Ausgabe 12/03
23. Juli
Guten Tag aus Deutschland,

Da hilft jetzt wirklich kein Drumrumreden mehr: Die real existierende georgische Demokratie ist derzeit in einer Verfassung, dass man eher den Mantel gnädigen Schweigens über all das zu decken versucht ist, was einem derzeit an georgischer Innenpolitik vorgeführt wird, als dass es sich lohnte, davon zu berichten. Eine politische Klasse und ein Parlament, die noch nicht einmal in der Lage sind, ein Wahlgesetz zu verabschieden, nachdem ihnen der große Freund Amerika eine Gouvernante in Form eines präsidialen Sonderbeauftragten zur Seite stellte, haben es nicht verdient, sonderlich ernst genommen zu werden. Lesen Sie dazu unseren Background-Bericht: Kindergarten oder Staatstheater?.

Ansonsten gehen wir den Sommer in einiger Urlaubsstimmung an: Erfreuen Sie sich an unseren Fotostrecken aus Georgien und Armenien und an einem Bericht vom Tag der Offenen Tür in der georgischen Botschaft in Berlin mit einem prominenten Meister der Sorte von Kaffee, von der Teutonen nicht wissen, ist sie türkischer oder griechischer Herkunft. Vermutlich ersteres, denn in allen Ländern, Georgien eingeschlossen, die einst unter türkischer Herrschaft litten, hat sich die muselmanische Art des Kaffee-Kochens erhalten. Dass die Griechen diese Kunst jedoch besser beherrschen als die Türken, liege daran, dass sich die Türken dem Kaffee abwendeten und sich stärker mit der Kunst des Teekochens beschäftigten, während sich die Griechen auf den Kaffee konzentrierten. All dies haben wir in der georgischen Botschaft erfahren, wo der aus Tbilissi bekannte "turkuli kava" jedenfalls recht griechisch daherkam.

Positiv überrascht waren wir vom "Restaurant Genazvale" in Berlin, dem ersten original georgischen Speiserestaurant in der deutschen Hauptstadt. Wenngleich es die georgische Küche sicher schwer haben wird, sich gegen alle internationale Konkurrenz zu behaupten, ist man im Genazvale wohl auf einem recht guten Weg, sich in Deutschland mit georgischen Gerichten zu etablieren.

Die deutsche Fußballbundesliga hat sie wieder, die georgischen Ballzauberer vom SC "Dynamo" Freiburg, wenngleich sich einer von ihnen, Lewan Kobiaschwili, mittlerweile in den deutschen Fußballwesten weggemacht hat. Schade eigentlich, denn die drei vom Kaukasus waren eine feste Größe beim Wiederaufsteiger aus dem Schwarzwald. Jetzt sinds halt nur noch zwei: Lewan Tskitischwili und Alexander Iaschwili. Wir haben die Jungs beim Training besucht und uns ausgiebig mit ihrem Meister Volker Finke, einem der interessantesten deutschen Fußballlehrer, unterhalten. Zur Ergänzung empfehlen wir das aktuelle Finke-Gespräch im "Spiegel" dieser Woche.

Mit dieser Ausgabe geht das zweimonatige Redaktions-Asyl in Deutschland zu Ende, heute Nacht um 24.00 Uhr starte ich mit einem PKW auf die rund 4.500 km lange Fahrt von Bruchsal nach Tbilissi. Über den Verlauf dieser Reise werde ich dann in der nächsten Ausgabe berichten. Meine Reiseroute: Brenner - Ancona - Fähre Igoumenitza - Saloniki - Istanbul - Erzurum - Posof - Achalziche.

Bis dann in Tbilissi.

Rainer Kaufmann


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