Doppelzüngige
Moral
Auszüge
aus der Rede des georgischen UN-Botschafters Revaz Adamia vor dem
UN-Sicherheitsrat am 4. Oktober 2002 zu den georgisch-russischen
Spannungen
Der georgische UN-Botschafter Revaz Adamia hielt am 4. Oktober eine
Rede vor dem UN-Sicherheitsrat, der eine Konferenz ZUM Thema "Gefahr
des Friedens und der Sicherheit durch terroristische Akte"
abhielt. GN hat Auszüge aus der Rede Adamias übersetzt,
in der der Diplomat schonungslos mit der aus georgischer Sicht doppelzüngigen
russischen Aussenpolitik abrechnet. Die Rede zeigt, wie sich die
georgische Diplomatie gegen die russische Medien-Kampagne gegenüber
Georgien zur Wehr setzt.
"Herr Präsident,
lassen Sie es mich ehrlich und offen ansprechen: Was haben all
unsere (vorher erwähnten, Anm. d. Übers.) Überlegungen
und Beiträge in dieser Kammer für einen Wert, wenn Russland,
ein beständiges Mitglied des Sicherheitsrates, sich darin
gefällt, mein Land einem täglichen Terror auszusetzen,
der Andeutung und Androhung von Gewalt? Die fortgesetzte anti-georgische
Hysterie in Russlands Massenmedien wird angeheizt durch die Beschuldigung,
Georgien würde nicht gegen den Terrorismus kämpfen sondern
vielmehr ihn dulden.
Ich bitte um Ihre Nachsicht, Herr Präsident, aber manchmal
hat es den Anschein, dass alle Teilde der UN-Charta, die die Aufgaben
des Sicherheitsrates beschreiben, von den Entscheidern in Russland
völlig aus dem Gedächtnis gestrichen werden.
Um eine objektive Darstellung der Entwicklung zu geben und jeglichen
Zweifel an ihr auszuräumen will ich mich alleine auf die
Fakten beziehen. In unserer Verantwortung entsprechend der Resolution
1273(2001), wonach wir alle terroristischen Aktivitäten zu
unterdrücken und zu vermeiden haben, haben wir eine antiterroristische
und antikriminelle Operation im Pankisital begonnen und beendet.
Diese Operation, die von dem US State Department und der OSZE
gelobt wurde, wäre niemals möglich gewesen ohne die
entschiedene Unterstützung der Vereinten Staaten. Wir haben
mittlerweile die volle Kontrolle über das Gebiet wiedergewonnen
und sind in der Lage, zu berichten, dass sich kein tschetschenischer
Kämpfer, kein des Terrorismus Verdächtigter und auch
kein Söldner mehr im Tal befindet. 41 Personen wurden verhaftet
und zwei Boewiks wurden bei der Operation getötet.
Wir haben unseren Beitrag geleistet. Wie der Präsident von
Georgien erklärt hat, besteht das Pankisi-Problem nicht mehr.
Um diese Situation verifzieren zu können, haben wir internationale
Kontrollen eingeladen und wir sind bereit, Repräsentanten
und Gruppen von jedem interessierten Staat oder internationalen
Behörde oder Organisation zu empfangen, um eine maximale
Transparenz der dortigen Situation herstellen zu können.
Der erste Schritt hat bereits stattgefunden: Mitlgieder der parlamentarischen
Versammlung der NATO haben das Tal besucht und festgestellt, dass
es frei von jeglichen bewaffneten Menschen ist und dass die Regierung
die volle Kontrolle in der Region ausübt.
Aber wir werden nach wie vor angeschuldigt, unseren Verpflichtungen
nicht nachzukommen, insbesondere, wir würden tschetschenische
Boewiks laufen lassen, die später, 150 km entfernt vom Pankisital,
tief im russischen Territorium durch russische Kräfte entdeckt
wurden. Die Anschuldigungen an Georgien sind in diesem Zusammenhang
unbegründet. Im Gegenteil, es wäre weitaus sinnvoller,
die russischen Grenztruppen und Militärs zu fragen, wie es
geschehen kann, dass bewaffnete Gruppen durch russisches Territorium
unbehelligt nach Tschetschenien einsickern können und erst
im letzten Moment entdeckt werden.
