Pater Withold Zzulczynski ist ein ungewöhnlicher Gottesmann,
zumindest in Georgien. Er ist erstens Pole, zweitens Katholik und
drittens ist er mehr Geschäftsführer als Seelsorger. Pater
Withold bewegt den Etat einer mittelständischen Firma, beschäftigt
rund 200 Menschen und ist für viele Menschen in Not nahezu
unersetzlich. Pater Withold ist Generaldirektor der georgischen
Caritas, des Vatikans Manager fürs Soziale im orthodoxen Georgien
also.
Einspruch, würde Pater Withold jetzt sagen, Einspruch, da
komme ein völlig falscher Zungenschlag in die Beschreibung
seiner Tätigkeit. Der Vatikan ist weit und mit der georgischen
Orthodoxie pflegt die Caritas ein außerordentlich gutes
Verhältnis. "Wie sortieren diejenigen, denen wir helfen,
nicht nach ihrer Religion oder gar nach Nationalität. Wir
helfen allen, die in Not sind und zu uns kommen." Höchstens
zwei Prozent der Klientel von Pater Withold hat denselben Taufschein
wie er und dass er die Finanzkraft der Caritas benutzen würde,
um unter den Ärmsten der Armen für seine Religion zu
missionieren, kann ihm niemand nachsagen. Also dürfen wir
den Vatikan getrost einmal vergessen und uns um all das kümmern,
was Pater Withold in Georgien so umtreibt. Und das ist eine ganze
Menge, denn dass er ein umtriebiger Manager wäre, dem kann
Pater Withold nun wirklich kaum widersprechen.
Der knapp 50-jährige Theologe aus Polen ist seit 1993 in
Georgien. Zunächst organisierte er LKW-Transporte aus Italien
und Deutschland nach Gldani, wo vor allem Flüchtlinge aus
Abchasien unterstützt wurden. Lebensmittel wurden verteilt
und Waren, die zum Überleben einfach notwendig waren. Anfangs
waren es 4.500 Flüchtlinge, die bei Pater Withold registriert
waren, am Ende 9.800. Allein aus Deutschland, finanziert von Caritas,
Misereor und Renovabis, kamen monatlich drei bis vier LKWs mit
Hilfsgütern. Nach einem Jahr schon stellte Pater Withold
die aufwendigen LKW-Transporte aus Europa ein, kaufte selbst einen
LKW und ließ sich von seinen europäischen Partnern
das Geld für Einkäufe auf dem georgischen Markt geben.
Vier Jahre lang war einer der größten Einkäufer
im Lande von Kartoffeln, Kohl und Gemüse, das er an rund
10.000 Flüchtlinge verteilen ließ. Mehrere 100.000
US-$ hat er in dieser Zeit nebenbei in die georgische Landwirtschaft
gepumpt.
Da viele Menschen, vor allem ältere, jedoch kaum Geld hatten
für Strom oder Gas, wurden Suppenküchen eingerichtet.
Heute unterhält die Caritas in ihrem Haus für Kinder,
einem Zentrum zur Betreuung von Straßenkindern und Kindern
aus sozial schwachen Familien, das gerade ausgebaut wird, eine
zentrale Suppenküche für alte und alleinstehende Menschen.
Rund 400 Leute erhalten dort täglich eine warme und kostenlose
Mahlzeit. Einmal pro Woche kocht die Caritas auch für die
Kinderheime in Kaspi und Kodschori, um den ansonsten etwas einseitigen
Speiseplan der Waisenhäuser wenigstens gelegentlich mit reichhaltigerer
Kost zu ergänzen.
In der Nähe des Dynamostadions unterhält die Caritas
eine Medizin-Station, in der bedürftige Menschen kostenlos
betreut werden. Drei Ärztinnen stehen zur Verfügung,
früher war hier auch die Frau des damaligen deutschen Botschafters,
Annabell von Arnim-Baas, eine Medizinerin, im freiwilligen Einsatz.
