Ausgabe 15/02, 9. Okt. Archiv
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Es kam wie schon einmal in diesem Jahr. Nach heftigem Getöse und einer unglaublichen Propagandaschlacht in den Medien treffen sich die beiden Präsidenten Putin und Schewardnadse am Rande eines GUS-Gipfels und plötzlich liest sich alles ganz anders, plötzlich ist die Luft raus. Russland habe keinerlei aggressiven Intentionen gegenüber Georgien, erklärte Putin am Sonntag spät abends in der moldawischen Hauptstadt Kischniew seinem georgischen Gegenüber bei dem mit Spannung erwarteten Vieraugengespräch. Keine Rede mehr von einseitigen Militäraktionen Russlands, keine Forderung mehr nach Beteiligung russischer Einheiten an den Operationen im Pankisi, dafür Übereinstimmung, die angeschlagenen Beziehungen wieder auf Vordermann bringen zu wollen. Das Thema Pankisi kann als nahezu abgearbeitet gelten, nachdem sogar der russische Verteidigungsminister Iwanow in der moldawischen Hauptstadt vor Presevertretern einräumen musste, die Situation an der georgisch-russischen Grenze sei ruhig.

Was jetzt noch kommt, ist Feinarbeit, den sich die Geheimdienste Georgiens und Russlands aufteilen, die Amerikaner sind ja längst auch mit von der Partie im Pankisi. Denn noch sollen ein paar von allen Seiten dringlichst gesuchte Verbrecher im Tal sein, je nach Diktion und Tageserfordernis auch Terroristen genannt. Die Russen haben den Georgiern eine Liste von fünf Personen gegeben, von denen noch vier unentdeckt im Pankisi sein sollen, und die sie unbedingt haben wollen, da sie verschiedener Sprengstoffattentate auf Wohnhäuser in Moskau verdächtigt werden. Die Amerikaner sollen noch auf die Verhaftung eines Mannes drängen, den sie dringend suchen. Und dann steht ja noch der Fall Peter Shaw zur längst versprochenen Lösung an, von dem georgische Sicherheitsminister immer wieder mal behaupten, er werde noch im Pankisi festgehalten, ohne jedoch irgendeinen Beweis für diese Behauptung vorzulegen.

Der weiseste Mann Russlands

Georgien hat zunächst einmal alles getan, um das Treffen mit Putin richtig vorzubereiten. Die Sicherheitsoperationen im Pankisital dauern an, internationale Beobachter bis hin zu einer Delegation der Parlamentarischen Versammlung der NATO haben den Georgiern bestätigt, ganze Arbeit verrichtet zu haben. In der vergangenen Woche trafen sich Moskauer Georgier, u.a. auch der georgische Botschafter in Russland und der bekannte Bildhauer Tsereteli, beim Moskauer Patriarchen, der demonstrativ die Einigkeit der orthodoxen Brüder Georgien und Russland forderte. Kurz danach übergaben georgische Sicherheitsbehörden 5 der 13 Tschetschenen, die sie im August an der georgisch-russischen Grenze festgenommen hatten, in einer rechststaatlich recht zweifelhaften Aktion an Russland.

Und am Samstag erwies Eduard Schewardnadse noch kurz vor seiner Abreise zum GUS-Gipfel mit einer Kranzniederlegung am Grab des russischen Diplomaten Gribojedow auf dem Tbilisser Pantheon der Moskauer Diplomatie seine Reverenz. Die feiert in diesen Tagen den 200. Geburtstag ihres Aussenministeriums und Schewardnadse, selbst einmal Chef dieser Mammutbehörde in Moskau, nahm den Termin zum Anlass, einen der wichtigsten historischen Mittler zwischen Russland und Georgien mit einem Kranz zu ehren. Alexander Puschkin nannte den 1829 ermordeten Wissenschaftler und Diplomaten, der auf seinen testamentarischen Wunsch in Tbilissi begraben wurde, den "weisesten Mann Russlands". Manchmal sind es eben die kleinen Gesten, die mithelfen, grosse Politik vorzubereiten.

Dass er bei dieser Gelegenheit seinen russischen Kollegen zu einem Besuch Georgiens einlud, mag wohl weniger zur versöhnlichen Stimmung des Moldawien-Treffens der beiden beigetragen haben. Eine Georgienreise kann sich der russische Präsident derzeit nicht leisten. Dazu wurde die Stimmung vor allem in den russischen Medien viel zu sehr gegen Georgien aufgeheizt. Trotzdem konnte die georgische Staatskanzlei schon am Montag morgen erklären, die Stimmung zwischen Schewardnadse und Putin sei weitaus besser gewesen sei, als man erwarten konnte. Putin habe sich als pragmatische Person mit konstruktiven Vorschlägen erwiesen. Kurz nach der Rückkehr Schewardnadses nach Tbilissi machte denn recht schnell die Einschätzung die Runde, der georgische Staatschef sei stolz darauf, sich immer auf das Wort Putins verlassen zu haben. Denn der Mann habe beim Tete-a-tete seine Zusage noch einmal bestätigt, dass es keine russischen Aggressionen gegen Georgien geben werde. Dass er angesichts der Bockigkeit seiner eigenen Generalität gelegentlich öffentlich anders auftreten müsse, wird in Tbilissi verstanden. Ein sachlicher Putin, mit dem man Absprachen treffen könne, ist den Georgiern noch immer lieber als etwa ein unberechenbarer General oder Nationalist vom Schlage Schirinowksis an der Spitze des Kreml. Wenn es denn seiner Machtposition nütze, dürfe er dann auch hin und wieder mal verbal ausrasten. Zumal die Reaktion der Internationalen öffentlichkeit auf die Putin`schen Eruption auch seinem Generalstab nicht verborgen geblieben kann. Die Staatengemeinschaft hat sich unisono gegen jeden Versuch Moskaus ausgesprochen, gegenüber Georgien gewalt anzuwenden.

