Ausgabe 11/03
1. Juli


Pater Withold Zzulczynski ist ein ungewöhnlicher Gottesmann, zumindest in Georgien. Er ist erstens Pole, zweitens Katholik und drittens ist er mehr Geschäftsführer als Seelsorger. Pater Withold bewegt den Etat einer mittelständischen Firma, beschäftigt rund 200 Menschen und ist für viele Menschen in Not nahezu unersetzlich. Pater Withold ist Generaldirektor der georgischen Caritas, des Vatikans Manager fürs Soziale im orthodoxen Georgien also.

Einspruch, würde Pater Withold jetzt sagen, Einspruch, da komme ein völlig falscher Zungenschlag in die Beschreibung seiner Tätigkeit. Der Vatikan ist weit und mit der georgischen Orthodoxie pflegt die Caritas ein außerordentlich gutes Verhältnis. "Wie sortieren diejenigen, denen wir helfen, nicht nach ihrer Religion oder gar nach Nationalität. Wir helfen allen, die in Not sind und zu uns kommen." Höchstens zwei Prozent der Klientel von Pater Withold hat denselben Taufschein wie er und dass er die Finanzkraft der Caritas benutzen würde, um unter den Ärmsten der Armen für seine Religion zu missionieren, kann ihm niemand nachsagen. Also dürfen wir den Vatikan getrost einmal vergessen und uns um all das kümmern, was Pater Withold in Georgien so umtreibt. Und das ist eine ganze Menge, denn dass er ein umtriebiger Manager wäre, dem kann Pater Withold nun wirklich kaum widersprechen.

Der knapp 50-jährige Theologe aus Polen ist seit 1993 in Georgien. Zunächst organisierte er LKW-Transporte aus Italien und Deutschland nach Gldani, wo vor allem Flüchtlinge aus Abchasien unterstützt wurden. Lebensmittel wurden verteilt und Waren, die zum Überleben einfach notwendig waren. Anfangs waren es 4.500 Flüchtlinge, die bei Pater Withold registriert waren, am Ende 9.800. Allein aus Deutschland, finanziert von Caritas, Misereor und Renovabis, kamen monatlich drei bis vier LKWs mit Hilfsgütern. Nach einem Jahr schon stellte Pater Withold die aufwendigen LKW-Transporte aus Europa ein, kaufte selbst einen LKW und ließ sich von seinen europäischen Partnern das Geld für Einkäufe auf dem georgischen Markt geben. Vier Jahre lang war einer der größten Einkäufer im Lande von Kartoffeln, Kohl und Gemüse, das er an rund 10.000 Flüchtlinge verteilen ließ. Mehrere 100.000 US-$ hat er in dieser Zeit nebenbei in die georgische Landwirtschaft gepumpt.

Da viele Menschen, vor allem ältere, jedoch kaum Geld hatten für Strom oder Gas, wurden Suppenküchen eingerichtet. Heute unterhält die Caritas in ihrem Haus für Kinder, einem Zentrum zur Betreuung von Straßenkindern und Kindern aus sozial schwachen Familien, das gerade ausgebaut wird, eine zentrale Suppenküche für alte und alleinstehende Menschen. Rund 400 Leute erhalten dort täglich eine warme und kostenlose Mahlzeit. Einmal pro Woche kocht die Caritas auch für die Kinderheime in Kaspi und Kodschori, um den ansonsten etwas einseitigen Speiseplan der Waisenhäuser wenigstens gelegentlich mit reichhaltigerer Kost zu ergänzen.

In der Nähe des Dynamostadions unterhält die Caritas eine Medizin-Station, in der bedürftige Menschen kostenlos betreut werden. Drei Ärztinnen stehen zur Verfügung, früher war hier auch die Frau des damaligen deutschen Botschafters, Annabell von Arnim-Baas, eine Medizinerin, im freiwilligen Einsatz. So etwas vergessen Pater Withold und seine "Kunden" nicht so schnell. Withold selbst ist zweimal in der Woche selbst in der Poli-Klinik, um Menschen in Not mit Rat und Tat zu helfen, der Manager braucht diese Bodenhaftung zu seinem Job. Tausende von Hilfsgesuchen erhielten er und seine Leute über Ministerien, Behörden, Parlamentarier oder einfach über betroffene Bürger selbst. Mit vielen Freiwilligen, die die Antragsteller of vor Ort besuchen, lässt Pater Withold die tatsächliche Bedürftigkeit der Leute überprüfen. Im Jahr 2002 waren 1.182 Patienten registriert, 10.819 einzelne Behandlungstermine stehen auf der Statistik, dazu 379 Personen, die vom medizinischen Hausdienst der Caritas besucht wurden. Nüchterne Zahlen aus dem Jahresbericht der Caritas, Pater Withold kennt die Schicksale, die sich hinter ihnen verbergen.

Ein ganzes Jahrzehnt ist Pater Withold jetzt in Georgien, da muss die Frage einfach kommen, was sich denn in dieser Zeit alles verändert habe. Vieles und wiederum nichts, ist das Fazit Witholds. Heute könne man in Tbilissi alles kaufen, vor zehn Jahren hätte es noch nicht einmal ausreichend Brot gegeben. Mit dieser einfachen Feststellung umschreibt Pater Withold, dass sich doch einiges im Lande zu Guten gewendet haben muss, wenngleich ihm sofort einfällt, dass nur ein geringer Teil der Bevölkerung an dieser Entwicklung teilhaben kann. Irgendetwas müsse faul sein, wenn er die vielen Paläste im Lande sehe, die sich Privatpersonen bauen können, während die Kinder anderer Leute sterben müssten, weil deren Eltern nicht einmal die 150 $ für eine Notbehandlung im Krankenhaus aufbringen könnten. Solch starke sozialen Gegensätze, wie sie sich in Georgien innerhalb nur eines Jahrzehnts aufgebaut hätten, habe er noch nirgendwo gesehen. In seinen Beratungsstunden in der Poliklinik muss Pater Withold immer wieder erleben, wie Leute mit Krankenhaus-Kostenvoranschlägen von 700 - 1.000 $ für Operationen zu ihm kämen, die noch nicht einmal ihre Rente von 20 GEL im Monat erhielten. Irgendetwas, wie gesagt, müsse in dieser Gesellschaft faul sein, was das sei, könne er aber nicht entscheiden. Und damit, bitte, genug der politischen Diskussion.

