Ausgabe 15/02, 9. Okt. Archiv
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Fünf Tschetschenen als Morgengabe an Putin
Auslieferung tschetschenischer Häftlinge an Russland ist umstritten

Im georgisch-russischen Nerven- und Propagandakrieg sind 13 tschetschenische Häftlinge, die im August beim Versuch, die georgisch-russische Grenze von Georgien aus zu überqueren, festgenommen wurden, zwischen alle Fronten geraten und dienen beiden Seiten als Spielbälle im diplomatischen Ping-Pong. Fünf dieser Häftlinge wurden am frühen Freitag Morgen an Russland übergeben, ganz offensichtlich als georgische Morgengabe an den russischen Präsidenten Putin kurz vor dem mit Spanung erwarteten GUS-Gipfel im moldawischen Kischniew. Insbesondere Menschenrechtsgruppen haben harsche Kritik an der Auslieferung geübt, unterstützt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der - von den Verteidigern der Tschetschenen angerufen - die georgische Regierung unmissverständlich aufforderte, von den Auslieferungen abzusehen. Im Pankisital war es wegen der Auslieferungen zu Protestaktionen der lokalen Bevölkerung zusammen mit tschetschenischen Flüchtlingen gekommen, einige tschetschenische und kistische Frauen haben auch vor einem Gefängnis in Tbilissi mit wütenden Protesten auf die Auslieferung reagiert.

Der georgische Staatspräsident erklärte demgegenüber kurz vor seinem Abflug nach Kischniew, dass das Auslieferungsverfahren legal sei, da den fünf Tschetschenen in Russland weitaus schwerere Verbrechen zur Last gelegt würden als in Georgien. In Georgien kann man sie nur wegen versuchten Grenzverletzung und unerlaubtem Waffenbesitz anklagen. Schewardnadse hielt seinen Kritikern entgegen,das Land würde durch diese Auslieferung keineswegs ruiniert.

Wie ernst es den georgischen Behörden war, Russland mit der Auslieferung der Tschetschenen ein Zeichen der Kooperationsbereitschaft zu geben, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass es bei der Abführung der fünf aus der Untersuchungshaft zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen ist. Menschenrechtsorganisationen beklagen sich darüber, dass einige Tschetschenen bei dieser Aktion von maskierten georgischen Polizisten brutal geschlagen worden seien. Die Polizei wiederum erklärte, diese Tschetschenen hätten Widerstand gegen ihre Auslieferung geleistet und den hätte man brechen müssen.

Der Verteidiger von zwei Tschetschenen erklärte, dass seine Mandanten bereit seien, die härteste Strafe anzunehmen, wenn sie von einem georgischen Gericht ausgesprochen würde, aber um ihr Leben fürchteten, wenn sie nach Russland ausgeliefert würden. Die gesamte Auslieferungsaktion wurde von den Anwälten als illegal bezeichnet, zumal bei einigen der Tschetschenen noch nicht einmal die Identität einwandfrei geklärt sei. Russlands Auslieferungsantrag richte sich gegen unbekannte Personen. "Die Auslieferung wurde als Geheimaktion durchgeführt, die Anwälte waren nicht eingeweiht worden, es wird ihnen bis heute noch nicht erlaubt, mit den Gefangenen zu sprechen", erklärte einer der Verteidiger. Ausserdem habe man der Verteidigung keine Einsicht in das 700 Seiten starke Material gegegen, mit dem der russische Generalstaatsanwalt die Auslieferung begründete. Die gesamte Auslieferungsaktion wird von den Verteidigern als illegal bezeichnet, sie verstosse gegen alle Gesetze Georgiens und entsprechende internationale Konventionen.

Dass Georgien mit der raschen Auslieferung von Gefangenen durchaus Erfahrung besitzt, ist der Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben. Im Juli wurde ein Arrestant an Russland übergeben, der terroristischer Angriffe in Russland verdächtigt wurde. Im Oktober vergangenen Jahres wurden bereits 13 Personen an Russland ausgeliefert, die von Russland nach Georgien eingedrungen waren. Und bei der Pankisi-Aktion der vergangenen Wochen sollen auch ein paar Gefangene ohne jede grössere Auslieferungsprozedur direkt an die USA übergeben worden sein. Im Pankisital arbeiten die Geheimdiesnte Georgiens, Russlands und Amerikas hinter den Kulissen der georgisch-russischen Eiszeit Hand in Hand.

Das Schicksal der übrigen acht tschetschenischen Häftlinge ist ungewiss. Sicher ist, dass sie sich nicht sicher sein können, nicht doch noch an Russland ausgeliefert zu werden. Wie aus Kischniew zu erfahren war, hat Putin wohl unmissverständlich die Auslieferung der restlichen acht Tschetschenen verlangt. Der russische Generalstaatsanwalt erklärte zwar, die Georgier würden diese Tschetschenen nicht ausliefern, da ihre Identität nicht geklärt sei. Die georgische Nachrichtenagentur Civil Georgia zitiert demgegenüber eine Quelle aus der georgischen Generalstaatsanwaltschaft, dass sich die Sicherheitsorgane beider Seiten längst darüber einig seien, die Gefangenen auszuliefern. Es sei aber Sache der Politiker, den Zeitpunkt der Aktion festzulegen.

Die Auslieferung hat das bisher recht gute georgisch-tschetschenische Verhältnis belastet. Tschetschenische Demonstranten warfen Schewardnadse Verrat vor und drohten ihm mit persönlichen Konsequenzen, wenn auch nur einer der Tschetschenen in russischer Haft ums Leben käme. Der tschetschenische Präsident Maschadow bezeichnete die Aktion als einen Fehler Georgiens, dem er angesichts des russischen Genozids an seinem Volk eine bisher respektable Haltung bescheinigte. Jetzt habe man sich aber dem Druck des gemeinsamen Feindes, der "Kreml-Verbrecher" gebeugt. Maschadow forderte Georgien auf, keine weiteren Auslieferungen mehr zuzulassen, um das georgisch-tschetschenische Verhältnis vor schlimmem Schaden zu bewahren. Die Tschetschenen würden nie vergessen, dass Tausende ihrer Flüchtlinge in Georgien Unterschlupf gefunden hätten. Maschadow rief vor allem auch seine Landskleute in Georgien auf, besonnen zu reagieren und sich nicht zu Provokationen hinreissen zu lassen.

Am Samstag abend überraschte dann das georgische Justizministerium die Öffentlichkeit mit der Nachricht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Freitag die georgische Regierung angewiesen habe, die Auslieferung der Tschetschenen zu unterlassen. Der Beschluss, den die Verteidiger der Tschetschenen angestrengt haben, sei Georgien per Fax zugeleitet worden. Nach dieser eindeutigen Stellungnahme aus Strassburg hat sich auch die georgische Menschenrechtsbeauftragte, Nana Devdariani, in der Öffentlichkeit gezeigt mit der Bemerkung, dass sich durch diese Auslieferung das Recht zum Gefangenen der Politik gemacht habe. Hätte sie von dem Antrag der Verteidigung an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte früher gewusst, hätte sie alles getan, die Entscheidung der georgischen Regierung vom Freitag morgen zu verhindern. Frau Devdariani meldete ihren ernsten Widerstand gegen die Auslieferung der übrigen Gefangenen an.


 
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