Guten Tag aus Deutschland,
Da hilft jetzt wirklich kein Drumrumreden mehr: Die real existierende
georgische Demokratie ist derzeit in einer Verfassung, dass man
eher den Mantel gnädigen Schweigens über all das zu decken
versucht ist, was einem derzeit an georgischer Innenpolitik vorgeführt
wird, als dass es sich lohnte, davon zu berichten. Eine politische
Klasse und ein Parlament, die noch nicht einmal in der Lage sind,
ein Wahlgesetz zu verabschieden, nachdem ihnen der große Freund
Amerika eine Gouvernante in Form eines präsidialen Sonderbeauftragten
zur Seite stellte, haben es nicht verdient, sonderlich ernst genommen
zu werden. Lesen Sie dazu unseren Background-Bericht: Kindergarten
oder Staatstheater?.
Ansonsten gehen wir den Sommer in einiger Urlaubsstimmung an:
Erfreuen Sie sich an unseren Fotostrecken aus Georgien
und Armenien und an einem Bericht vom
Tag der Offenen Tür in der georgischen
Botschaft in Berlin mit einem prominenten Meister der Sorte
von Kaffee, von der Teutonen nicht wissen, ist sie türkischer
oder griechischer Herkunft. Vermutlich ersteres, denn in allen
Ländern, Georgien eingeschlossen, die einst unter türkischer
Herrschaft litten, hat sich die muselmanische Art des Kaffee-Kochens
erhalten. Dass die Griechen diese Kunst jedoch besser beherrschen
als die Türken, liege daran, dass sich die Türken dem
Kaffee abwendeten und sich stärker mit der Kunst des Teekochens
beschäftigten, während sich die Griechen auf den Kaffee
konzentrierten. All dies haben wir in der georgischen Botschaft
erfahren, wo der aus Tbilissi bekannte "turkuli kava"
jedenfalls recht griechisch daherkam.
Positiv überrascht waren wir vom "Restaurant
Genazvale" in Berlin, dem ersten original georgischen
Speiserestaurant in der deutschen Hauptstadt. Wenngleich es die
georgische Küche sicher schwer haben wird, sich gegen alle
internationale Konkurrenz zu behaupten, ist man im Genazvale wohl
auf einem recht guten Weg, sich in Deutschland mit georgischen
Gerichten zu etablieren.
Die deutsche Fußballbundesliga hat sie wieder, die georgischen
Ballzauberer vom SC "Dynamo"
Freiburg, wenngleich sich einer von ihnen, Lewan Kobiaschwili,
mittlerweile in den deutschen Fußballwesten weggemacht hat.
Schade eigentlich, denn die drei vom Kaukasus waren eine feste
Größe beim Wiederaufsteiger aus dem Schwarzwald. Jetzt
sinds halt nur noch zwei: Lewan Tskitischwili und Alexander Iaschwili.
Wir haben die Jungs beim Training besucht und uns ausgiebig mit
ihrem Meister Volker Finke, einem der interessantesten deutschen
Fußballlehrer, unterhalten. Zur Ergänzung empfehlen
wir das aktuelle Finke-Gespräch im "Spiegel" dieser
Woche.
Mit dieser Ausgabe geht das zweimonatige Redaktions-Asyl in Deutschland
zu Ende, heute Nacht um 24.00 Uhr starte ich mit einem PKW auf
die rund 4.500 km lange Fahrt von Bruchsal nach Tbilissi. Über
den Verlauf dieser Reise werde ich dann in der nächsten Ausgabe
berichten. Meine Reiseroute: Brenner - Ancona - Fähre Igoumenitza
- Saloniki - Istanbul - Erzurum - Posof - Achalziche.
Bis dann in Tbilissi.
Rainer Kaufmann
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