So etwas vergessen Pater Withold und seine "Kunden"
nicht so schnell. Withold selbst ist zweimal in der Woche selbst
in der Poli-Klinik, um Menschen in Not mit Rat und Tat zu helfen,
der Manager braucht diese Bodenhaftung zu seinem Job. Tausende
von Hilfsgesuchen erhielten er und seine Leute über Ministerien,
Behörden, Parlamentarier oder einfach über betroffene
Bürger selbst. Mit vielen Freiwilligen, die die Antragsteller
of vor Ort besuchen, lässt Pater Withold die tatsächliche
Bedürftigkeit der Leute überprüfen. Im Jahr 2002
waren 1.182 Patienten registriert, 10.819 einzelne Behandlungstermine
stehen auf der Statistik, dazu 379 Personen, die vom medizinischen
Hausdienst der Caritas besucht wurden. Nüchterne Zahlen aus
dem Jahresbericht der Caritas, Pater Withold kennt die Schicksale,
die sich hinter ihnen verbergen.
Ein ganzes Jahrzehnt ist Pater Withold jetzt in Georgien, da
muss die Frage einfach kommen, was sich denn in dieser Zeit alles
verändert habe. Vieles und wiederum nichts, ist das Fazit
Witholds. Heute könne man in Tbilissi alles kaufen, vor zehn
Jahren hätte es noch nicht einmal ausreichend Brot gegeben.
Mit dieser einfachen Feststellung umschreibt Pater Withold, dass
sich doch einiges im Lande zu Guten gewendet haben muss, wenngleich
ihm sofort einfällt, dass nur ein geringer Teil der Bevölkerung
an dieser Entwicklung teilhaben kann. Irgendetwas müsse faul
sein, wenn er die vielen Paläste im Lande sehe, die sich
Privatpersonen bauen können, während die Kinder anderer
Leute sterben müssten, weil deren Eltern nicht einmal die
150 $ für eine Notbehandlung im Krankenhaus aufbringen könnten.
Solch starke sozialen Gegensätze, wie sie sich in Georgien
innerhalb nur eines Jahrzehnts aufgebaut hätten, habe er
noch nirgendwo gesehen. In seinen Beratungsstunden in der Poliklinik
muss Pater Withold immer wieder erleben, wie Leute mit Krankenhaus-Kostenvoranschlägen
von 700 - 1.000 $ für Operationen zu ihm kämen, die
noch nicht einmal ihre Rente von 20 GEL im Monat erhielten. Irgendetwas,
wie gesagt, müsse in dieser Gesellschaft faul sein, was das
sei, könne er aber nicht entscheiden. Und damit, bitte, genug
der politischen Diskussion.
Es gibt nämlich noch viel zu berichten über die Aktivitäten
der georgischen Caritas, nicht nur in Tbilissi. Besonders stolz
ist Pater Withold, dass es ihm gelungen ist, das notwendige Geld
für ein Programm im äußersten Südwesten Georgiens
aufzutreiben, der Region Samtsche-Dschawacheti. Dort wird die
Caritas in einem dreijährigen Programm das Versorgungssystem
von Trinkwasser für knapp 26.000 Menschen rehabilitieren.
In Kutaissi wurde ein Jugendzentrum eröffnet und eine Caritas-eigene
Bäckerei, womit wir beim Titel unserer Geschichte über
den Caritas-Manager wären: "Unser täglich Brot
...."
