Ausgabe 1/02, 9 Februar
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„Es ist eben sehr gut gelaufen“
Georgien-News Gespräch mit Alexander von Gleich, Direktor der Microfinance Bank of Georgia.

Georgien-News: „In nur zwei Jahren von Null auf Platz vier in der georgischen Bankenszene - eigentlich müssten Sie doch vor Kraft kaum noch laufen können.“

Alexander von Gleich: „Naja, (er lächelt verschmitzt), sagen wir es mal so: Es ist eben sehr gut gelaufen. Wir haben nach nur zwei Jahren schon die Geschäftsziele erreicht und sogar weitaus überschritten, die wir uns vor Gründung der Bank für die ersten fünf Jahre vorgenommen hatten. Eine solche Entwicklung hatte keiner von uns erwartet.“

Georgien-News: „Haben Sie eine Erklärung für diesen Erfolg? In der öffentlichen Wahrnehmung heisst es doch immer, dass die georgische Wirtschaft völlig am Boden sei. Wie kann dann Ihre Bank eine solche Expansion hinlegen?“

Alexander von Gleich: „Am Boden liegen vor allem die Restbestände sozialistischer Grossindustrie, die auf dem Weltmarkt überhaupt nicht wettbewerbsfähig sind und in den meisten Fällen nur noch verschrottet werden können. Dagegen hat sich zunächst der Handel, dann aber auch kleine Produktionsanlagen und vor allem der Dienstleistungssektor entwickelt, alles Bereiche des klassischen Mittelstandes. Und dieser Mittelstand wird es auch sein, der wie bei uns in Deutschland, die wirtschaftliche Entwicklung voranbringt. Unser Bankkonzept und unsere Produkte sind eben direkt auf diese Zielgruppe zugeschnitten, wofür die georgischen Banken einfach keinen Draht haben. Im übrigen expandieren andere georgische Banken ja auch, nicht nur wir.“

Georgien-News: „Wie muss man sich Ihre Klientel vorstellen? Was für Leute sind das?“

Alexander von Gleich: „Das ist zunächst einmal der Handel, der noch immer knapp die Hälfte unserer Kredite abruft. Vor zwei Jahren sind wir mit 70 % Handelsanteil gestartet. Das heisst, wir haben unsere Klientel in die Bereiche Dienstleistung und Produktion ausgeweitet, was für die Entwicklung der georgischen Volkswirtschaft wichtig ist. Aber es fängt halt immer zunächst einmal mit dem Handel an. Der Handel generiert automatisch eine Nachfrage nach Service und Dienstleistungen. Und dann folgt die Produktion, kleinere Einheiten, keine grossen Kombinate. Bei uns in Deutschland liefert der Mittelstand rund 60 % der Arbeitsplätze und des Steueraufkommens. Dass sich hier eine ähnliche Entwicklung abzeichnet, ist nur normal und davon profitieren wir als Mittelstandsbank.“

Georgien-News: „Wir hätten es gerne konkret. Schildern Sie uns doch bitte ein paar Einzelbeispiele von Kreditnehmern, damit das für unsere Leser auch fassbar wird.“

Alexander von Gleich: „Gerne. Wir haben unter unseren Kunden zum Beispiel eine Schuhproduktion, Textilverarbeitung, Holzverarbeitung, Lebensmittelverarbeitung wie Bäckereien, Mühlen, Joghurt- und Käseproduktion, Fleischverarbeitung, Mineralwasserabfüllung, ein ganz schöner Branchenmix. Im Handel finanzieren wir nicht nur das Kapital für den Einkauf von Waren, wir haben einige Kredite für den Neubau von Shops zum Beispiel auf dem grossen Markt am Stadion ausgegeben. Hier zeigt sich am deutlichsten, dass die Kaufkraft steigt. Wir haben im letzten Jahr fünf oder sechs Geschäftspassagen finanziert, das sind insgesamt mehr als 1 Million $ Investition.“