Es gibt nämlich noch viel zu berichten über die Aktivitäten der georgischen Caritas, nicht nur in Tbilissi. Besonders stolz ist Pater Withold, dass es ihm gelungen ist, das notwendige Geld für ein Programm im äußersten Südwesten Georgiens aufzutreiben, der Region Samtsche-Dschawacheti. Dort wird die Caritas in einem dreijährigen Programm das Versorgungssystem von Trinkwasser für knapp 26.000 Menschen rehabilitieren.

In Kutaissi wurde ein Jugendzentrum eröffnet und eine Caritas-eigene Bäckerei, womit wir beim Titel unserer Geschichte über den Caritas-Manager wären: "Unser täglich Brot ...."


Denn auch in Tbilissi unterhält die Caritas eine eigene Bäckerei samt Pizzeria, die Panetteria auf dem Nutzubidse-Plateau, ein Projekt, das dem Sozial-Manager einen Alptraum nach dem anderen bescherte. Die funkelnagelneue Bäckerei, ein Musterbetrieb in Georgien, bietet italienische Brotsorten, Kuchen und in der Konditorei allerhand Süßwaren, aus deren Sortiment nahezu jeder Diplomatenempfang der oberen Preisklasse in Tbilissi bestückt wird. Und kaum einer weiß, dass er mit dem Verzehr der leckeren Torteletten die katholische Caritas unterstützt, denn die Bäckerei des Vatikans schreibt mittlerweile schwarze Zahlen. Es sei nicht leicht gewesen, dieses Ziel zu erreichen, sagt Pater Withold heute, schließlich sei ein gelernter Priester nun nicht ein gelernter Geschäftsmann. Aber der Mann fürs Soziale lernte schnell, dass er keine andere Chance hatte, als sich von Mitarbeitern zu trennen, die den Sozialbegriff ihres Arbeitgebers Caritas etwas zu großzügig und vor allem in ihrem Sinne und Eigennutz ausgelegt hatten. "Das Schwierigste war, gute und ehrliche Mitarbeiter zu finden, jetzt haben wir sie.

Alpträume müssen dem kirchlichen Manager, der im Bäckereigebäude sein Caritas-Hauptquartier hat, auch der tägliche Kampf mit georgischen Behörden bereitet haben. Viel will er sich zu diesem Thema nicht entlocken lassen, was jeder versteht, der den real existierenden georgischen Geschäfts- und Bürokratiealltag kennt. Trotzdem rutscht es ihm an einer anderen Stelle, als wir über die vielen privaten Paläste reden, heraus. Zwanzig mal im Monat seien Steuerinspektoren in seiner Bäckerei, um deren Bücher zu prüfen. "Wer prüft denn, wo das Geld für solche Schlösser her kommt?". Stopp, genug mit der politischen Diskussion, Pater Withold ist kein Politiker. Seine Aufgabe ist es, den Menschen zu helfen.

Und diese Aufgabe macht ihm, allen Widerwärtigkeiten des georgischen Alltags zum Trotz, noch immer recht viel Spaß. Im Jugendzentrum in Tbilissi sollen einmal 100 Straßenkinder Aufnahme finden. Ein Krankenschwestern-Hausdienst versorgt Patienten, die bettlägrig sind. In einem Kunsthandwerksstudio werden 40 Kinder in der Tradition des Teppichwebens ausgebildet. Und so weiter, und so fort: Obdachlosenhaus der Mutter-Theresa-Schwestern, wo sogar der Papst während seines Georgienbesuchs wohnte. Ein Obdachlosenheim in Batumi, verschiedene Medizinprojekte im ganzen Land. Seit Jahren Sommerferien in Bakuriani für Stadtkinder und Waisenheimkinder. Lebensmittelhilfe für Landwirte, die unter der Trockenheit des letzten Jahres zu leiden hatten. Reparaturen an Schulen, die vom Erdbeben beschädigt waren. Pater Withold könnte nicht aufhören, die Projekte seiner Organisation aufzuzählen, würde ihn, den Sozial-Manager nicht der nächste Termin rufen. "Ich bin Gott dankbar, dass ich das machen darf. Jeden Tag." Sagt er noch, bevor er uns kurz durch die Bäckerei im Erdgeschoss führt, die Bäckerei, die ihm Caritas-Freunde aus Italien geschenkt haben. Wenn er gewusst hätte, sagt er heute, welche Probleme auf ihn mit dieser Bäckerei zukommen würden, er hätte das Projekt vermutlich nicht begonnen. Aber er sagt auch: "Wenn man will, kann man alles lernen". Auch den Umgang mit der Tatsache, dass sich in Georgien nicht nur Theologen um unser täglich Brot kümmern.........

Bleibt nur noch, nachzutragen, dass sich Pater Withold bei allen Caritas-Organisationen in Europa für die jahrelange finanzielle Hilfe bedankte, speziell bei den italienischen und deutschen.








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