Denn auch in Tbilissi unterhält die Caritas eine eigene
Bäckerei samt Pizzeria, die Panetteria auf dem Nutzubidse-Plateau,
ein Projekt, das dem Sozial-Manager einen Alptraum nach dem anderen
bescherte. Die funkelnagelneue Bäckerei, ein Musterbetrieb
in Georgien, bietet italienische Brotsorten, Kuchen und in der
Konditorei allerhand Süßwaren, aus deren Sortiment
nahezu jeder Diplomatenempfang der oberen Preisklasse in Tbilissi
bestückt wird. Und kaum einer weiß, dass er mit dem
Verzehr der leckeren Torteletten die katholische Caritas unterstützt,
denn die Bäckerei des Vatikans schreibt mittlerweile schwarze
Zahlen. Es sei nicht leicht gewesen, dieses Ziel zu erreichen,
sagt Pater Withold heute, schließlich sei ein gelernter
Priester nun nicht ein gelernter Geschäftsmann. Aber der
Mann fürs Soziale lernte schnell, dass er keine andere Chance
hatte, als sich von Mitarbeitern zu trennen, die den Sozialbegriff
ihres Arbeitgebers Caritas etwas zu großzügig und vor
allem in ihrem Sinne und Eigennutz ausgelegt hatten. "Das
Schwierigste war, gute und ehrliche Mitarbeiter zu finden, jetzt
haben wir sie.
Alpträume müssen dem kirchlichen Manager, der im Bäckereigebäude
sein Caritas-Hauptquartier hat, auch der tägliche Kampf mit
georgischen Behörden bereitet haben. Viel will er sich zu
diesem Thema nicht entlocken lassen, was jeder versteht, der den
real existierenden georgischen Geschäfts- und Bürokratiealltag
kennt. Trotzdem rutscht es ihm an einer anderen Stelle, als wir
über die vielen privaten Paläste reden, heraus. Zwanzig
mal im Monat seien Steuerinspektoren in seiner Bäckerei,
um deren Bücher zu prüfen. "Wer prüft denn,
wo das Geld für solche Schlösser her kommt?". Stopp,
genug mit der politischen Diskussion, Pater Withold ist kein Politiker.
Seine Aufgabe ist es, den Menschen zu helfen.
Und diese Aufgabe macht ihm, allen Widerwärtigkeiten des
georgischen Alltags zum Trotz, noch immer recht viel Spaß.
Im Jugendzentrum in Tbilissi sollen einmal 100 Straßenkinder
Aufnahme finden. Ein Krankenschwestern-Hausdienst versorgt Patienten,
die bettlägrig sind. In einem Kunsthandwerksstudio werden
40 Kinder in der Tradition des Teppichwebens ausgebildet. Und
so weiter, und so fort: Obdachlosenhaus der Mutter-Theresa-Schwestern,
wo sogar der Papst während seines Georgienbesuchs wohnte.
Ein Obdachlosenheim in Batumi, verschiedene Medizinprojekte im
ganzen Land. Seit Jahren Sommerferien in Bakuriani für Stadtkinder
und Waisenheimkinder. Lebensmittelhilfe für Landwirte, die
unter der Trockenheit des letzten Jahres zu leiden hatten. Reparaturen
an Schulen, die vom Erdbeben beschädigt waren. Pater Withold
könnte nicht aufhören, die Projekte seiner Organisation
aufzuzählen, würde ihn, den Sozial-Manager nicht der
nächste Termin rufen. "Ich bin Gott dankbar, dass ich
das machen darf. Jeden Tag." Sagt er noch, bevor er uns kurz
durch die Bäckerei im Erdgeschoss führt, die Bäckerei,
die ihm Caritas-Freunde aus Italien geschenkt haben. Wenn er gewusst
hätte, sagt er heute, welche Probleme auf ihn mit dieser
Bäckerei zukommen würden, er hätte das Projekt
vermutlich nicht begonnen. Aber er sagt auch: "Wenn man will,
kann man alles lernen". Auch den Umgang mit der Tatsache,
dass sich in Georgien nicht nur Theologen um unser täglich
Brot kümmern.........
Bleibt nur noch, nachzutragen, dass sich Pater Withold bei allen
Caritas-Organisationen in Europa für die jahrelange finanzielle
Hilfe bedankte, speziell bei den italienischen und deutschen.
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