne Beeinflussung frei auszuüben, werden "Wasilis" frei agieren können und sind Teil der öffentlichen Meinung Georgiens."

 

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