Ausgabe 15/02, 9. Okt. Archiv
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Wie das Hornberger Schiessen
GN-Kommentar zum Treffen Putin-Schewardnadse

Das kleine Schwarzwaldstädtchen Hornbach darf sich mit einigem Recht um eine Städtepartnerschaft mit Moskau bewerben. Denn der am 11. September von Putin ausgelöste Streit um das Pankisital endete nämlich wie das sogenannte Hornberger Schiessen. Um einen hohen Gast würdig begrüssen zu können, hatten die Schützen aus der Ortenau das Ehrensalut solange geübt, bis ihnen, als der Gast schliesslich erschien, die Munition ausgegangen war. Seither spricht man vom Hornberger Schiessen, wenn eine Sache gross aufgemotzt wird und am Ende wenig oder gar nichts dabei herauskommt.

Nicht viel anders erging es dem Kremlherrn. Als er nach vierwöchigem Imponiergehabe am vergangenen Wochenende mit seinem georgischen Kollegen zusammentraf, hatte er nicht mehr allzuviel Munition im Köcher, um den Druck auf Georgien weiter aufrechtzuerhalten. Das Pulver war verschossen und die Streitsache Pankisi wurde relativ geräuschlos aus der Welt geschafft. Und das ohne grösseren Gesichtsverlust des Kremlherrn vor seinen Generalen. Schewardnadse war klug genug, dem Kremlchef jede nur mögliche Brücke zu bauen, um den Graben, den dieser zwischen sich und seinem Tbilisser Kollegen aufgerissen hatte, überwinden zu können.

Natürlich muss man sich jetzt fragen, ob denn der ganze Aufwand wirklich gerechtfertigt war. Der Sache wegen sicher nicht. Das war allen, die sich im Pankisital auskennen, von Anfang an klar. Es ging bei dem Putin`schen Parforceritt eher um ein innenpolitisches Mannöver als um einen wirklich ernst gemeinten Versuch, in Georgien einzumarschieren. Die russische Generalität führt ein Eigenleben und musste vom moderaten Macher im Kreml mit einer publikumswirksamen Aktion an die Leine genommen werden, bevor durch militärisches Säbelrasseln weiterer aussenpolitischer Schaden drohte. Die Generale wiederum haben das Thema Pankisi deshalb so heiss gekocht, weil sie damit leicht von ihrem eigenen Totalversagen in Tschetschenien ablenken konnten. Das alles war bestens inszeniert und keiner weiss, ob nicht entsprechende Stellen in Georgien und vermutlich auch in Washington von Anfang über den wahren Addressaten des Putin`sche Monologs von Sotschi eingeweiht waren. Wenn man den Ablauf der letzten Wochen Revue passieren lässt, dann erscheint einiges so gut aufeinander abgestimmt, dass man den Gedanken an einen grossen Regisseur im Hintergrund kaum verdrängen kann, der dem ganzen Treiben des russischen Generalstabes im Südkaukasus ein ebenso dramatisches wie wirkungsvolles Ende setzen wollte. Wenn dem so gewesen wäre, eine nahezu perfekte Politinszenierung.

In Russland und im Kaukasus ist Politik weit von der Transparanz und Nüchternheit entfernt, mit der sie bei uns - noch - betrieben wird. Und in beiden Ländern sind die Menschen weitaus weniger informiert über die Dinge, die um sie herum vorgehen als bei uns. Das macht sie anfälliger für politische Täuschungsmannöver. Das macht aber auch, dass Politik kaum rational erklärt wird, dass kaum jemand auf politische Prozesse vorbereitet ist. Politik wird meist bombastisch inszeniert und grosse Entscheidungen bedürfen immer auch grosser Events, um sie verkaufen zu können. Das Putin`sche Pankisi-Solo auf der Provinz-Bühne von Sotschi gehört zu diesen grossen Events der letzten Monate. Ohne ihn würden sich die Laienschauspieler des Moskauer Generalstabes im Kaukasus weiter in Szene setzen können. Jetzt ist der Vorhang wohl endgültig gefallen, das Pankisital hat die Chance, wieder der Vergessenheit anheim fallen zu dürfen, in der es über Jahrhunderte vor sich hinschlafen konnte. Und das ist gut so.

Übrigens: Die Absage des nordrhein-westfälischen FDP-Parteitages wegen der plötzlichen Herzbeschwerden des ansonsten oberforschen 18-%-Fallschirmspringers aus Münster ist nicht weniger Oscar-verdächtig als das, was wir im Kaukasus in den letzten Wochen und Monaten rund um das Pankisi erlebt haben.

Rainer Kaufmann

 
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