Tauwetter auf höchster Ebene

Das nüchterne Ergebnis des nächtlichen Plauschs von Kishniew, soweit es bis jetzt erkennbar ist, ist kurz erzählt: Putin hat seine Rede vom 11. September und die darin gemachten Vorwürfe an Georgien nicht wiederholt. Beide Seiten wollen die Zusammenarbeit ihrer Sicherheitsdienste aktivieren. Das ist nichts Neues, sie koooperieren mitunter recht zuverlässig. Darüber hinaus ist von gemeinsamen Grenzschutz-Patrouillen entlang der georgisch-russischen Grenze die Rede. Und alle tschetschenischen Kämpfer, die sich in georgischem Gewahrsam befinden, sollen an Russland ausgeliefert werden. Aus russischer Sicht eigentlich ein bescheidenes Ergebnis nach all dem Lärm, der da in den letzten Wochen veranstaltet worden war. Trotzdem kam Schewardnadse seinem russischen Kollegen mit der Bewertung entgegen, dass Georgien einige der Bedingungen erfüllen werde, die Russland sinnvollerweise von Georgien einfordere und die auch im Interesse Georgiens lägen. Der Ältere von beiden hatte kein Problem damit, seinem jüngeren Kollegen, der einen Tag später seinen 50. Geburtsag feierte, ein klein wenig Vorschuss in Sachen Augenhöhe zu geben.

Dass das diplomatische Tauwetter auf höchster Ebene schon auf die Arbeitsebene durchgedrungen ist, lässt sich an zwei Meldungen ableiten, die sicher nicht ganz zufällig am Tage nach dem Präsidentengipfel über die Agenturen liefen. Zum einen ist man in Moskau davon überzeugt, dass die Bahnlinie durch Abchasien bald wieder in Betrieb genommen werden kann. Moskau und Tbilissi würden intensiv an der Lösung dieser Frage arbeiten, verlautbarte der russische Transportminister. Zum anderen soll die Arbeit der gemeinsamen Kommission zur Festlegung des genauen Grenzverlaufs zwischen Georgien und Russland, die seit Mai nicht mehr getagt hat, wieder aufgenommen werden. Beide Kommissionen erwarteten sich von dem Kishniew-Treffen wichtige Impulse. Und der englisch sprachige Georgian Messenger meldete an Putins Geburtstag, dass die Russen die Besetzung ihrer beiden Militärbasen in Georgien um rund 1.000 Mann reduzieren würden.

Der nächste Gipfel kommt bestimmt

Wichtige Impulse darf man sich von diesem Treffen auch in der Abchasienfrage erwarten. Obwohl das Thema öffentlich kaum behandelt werden wird, dürfte es in Kishniew auf der Tagesordnung gestanden haben. Denn beide Präsidenten wissen, dass die Hitzköpfe auf beiden Seiten nach der Beruhigung im Pankisital ein neues Betätigungsfeld suchen. Das Kodorital bietet sich dafür bestens an. In den Medien wird bereits heftig aufgerüstet. Wie man in Tbilissi hört, schalten sich derzeit insbesondere die Amerikaner recht massiv in die Verhandlungen um Abchasien ein, jedenfalls viel aktiver als früher. Das mag den Hardlinern in Moskau wiederum nicht allzu sehr gefallen, man darf aber davon ausgehen, dass die USA ihr Versprechen, sich um die Stabilität im Kaukasus zu bemühen, auch einhalten werden.

So ist in Regierungskreisen von Tbilissi denn auch zu hören, US-Diplomaten hätten im Vorfeld des GUS-Gipfels und natürlich im Hintergrund wesentlich zur entspannten Atmosphäre zwischen den beiden Präsidenten beigetragen. Eduard Schewardnadse, der alte Fuchs, hat wohl im Spiel zwischen Russland und den USA auf die richtige Karte gesetzt, ohne den Herzbuben aus Moskau zu demütigen. Ob ihm sein neuer Kreuzbube aus Washington auch bei der nächsten Runde der georgisch-russischen Auseinandersetzung helfen kann, ist allerdings fraglich. Diese steht am 12. Oktober an, wenn in einem Qualifikationsspiel zu Fussball-Europameisterschaft in Tbilissi die georgische Legionärs-Nationalmannschaft ausgerechnet auf Russland trifft. Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel.


Lesen Sie zu diesem Thema in dieser Ausgabe:

Fünf Tschetschenen als Morgengabe

Doppelzüngige Moral

Das Hornberger Schiessen



Zum Thema Pankisital finden Sie im GN-Archiv mehrere Artikel, die einen guten Überblick über die Entwicklung des Themas vermitteln.

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