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Ausgabe 12/03
23. Juli


Obwohl genügend Exil-Georgier in Deutschland leben, gibt es kaum eine nennenswerte georgische Gastronomie in der Bundesrepublik. Das liegt zum einen an der georgischen Küche, die ihren Reiz sowohl aus dem traditionellen Ritual eines georgischen Gastmahls als auch aus der Vielfalt der auf dem Tisch aufgefahrenen Speisen bezieht. Das liegt zum anderen aber auch daran, dass es kaum einem Georgier bisher gelungen ist, georgische Speisen an europäische Essgewohnheiten, vor allem den Essgewohnheiten in Restaurants, anzupassen. Dazu bedarf es nämlich eines gewissen Einfühlungsvermögens und es bedarf der Einsicht, dass georgische Speisen außerhalb ihres Ursprungslandes einfach ein wenig anders präsentiert werden müssen als zu Hause, will man die Menschen das Gastgeberländer als Stammkunden gewinnen und nicht nur die eigenen Landsleute.

Bei dem einen oder anderen Versuch, Georgien in Deutschland kulinarisch zu etablieren, waren diese Einsichten mehr oder weniger unterentwickelt. Jetzt gibt es ein georgisches Restaurant in Berlin, in dem ganz offensichtlich versucht wird, aus den Fehlern anderer zu lernen und sich dem kulinarischen Umfeld anzupassen, mit einiger Aussicht auf Erfolg, wie der Testbesuch von www.georgien-news.de ergab. Das Restaurant ist erst seit einigen Monaten eröffnet, es liegt in der Windscheidstraße, einer Nebenstraße der Kantstraße im Stadtteil Charlottenburg. Das ist eine durchaus gute Adresse in Berlin, eine Adresse auch, auf der man sich gegen allerhand Wettbewerb behaupten muss.

"GENAZVALE" heißt das Restaurant, was man auf deutsch vielleicht mit "Zum gutem Kumpel" übersetzen könnte. Jedenfalls haben wir die Erklärung des Wortes Genazvale durch den Inhaber so verstanden. Goga Kuraschwili heißt er, kommt aus Tbilissi und lebt seit 1990 in Deutschland. Aus privaten Gründen ist er damals in die Bundesrepublik gekommen, nicht, wie viele seiner Generation, aus politischen Erwägungen. Der frühere Rugby-Profi hat Betriebswirtschaft studiert und einige Jahre Erfahrung in der Gastronomie in Deutschland gesammelt, bis er jetzt das "GENAZVALE" eröffnete.

Trotz aller Versuche, mit ein paar folkloristischen Dekorationen etwas georgisches Flair in die Kneipe zu zaubern, kann man in dem Restaurant nicht übersehen, dass es vor seiner Entdeckung durch den Kaukasus einmal einer anderen Nation zum kulinarischen Auftritt diente: Italien. Aber Goga Kuraschwili hat gut daran getan, den Charakter des Restaurants zu belassen. Wenn ein Original unmöglich ist, sind kleine Andeutungen - ein paar Pirosmani-Kopien und hie und da ein kaukasisches Zupfinstrument - zusammen mit einer Galerie georgischer Weine völlig hinreichend. Mehr wirkt da schnell peinlich. Wichtig ist ohnehin, was auf den Tisch kommt. Und da hat sich Goga Kuraschwili einen durchaus erfolgversprechenden Trick einfallen lassen.

Denn eine Speisekarte, mit der sich ein deutscher Gast der Vielfalt der georgischen Vorspeisen, die er kaum kennen kann, hilflos ausgeliefert fühlt, ist bei einigen anderen Versuchen, georgische Küche in Deutschland einzuführen, fehl geschlagen. Wenn der Kunde bei der Bedienung erst einmal einen halbstündigen Nachhilfekurs in Speisen und ihren Zutaten belegen muss, bevor er sich auszuwählen traut, ist es mit der Bereitschaft, sich auf eine kulinarische Entdeckungsreise zu begeben, schnell vorbei. Außerdem ist die Tradition der georgischen Vorspeisen, die gleich serienweise auf den Tisch kommen, kaum zu vereinbaren mit einer europäischen Speisekarte, auf der alles seinen eigenen Preis haben muss. Da würde die Vielfalt der Vorspeisen eher abschrecken als animieren.

