Guten Tag aus Deutschland,
Von wegen thematisches Sommerloch. In unserer heutigen Ausgabe finden
Sie - neben einer üppigen Fotostrecke und kulinarischen Neuigkeiten
- auch Artikel der schwergewichtigen Sorte, zum Beispiel: die klugen
Analysen des georgischen Kriminologen Giorgi
Glonti zum Thema Korruption. Jeder in und um Georgien spricht
darüber, jeder weiß genau, dass andere korrupt sind,
nur er nicht. Korrupt, so die gängige Lesart dieses themas,
ist insbesondere ein spezieller Familienclan, dem alles Übel
Georgiens anzulasten wird. Namen allerdings nennt kaum jemand. Dabei
ist die gesamte Gesellschaft des Landes tief verstrickt in eine
Lebensart, die man aus europäischer Sicht natürlich nur
als korrupt bezeichnen kann. Bei genauerem Hinsehen ist die georgische
Form der Korruption aber nichts anderes als ein in Jahrhunderten
erworbener Überlebensinstinkt, dem sich kaum jemand in dieser
auf eigene Art "vernetzten" Gesellschaft wirklich entziehen
kann. Und all diejenigen, die dem heutigen "heruntergekommenen"
Georgien vorrechnen, wie toll es doch hier zu Sowjetzeiten gewesen
sei, als die Georgier als die Paradiesvögel des Imperiums galten,
vergessen, dass der damalige Wohlstand nur einer einzigen Facette
der georgischen Lebensart geschuldet war, der Korruption. Unser
Gespräch mit dem Kriminologen zeigt, das Thema Korruption ist
derart vielschichtig, dass es mit wohlfeilen Klischees kaum abgehandelt
werden kann, geschweige denn gelöst. Die Frage bleibt: Kann
es überhaupt ein Georgien geben ohne Korruption? Ein ganzes
Volk, seine Elite, seine Bürokratie und sein Mittelstand, müsste
den Erfahrungsschatz von Jahrhunderten auf einmal über Bord
werfen. Ob wir, die wir die Plakate der westliche Werte von Demokratie
und Marktwirtschaft vor uns hertragen, noch attraktiv genug sind,
diese Kulturrevolution anzuzetteln? Berlusconi, Möllemann,
Kohl, die Kölner Müll-Connection oder die EU-Kommission
in Brüssel lassen grüßen.
Noch ein Thema, das in Georgien fast nur mit oberflächlichen
Klischees bedient wird: die Energiekrise. Mehrfach haben wir uns
bereits mit dem Thema Strom beschäftigt, heute geht es um
die Zukunft der Gasversorgung. Wenn alles
so klappt, wie sich das die georgische Regierung vorstellt, und
wenn es gelingt, das georgische Miss-Management im Energiebereich,
das viel zu tun hat mit dem Thema Korruption, zu überwinden,
dann kann es dem Land in relativ kurzer Zeit gelingen, eine zuverlässige
Gasversorgung aufzubauen. Eine TACIS-Untersuchung hat dazu die
Grundlagen geliefert.
Bei unseren Recherchen zum Thema Religionen in Georgien wollten
wir uns in dieser Ausgabe mit der katholischen Kirche beschäftigen
und fanden heraus, dass es wohl sinnvoller sei, sich zunächst
einmal mit einem speziellen Aspekt dieser großen Weltreligion
in Georgien zu befassen, der Caritas.
Was deren quirrliger Boss aus Polen mit Geld aus Europa und Übersee
in den letzten Jahren alles auf die Beine gestellt hat, verdient,
beachtet zu werden. Über die Katholiken und ihre Situation
im orthodoxen Umfeld berichten wir in einer späteren Ausgabe.
Dafür kommen wir nicht umhin, in unserer Background-Leiste
wieder einmal über die Baptisten zu berichten. Vor kurzem
ging eine ihrer Kirchen in Südgeorgien in Flammen auf. Unfall
oder Anschlag? Diesen - und andere Hintergrund-Berichte zu Politik
und Wirtschaft - reichen wir Anfang nächster Woche nach.
Wir bitten um etwas Geduld.
In dieser Woche waren wir zu stark mit der Vorbereitung für
den Tag der offenen Tür in der georgischen Botschaft beschäftigt,
wo wir eine große Foto-Wanderausstellung
präsentieren, die wir in einer Fotostrecke teilweise vorstellen.