Herr Präsident,
das georgische Pankisital ist ein kleiner Geländestreifen,
der von friedfertigen Menschen bewohnt ist. Wir würden niemals
erlauben, in diesem Tal exzessive Gewalt anzuwenden wie es in
Tschetschenien geschah. Dies würde ein Übergreifen des
Konflikts auf Georgien bedeuten. Deswegen hat es etwas Zeit gebraucht.
Aber wir müssen nochmals daran erinnern, es gibt keine bewaffneten
Leute mehr in dem Tal.
Lassen Sie mich offen ausdrücken: Tschetschenen sind Russlands
Bürger und der Konflikt dort ist eine interne Angelegenheit
Russlands. Es ist eine Tatsache, dass Präsident Schewardnadse
der erste war, der Russlands territoriale Integrität unterstützte.
1999 wurde die absichtliche Vertreibung der tschetschenischen
Kämpfer nach Georgien als ein Erfolg des russischen Militärs
bewertet. Jetzt, nachdem diese Bürger Russlands in ihr Land
zurückgekehrt sind, werden wir der Verletzung internationaler
Normen beschuldigt. Wa ist da die Logik? Was hat sich seither
verändert? Darf der Terrorismus unterschiedlich bewertet
werde je nach Russlands Belieben? Betrifft dies etwa nicht Russlands
Aufgabe als Mitlgied der globalen Anti-Terror-Koalition?
Ich muss jetzt ein weiteres Beispiel dieser aussergewöhnlichen
Logik anfügen. Der Fall eines der am höchst notorischen
internationalen Terroristen Igor Giorgadse, der wegen verschiedener
versuchter Anschläge auf Präsident Scheeardnadse gesucht
wird, ist eine Art Lakmus-Test des Beitrags Russlands.
Igor Giorgadse ist seit sieben Jahren auf der Flucht und wird
von Russland seither beherbergt. Unzählige Auslieferungsanträge
sowohl von Georgien als auch von Interpol wurden niedergeschlagen,
da die russischen Sicherheitsbehörden seinen Aufenthaltsort
nicht kennen. Der Appell des US-Kongresses von 1999 an die Behörden
der Russischen Föderation, den Terroristen auszuliefern,
lief ins Leere. Zur gleichen Zeit wurde Giorgadse mehrfach in
Begleitung von russischen Diensten, Sicherheitsleuten und hochrangigen
Militärs gesehen und wurde zu einem immer wieder gesehenen
Gesicht in den russischen Medien. Georgadse wurde es erlaubt,
das russische Fernsehen und Printmedien schamlaos dafür zu
benutzen, zum Sturz der demokratisch gewählten Regierung
Georgiens aufzurufen. Dieses wiederholte Benutzen der russischen
medien durch einen international gesuchten Terroristen und Kriminellen
ist ohne Beispiel in der nachsowjetischen Welt. Erst vor zwei
Tagen ist er wieder im russischen Staatsfernsehen aufgetaucht.
Wie lange kann man die Doppelmoral eines Landes, das ein permanentes
Mitglied des Sicherheitsrates ist, das reich an Geschichte und
Kultur, die einem eigentlich nur Achtung abverlangen können,
noch ertragen?
Herr Präsident,
ich muss Ihre Aufmerksamkeit noch auf die schmerzlichste Frage
in den georgisch-russischen Beziehungen lenken, den Abchasienkonflikt.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Abchasien seine de-facto Unabhängigkeit
nur dem massiven Eingreifen und der Unterstützung durch russisches
Militär und Spezialdienste verdankt.
Wie sieht dort die Situation aus?