Georgien News: „Sie können vielleicht die Bedeutung des grossen Marktes am Stadion einschätzen, wo derzeit wirklich ungeheuer gebaut und saniert wird. Als Laie und Gelegenheitsbesucher steht man ja staunend vor dem, was dort an Handel abgeht. Haben Sie ungefähr eine Vorstellung davon, was da täglich umgesetzt wird?“

Alexander von Gleich: „Da sind wir alle nur auf Vermutungen und Schätzungen angewiesen. Ich denke aber, dass hier täglich weitaus mehr als eine Million Lari umgesetzt werden.“

Georgien News: „Nennen Sie uns bitte noch ein paar Beispiele aus dem Dienstleistungssektor.“

Alexander von Gleich: „Im Dienstleistungssektor sind es Fahrzeuge, Marschroutkas, Restaurants und das Hotelgewerbe und verstärkt der medizinische Bereich. Da der Staat auf diesem Sektor total versagt, gehen immer mehr Ärzte dazu über, einzelne Bereiche von Krankenhäusern zu privatisieren und mit einem Kredit auf modernste Standards zu sanieren.“

Georgien-News: „Aber diese Privatärzte brauchen doch Patienten, die diese teure medizinische Dienstleistung auch bezahlen können.“

Alexander von Gleich: „Die gibt es anscheinend in immer grösserer Anzahl. Sonst würde sich das privat organisierte Gesundheitswesen nicht derart dynamisch zu entwickeln. Wir sprechen hier insbesondere über Zahnkliniken oder einige Frauenarztpraxen.“

Georgien-News: „Gut, die Privatwirtschaft boomt, zumindest in einigen Bereichen, während der Staat chronisch pleite ist, weil er vom Boom der Wirtschaft nichts abbekommt. Ein Großteil der Wirtschaft spielt sich im Schatten ab, Insider sprechen von bis zu 80 %.“

Alexander von Gleich: „Das ist ja das Dilemma des Landes, dass der Staat nicht in der Lage ist, Steuern einzutreiben. Das liegt aber vor allem am Steuersystem, das viel zu kompliziert und viel zu undurchsichtig ist und damit Schattenwirtschaft und Korruption begünstigt. Jeder weiss das.“

Georgien-News: „Und was wäre zu ändern?“

Alexander von Gleich: „Russland hat es vorgemacht mit einer radikalen Vereinfachung des Steuersystems, bei dem jeder Kleinunternehmer einen monatlichen vernünftigen Pauschalsteuerbetrag bezahlt, den er überblicken kann. Und damit hat es sich dann. So eine Lösung wäre für Georgien sicher auch überlegenswert.“

Georgien-News: „Die Gegner einer solchen Lösung würden jetzt mit dem Argument kommen, dass man bei keinem noch so einfachen Steuersystem die völlig unterentwickelte Steuermoral der Georgier ändern könne.“

Alexander von Gleich: „Das ist sicher ein Problem, dass bei einer solchen Lösung der Staat die Steuern auch wirklich eintreiben muss und Steuerhinterzieher gnadenlos mit Gefängnis bestraft. In Russland ist das möglich.“

Georgien-News: „Ohne Kaufkraft, die letztendlich Ihre Kredite finanziert, wäre das alles nicht möglich. Wo kommt diese Kaufkraft her, wenn viele Georgier arbeitslos sind oder nur 50 Lari im Monat verdienen? Das ist für viele Beobachter vo allem aus dem Ausland immer wieder ein Rätsel.“

Alexander von Gleich: „Jaja, das ist eines der grossen Geheimnisse dieses Landes. Ein Teil der Kraufkraft kommt sicher von Geldtransfers von Georgiern, die im Ausland, vor allem in Russland arbeiten. Wir wissen zum Beispiel, dass jährlich allein über Banktransfers stattliche Millionenbeträge aus Russland nach Georgien fliessen. Das ist nur eine von mehreren Transferquellen. Wieviel Geld in den Hosentaschen oder kleinen Koffern ins Land fliesst, kann niemand überschauen.“