So bietet das GENAZVALE ganz einfach nur fünf Hauptgerichte an, zu denen es aber gleich eine ganze Reihe von Vorspeisen gibt. "Der Vorspeisenknüller vom Schwarzen Meer" betitelte eine Berliner Restaurant-Kritik daher das erste georgische Restaurant in der deutschen Hauptstadt. Alle zwei Wochen, so Goga Kuraschwili, wird diese Speisekarte geändert. Wer also in diesem Rhythmus das GENAZVALE besucht, wird sich immer nur bemühen müssen, eine Hauptspeise auszuwählen, den Rest erledigt Goga`s Team. Wenn man da in einer kleinen Gruppe kommt und für jeden eine andere Hauptspeise auswählt, hat man ganz schnell einen kulinarischen Streifzug durch die georgische Küche beisammen, bei dem alles passt. Man muss nur bereit sein, sich auf etwas Neues einzulassen. Für rund 25 € ohne Getränke (sieben Vorspeisen, ein Hauptgericht und jede Menge Brot) ist das auch finanziell durchaus verantwortbar.

Denn die Vorspeisen-Tournee im GENAZVALE ist wirklich ein Hammer, vor allem, was die Qualität angeht. Um es vorweg zu nehmen: Bis heute habe ich kein Restaurant in Georgien und andernorts gefunden, in dem sich die oftmals doch recht rustikale und wenig raffinierte georgische Küche derart europäisch präsentiert. Das ist selbstredend noch weit entfernt von der Raffinesse der französischen oder italienischen Küche und deren Leichtigkeit. Und natürlich kann man nachvollziehen, wenn jemand Lobio, dem Eintopf aus roten Bohnen mit viel grünem Koriander und Sulguni-Käse, wie er im georgischen Lobio-Mekka Mzcheta serviert wird, nicht allzu viel abgewinnen kann, was übrigens kaum ein Georgier so richtig verstehen mag. Aber vor einer vorschnellen Verurteilung dieses Gerichtes als "tumbem Bauernfutter" sollte man Gogas Lobio probiert haben: Da wird aus dem einfältigen Bohnentopf ein pikant und raffiniert gewürztes Ragout, das es mit vielen Gerichten der europäischen Küche aufnehmen kann. Alle Achtung.

Bleiben wir aber noch einen Moment beim Neuen, mit dem man sich im GENAZVALE einfach anfreunden muss, weil man keine andere Wahl hat: Weine werden nicht im Glas serviert sondern in flachen und bunt emaillierten Tonschalen. Für einen erfahrenen georgischen Gastmahl-Freund, ist das keine große Überraschung, denn kaum eine Tafel vergeht, bei der der Tamada nicht zu einem Sondertoast mit Tonschalen aufrufen würde. An diese Tradition in einem Restaurant in Deutschland anzuknüpfen, ist sicher etwas gewagt und mag sich vielleicht mit der durchschnittlichen Qualität der bisher in Deutschland angebotenen georgischen Weine rechtfertigen lassen. Da war folkloristische Originalität durchaus angesagt, um eine Alleinstellung der Weine zu rechtfertigen. Je besser aber die georgischen Roten werden und je teurer auch, desto mehr werden europäische Kunden ein schönes, großes Rotweinglas vermissen, in dem ein wirklich guter Wein auch seine Talente voll zur Entfaltung bringen kann. Mittlerweile ist der georgische Weinbau in der Lage, solche Weine herzustellen und auch in Deutschland anzubieten.