Alle Mitglieder der Gruppe der Freunde des Generalsekretärs
in Georgien sind in Sorge darüber, dass das Papier zur Aufteilung
der Kompetenzen zwischen Tbilissi und Suchumi, das zusammen mit
der Gruppe in den letzten zwei Jahren ausgearbeitet wurde und
das jüngst übereinstimmend akzeptiert wurde, bis heute
den beiden Seiten nicht ausgehändigt werden konnte. Auch
für morgen, wenn sich die Freundesgruppe mit Repräsentanten
der abchasischen Separatistenführung trifft, wurde die Übergabe
des Papiers erneut vertagt. Wir können nicht anders, als
darüber unser Bedauern auszudrücken.
Zum Thema Kodorital können wir in voller Verantwortung erklären,
dass Georgien alle seine Verpflichtungen eingehalten hat. Noch
mehr, wir sind für volle Transparenz und laden alle interessierten
Parteien, internationalen Organisationen und andere ein, das Tal
zu besuchen mit dem Ziel der Verifizierung.
In diesem Zusammenhang habe ich zu unterstreichen, dass die gefährlichsten
Entwicklungen sich rund um das Tal abspielen, wo nach unserern
gesicherten Erkenntnissen abchasisches Militär mit russischen
Söldnern konzentriert wwird, um eine Attacke gegen das von
Georgien kontrollierte Gebiet vorzubereiten. Der jüngst dank
der Obstruktion der russischen Friedenstruppen und der abchasischen
Seite gescheiterte Versuch der UNOMIG, Kontrollen im Tal durchzuführen,
gibt uns die Gewissheit, dass -und hier übertreibe ich nicht
- diese Kräfte zu jeder Minute Provokationen begehen können,
die im Endergebnis zu Feindseligkeiten führen können.
Ich wünschte, hier Schluss machen zu können. Aber ich
habe auf die Tatsache hinzuweisen, dass nahezu 80 % der abchasischen
Bevölkerung in den Genuss eines Passes der russischen Föderation
gekommen sind. Diese Entwicklung hat am Ende zu einer einzigartigen
Situation geführt, in der Russland alle Möglichkeiten
besitzt: Es ist Vermittler im Friedensprozess, es stellt die einzigen
Friedenstruppen in der Region, in der die überwiegende Mehrheit
der Bevölkerung Bürger Russlands sind. So, wer ist nun
Partei in diesem Konflikt? Sicher nicht mehr die abchasische Seite.
Herr Präsident,
Abchasien und die Tschinwali/Süd Ossetien sind Regionen Georgiens,
die degeneriert sind zu Zonen der Gesetzlosigkeit, wo schwere
Menschenrechtsverletzungen und Terror ein normales Leben ersetzt
haben. Das abchasische Separatistenregime stützt sich auf
ethnische Säuberung von der früher überwiegend
georgischen Bevölkerung, indem 300.000 von ihnen aus ihren
Wohnplätzen vertrieben wurden. Es ist eine Tatsache, die
wir klar vor Augen haben müssen, dass die Situation in diesen
Regionen eine Brutstätte darstellt für Terrorismus,
Grogenhandel und illegalen Waffenschmuggel.
Herr Präsident,
wir hegen die Hoffnung, dass das Gute überlebt. Wir sind
stolz auf das Erbe freundschaftlicher Beziehungen zwischen den
Völkern Russlands und Georgiens. Wir werden uns um eine Freundschaft
mit dem grossen russischen Volk bemühen, die auf Ebenbürtigkeit
und gegenseitigem Respekt beruht, nicht auf Anschuldigungen und
beständigen Täuschungen. Deswegen appellieren wir an
die russischen Machthaber, von ihrem Terror gegen einen befreundeten
Nachbarstaaten, seine Bevölkerung uns seinen Präsidenten
abzulassen. Jede militärische Aktion gegen mein Land wird
katastrophale Erschütterungen im Kaukasus auslösen.
Wir appellieren an den Sicherheitsrat, solches nicht zuzulassen.
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