Sie können diese Ausstellung jederzeit bei uns buchen und
in Ihrer Stadt oder Gemeinde präsentieren. Darüber mehr
in einer der nächsten Ausgaben. Bei dieser Veranstaltung,
an der viele ausländische Botschaften in Berlin teilnehmen,
präsentieren wir auch unser Internet-Magazin www.georgien-news.de
samt russischer Lizenzausgabe. Angesichts der gleichermaßen
sensiblen wie kritischen Themen, die wir immer wieder aufgreifen,
ist das alles andere als ein vordergründiges PR-Unternehmen
für Georgien. Bei aller Liebe zu Georgien und dem Kaukasus
werde wir uns auch weiterhin neben den Schönheiten des Landes,
für die es keine Schande ist, die Werbetrommel zu rühren,
seinen Problemen widmen, unabhängig und mit Hintergrund,
vor allem unabhängig davon, wem wir damit, wo auch immer,
auf die Füße treten.
Ein ständiger Diskussionsstoff ist das Thema Sicherheit
in Georgien. Auch dazu haben wir uns mehrfach geäußert
und werden es, allen regierungs- und gerüchteküche-amtlichen
Vorbehalten zum Trotz immer wieder tun: Bei einigermaßen
umsichtigen Verhalten ist Georgien als Reiseland nicht weniger
unsicher als jedes andere Reiseland. Und für einen erfahrenen
Reisenden ist seine Hauptstadt Tbilissi keinesfalls gefährlicher
als Berlin, Hamburg, Amsterdam oder Marseille. Dass die kleine
Gemeinde von "Expats" (expat kommt von Expatriots und
zumindest vom Wortstamm her nicht etwa von Experten) in Tbilissi,
die mangels Beschäftigungsalternativen jahraus, jahrein in
ein und demselben Informationssud herumköchelt, darüber
anders denkt, nehmen wir mit dem Ausdruck des tiefsten Unverständnisses
zur Kenntnis. Reisen ist eben immer irgendwie ein Risiko. Das
gilt natürlich auch für Georgien. Deshalb freut es uns,
dass sich die Sektion Bayernland der DAV-Jugend allen offiziellen
und halboffiziellen Interventionen zum Trotz dazu entschlossen
hat, ihre Kletterexpedition in den Kaukasus
nicht abzublasen, wie es von ihr gefordert worden war. Natürlich
gibt es für sie keine Garantie, etwa nicht überfallen
zu werden. Aber wer gibt diese Garantie in Berlin, Hamburg, Amsterdam
oder Marseille? In Swanetien jedenfalls haben die Organisatoren
das getan, was dort schon seit Jahrhunderten als beste Versicherung
gegen alle Unbill gilt, sie haben sich einem in der swanischen
Gesellschaft angesehenen und vertrauenswürdigen Gastgeber,
dem Leiter des Alpinistencamps Sess`cho von Lentechi anvertraut.
Das ist nach unserer Erfahrung das beste, was man tun kann. Der
Unterzeichner dieses Briefes hat im Bürgerkriegsjahr 1993
seine erste deutsche Reisegruppe nach Georgien und auch für
zwei Tage nach Swanetien geführt, und das ohne jedes Sicherheitsproblem.
Unser swanischer Gastgeber damals: der Leiter des Alpinistencamps
Sess`cho. Wir werden über den Verlauf der Expedition berichten
und wünschen den jungen Kletterern aus Deutschland viel Erfolg
und Berg Heil.
Die kulinarischen Spalten dieser Ausgabe haben viel mit dem Angebot
unseres Partners www.gourmantis.de
zu tun. Nach monatelangem Hickhack um Zertifikationen und Zollformalitäten
ist es dem Delikatessen-Versandhändler in Bad Vilbel gelungen,
erstmals georgischen Wein nach Deutschland
zu importieren. Damit dürfte für Liebhaber des georgischen
Weines jetzt eine dauerhafte Versorgung sichergestellt sein, denn,
soweit wir das Gras im Taunus wachsen hören, wird die nächste
Lieferung schon recht bald auf die Reise geschickt werden. Die
Nachfrage vor allem der Ethno-Gastronomie in Deutschland ist mehr
als positiv. Darüber dürfen wir uns auch mal freuen,
haben wir uns doch seit gut einem Jahr immer wieder in Artikeln
und vielen Hintergrundgesprächen dieses Themas angenommen.
Und wenn Sie jetzt noch unsere Rezepte mit den vier
tollen Adschikas aus Georgien nachkochen, dann kann ein weiteres
Lieblingsprojekt von uns vorankommen: Georgische Delikatessen.
Da gibt es noch viel zu entdecken.
Viele Grüße aus Bruchsal
Rainer Kaufmann
PS.: Vielleicht sehen wir uns am 5. Juli beim Tag der offenen
Tür in der georgischen Botschaft?
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