Georgien News: „Das erklärt einiges. Zurück zur Bank und Ihrem Geschäft. Einem deutschen Mittelständler stehen alle Haare zu Berge, wenn er Ihre Zinssätze sieht: 16 bis 20 % für Euro-Kredite.“

Alexander von Gleich: „Georgien ist nicht Deutschland, die Risiken sind ungleich hoeher. Dafuer muessen wir eine Risikopraemie nehmen, die letztlich den hoeheren Zins erklaert. Von unserem georgischen Wettbewerb hören wir immer das Gegenteil. Da wird uns Zinsdumping vorgeworfen. Sicher ist das eine ganz schwierige Angelegenheit. Einmal sind auch für uns die Refinanzierungskosten wegen des Länderrisikos weitaus höher als in Deutschland, zum anderen liegt das lokale Zinsniveau weit über unseren Sätzen. Und wenn Sie sehen, dass der georgische Fiskus für dreimonatige Staatsanleihen derzeit etwa 60 % per anno bezahlt, dann liegen wir mit unseren Zinsen durchaus im Rahmen des Wettbewerbes. Im Gegenteil, wir denken, dass wir durchaus wettbewerbsfähig sind, das zeigt ja auch unsere Entwicklung.“

Georgien-News: „Lassen Sie uns das Pferd von der anderen Seite aufzäumen. In Georgien kann man im Bankengeschäft satt verdienen. Die grösste georgische Bank hat bei einem Eigenkapital von 9,8 Millionen Lari hübsche 10,1 Millionen Lari Jahresgewinn. Auch bei Ihnen dürften sich die Anteilseigner nicht über die Ertragskraft Ihrer Bank beklagen: 700.000 $ sind es im vergangenen Jahr, eine Eigenkapitalrendite von 16 %. Das werden Ihre Anteilseigner zu Hause nicht verdienen, da sind einstellige Quoten die Regel.“

Alexander von Gleich: „Geld verdienen ist ja wohl nichts Unanständiges, sondern der Geschäftszweck einer Bank. Und: Würden Sie ihr Geld einer Bank anvertrauen, die nur Verluste erwirtschaftet? Vielleicht dies vorab. Gerade bei uns als eine Mittelstands- und Konsumentenbank – wir geben ja auch gegen Pfandsicherheiten jede Menge an kleinster Konsumentenkredite aus, die wiederum Nachfrage schaffen – subventionieren wir die hohen Verwaltungskosten all dieser kleinen Kredite mit den Erträgen aus den grösseren Krediten. Das ist eine Quersubventionierung und deshalb sind unsere Gewinne ja auch vergleichsweise bescheiden. Aber das ist unser entwicklungspolitischer Auftrag. Im übrigen steht in der Satzung unserer Bank, dass in den ersten zwei Gewinnjahren keine Ausschüttungen erfolgen sondern der Gewinn thessauriert oder reinvestiert wird. Mit den Gewinnen des vergangenen Jahres können wir die Ausweitung unseres Filialnetzes vor allem ins Landwirtschaftsgebiet von Ostgeorgien aus eigener Kraft finanzieren und dort dann aktiver den Landwirtschaftssektor betreuen als bisher. Auch nach dem dritten Jahr dürfen höchstens 50 % der Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, die andere Hälfte verbleibt im Unternehmen.“

Georgien News: „Noch einmal – es wir ganz hübsch verdient im Bankengeschäft in Georgien.“