Zurück zum Menu. Bei unserem Testessen haben wir vier Hauptspeisen gewählt, die allesamt ohne jede Beanstandung waren: Mzwadi, ein wirklich fein gewürztes und super-zart gegrilltes Schweinefleisch, so zart gegrillt, wie ich es in Georgien in 13 Jahren noch nicht vorgesetzt bekam; Schmkeruli, gegrilltes Hähnchen in einer herzhaften Knoblauchsauce; Tschanachi, ein aromatischer Lammauflauf mit Auberginen, Tomaten und Kartoffeln und schließlich Chatschapuri "Adjaruli", eine Art feiner Käselasagne. Auf das ebenfalls angebotene Adschapsandali, einen vegetarischen Auflauf aus Auberginen, Tomaten und Kartoffel, haben wir verzichtet, mit der Gemüse-Komponente im Lammauflauf haben wir dieses Gerichtes sozusagen zusätzlich kosten können. Noch einmal: Wer nach der Tournee durch die Vorspeisen beim Hauptgang noch Einsatz zeigte, konnte sich über keine der angebotenen Speisen wirklich beklagen. Das war georgische Küche vom Feinsten.

Jetzt endlich die Vorspeisen: Pchali aus Spinat und Auberginen gab es und Sulguni, der irgendwo in Brandenburg hergestellt wird und allerdings nicht ganz dem entsprach, was man in Tbilissi an Qualität und Frische finden kann. Dann in Essig und Robe-Bete-Saft eingelegtes Weißkraut und jede Mende an frischem Grünzeug, so wie auf jeder georgischen Tafel. Dazu hatten wir einen Tomaten-Gurken-Salat geordert mit einem pikanten Dressing, bei dem weder Koriander noch Walnüsse zu dominierend waren. Die Chatschapauri und Lobio waren ausgezeichnet, vor allem der mit Bohnen gefüllte Brotfladen war von einer pikanten Würze, die viele eher trostlose Erfahrungen in der Heimat dieser einfältigen Fastenspeise vergessen machte. Dasselbe, wie bereits gesagt, gilt auch für den Bohneneintopf im Tonkrug. Dazu gab es eine Kalbfleischsuppe, Chartscho, und die unvermeidlichen und ebenfalls überdurchschnittlich guten Chinkali. Von der Nachspeise, Pelamuschi, einem mit Stärkemehl eingedickten Traubensaft, haben wir ebenso abgesehen wie die Berliner Test-Kollegen vor uns, die sich über eine andere Zusammenstellung der Vorspeisenpalette ebenso positiv äußerten wie wir.

Noch einmal: Wer die Leichtigkeit der italienischen Küche erwartet, die Raffinesse der französischen oder die Vielfalt der asiatischen, der sollte seine Erwartungen nicht allzu hoch schrauben, wenn er das GENAZVALE betritt. Wer aber bereit ist, sich aber auf eine kulinarische Entdeckungsreise zu begeben, der ist im ersten georgischen Restaurant in Berlin ebenso gut aufgehoben wie der, der all diese Gerichte aus Georgien kennt. In Tbilissi wäre Goga Kuraschwili mit seiner Form der georgischen Küche ohne jeden Zweifel mein einheimisches Lieblingsrestaurant, was nicht zuletzt auch am effektiven und kompetenten Service liegt, den wir an unserem Testabend erlebten.

Einziger Nachteil im Vergleich mit den In-Restaurants in Tbilissi: Das Fladenbrot ist zwar frisch gebacken, aber ein deutscher Backofen kann nicht annähernd den traditionellen georgischen Tonkrug mit Holzkohlenfeuerung ersetzen, mit dem sich mittlerweile die meisten Event-Restaurants der georgischen Hauptstadt schmücken. Einen solchen Ofen hat das deutsche Gewerbeaufsichtsamt dem GENAZVALE untersagt. Schade, man müsste den Herrschaften einmal frisches Detas Puri vorführen. Sie würden ihre Paragraphen sofort ändern.

Adresse:
Restaurant GENAZVALE
Georgische Spezialitäten
Windscheidstraße 14
10627 Berlin
Telefon: 030/45086026





































































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