Alexander von Gleich: „Für unsere Gesellschafter zumindest kann ich Ihnen sagen, dass es ihnen weniger um Gewinnausschüttung geht. Zunächst einmal wollten wir die Bank so ertragreich gestalten, dass wir auf die anfänglich noch geleisteten Subventionen unserer Gesellschafter verzichten können. Das ist uns gelungen, nach nur zwei Jahren steht die Bank auf eigenen Beinen. Zum anderen wird es darum gehen, Schritt für Schritt die Bank in die Hände privater Investoren zu übergeben. Es ist nicht Aufgabe von Entwicklungsbanken wie der KfW, auf Dauer das Bankengeschäft in einem Land wie Georgien zu betreiben. Wenn Sie aber einen Investor interessieren wollen, müssen Sie gerade in einem Risikoland wie Georgien schon eine ertragreiche Bilanz vorlegen, sowie ueber Reserven als Absicherung gegen Ausfälle verfügen.“

Georgien News: „Der erste Schritt in diese Richtung ist ja getan. Seit einem Jahr ist die deutsche Commerzbank mit 15 % an der MBG beteiligt. Welche Perspektiven ergeben sich hieraus für Ihr Geschäft?“

Alexander von Gleich: „Zunächst einmal profitieren wir in allen internationalen Geldtransfers vom weltweiten Korrespondenzbankennetz der Commerzbank. Das bedeutet auch für unsere Kunden ein zusätzliches Leistungsangebot, das wir vorher nicht erbringen konnten. Ausserdem war es für die Reputation unserer Bank hier in Georgien sehr wichtig, dass eine grosse deutsche Privatbank dieses Investment eingegangen ist. Zum dritten – und das ist langfristig vielleicht das Wichtigste – wollen wir über die Commerzbank, die grosse deutsche Mittelstandsbank, an den Firmenbestand von rund 1,5 Millionen Betrieben herangehen, um doch den einen oder anderen Investor aus Deutschland zu einem Engagement in Georgien zu motivieren.“

Georgien.News: „Auch das hätten wir gerne etwas konkreter, damit wir das glauben können. derzeit ist doch Neigung deutscher Firmen, hier zu investieren, ausgesprochen zurückhaltend.“

Alexander von Gleich: „Wir sind in der Gesprächsphase, allerdings bereits in einem recht konkreten Stadium. Details kann ich Ihnen nicht nennen. Soviel kann ich allerdings sagen, es wird sich um einen Lebensmittelverarbeiter handeln, der zunächst einmal für den lokalen Markt produzieren will und dann für den Export. Damit würden wir dann auch für die Landwirtschaft einen sicheren Absatz organisieren, sodass wir auch die Gewissheit bekommen, dass unser geplantes Engagement in der Landwirtschaft auch erfolgreich wird.“

Georgien-News: „Ein abschliessendes Thema. Wenn Sie schon so hohe Kreditzinsen verlangen, wie sieht es dann mit den Sparzinsen aus?“

Alexander von Gleich: „Wir geben bis zu 9 % auf den Euro für einjähriges Festgeld. Das ist sicher auch für Leute aus Deutschland interessant, die vielleicht einen Teil Ihres Geldes hier anlegen wollen. Aus Deutschland haben wir bereits einige Spareinlagen, während das Vertrauen der Georgier, was die Zuverlässigkeit des Bankensektors angeht, in den letzten zehn Jahren durch mehrere Entwertungen und Bankencrashs gründlich erschüttert ist. Da wird es noch lange Zeit dauern, bis wir einigen Erfolg sehen.“

Georgien-News: „Herr von Gleich, wir bedanken uns für das Gespräch.“

Das Gespräch führte Rainer Kaufmann

 


Das Bankgebäude in der Tamar-Mepe-Strasse


Alexander von Gleich
geboren 16.6.67
Abitur in Hamburg 1985
Banklehre Dresdner Bank 1985-1987
Studium Volkswirtschaftslehre und Jura 1987-1995
Berater IPC in Russland 1995 bis 1997
Berater in Georgien fur EBRD Kreditlinie ab 1997
Aufbau der Mikrofinanz Bank in Georgien ab 1998General Direktor der Mikrofinanz Bank in Georgien ab 1999
verheiratet mit Nino, 28 Jahre, 2 Sohne , Sandro und Lukas
Hobbies: Fussball und Schach, Fide Meister

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