Ausgabe 06/04
15. April
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Erklärung von Alexander Kartosia

Alexander Kartosia, Deutsch-Professor, Bibliotheks-Direktor, Bildungsminister und bis zum bitteren Ende treuer Weggefährte Eduard Schewardnadses, gab am 6. Februar in den Räumen der Staatlichen Universität eine Erklärung ab, deren Wortlaut wir auch dem deutschen Publikum nicht vorenthalten sollten, allerdings nicht ohne einige erklärende Bemerkungen der Redaktion. Denn Alexander Kartosia ist nicht nur ein persönlicher Freund des Chefredakteurs von georgien-news aus einer Zeit, als jener nicht im Entferntesten daran dachte, mit den Freuden eines Ministeramtes betraut zu werden. Alexander Kartosia, ohne Zweifel ein hervorragender und verdienter Germanist und vermutlich ein nicht ganz so hervorragender und verdienter, weil eher glückloser Minister, hat viele Freunde in Deutschland, die sich kaum vorstellen können, ihn dort zu sehen, wo er vermutet, dass ihn die neue Führung Georgiens demnächst sehen will, im Gefängnis.

Wir können und wollen die Vorwürfe, die gegen Alexander Kartosia erhoben werden, nicht aus Gründen langjähriger Freundschaft einfach übergehen. Wir können sie mit unseren bescheidenen Mitteln auch nicht überprüfen. Deshalb wollen - und können - wir ihm auch keinen Persilschein ausstellen. Mag sein, dass es in der Amtszeit Kartosias erhebliche Verdachtsmomente oder gar Beweise gibt für Verfehlungen, auch für persönliche Verfehlungen des Ministers. Mag sein, dass schlimme Verfehlungen von nachgeordneten Personen und Instanzen in Alexander Kartosias Ministerium, für die er dann zumindest die politische Verantwortung zu übernehmen hätte, nachzuweisen sind. Aber: Um all dies zu prüfen, gibt es auch im georgischen Rechtswesen genügend rechtsstaatliche Mittel, die nicht zuletzt auch mit finanzieller und fachlicher Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurden. Deshalb wird man in Deutschland gerade in diesem Falle ein besonders wachsames Auge auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensweisen durch die georgischen Behörden werfen. Sollte am Ende dieses Verfahrens - in Worten wiederholt: am Ende dieses Verfahrens und nicht am Anfang - der Richterspruch "Schuldig" stehen, dann muss Alexander Kartosia persönlich die Konsequenzen tragen, die ein Rechtsstaat in diesem Falle vorsieht. Wenn wir ihn beim Worte seines eigenen Statements nehmen - und ein Sprachwissenschaftler muss wissen, wie er die Worte setzt, muss wissen, dass er beim Wort genommen wird -, dann wird er sich "furchtlos" diesen Konsequenzen zu stellen haben.

Wir veröffentlichen die nachfolgende Erklärung Alexander Kartosias im Wortlaut, weil sie ein eigenartiges Licht auf das Vorgehen der georgischen Behörden in diesen Tagen wirft, das auch in den von Menschenrechtsorganisationen kritisierten Erklärungen des Staatspräsidenten gipfelt, jeder Verdächtige, der sich der Staatsautorität widersetze, müsse liquidiert werden. Nicht nur Alexander Kartosia als Vertreter der Schewardnadse-Regierung, auch unabhängige Menschenrechtsorganisationen und NGO's beklagen, dass die neue Spitze des Landes in ihrem berechtigen Anliegen, die Korruption zu bekämpfen, sich, vorsichtig ausgedrückt, nicht immer rechtsstaatlich einwandfreier Methoden bedient (siehe auch: Rosen, Tulpen, Nelken - alle Blumen welken und Die Revolution verliert ihre Kinder in dieser Ausgabe). Und spätestens dann, das sei nicht nur der persönlichen Freundschaft geschuldet, muss Öffentlichkeit hergestellt werden.

Wir haben Alexander Kartosia - in alter Freundschaft - nach dessen Aufsehen erregendem Statement um ein Exklusiv-Interview gebeten. Aus Zeitgründen konnte es jetzt nicht geführt werden. Alexander Kartosia hat uns aber zwei Tage vor Erscheinen dieser Ausgabe telefonisch zugesichert, in der nächsten Woche zu einem ausführlichen Gespräch zur Verfügung zu stehen. An dieses Wort werden wir ihn erinnern. Bei diesem Gespräch werden wir ihn nicht mit kritischen Fragen verschonen, wir werden ihm auch - in aller und alter Freundschaft - einige unbequeme Fragen zur Bildungspolitik unter seiner Amtszeit nicht ersparen können. Wir sind sicher, er wird dies alles aushalten, getreu seiner am Ende des jetzt folgenden Statements formulierten Devise: "Das einzige, was zu fürchten ist, ist die Angst."


Erklärung von Alexander Kartosia
Bildungsminister
Abgegeben am 6. Februar 2004

Am 4. Februar erklärte der Innenminister: "Wir ermitteln im Bildungsministerium die Situation um jenen unglückseligen 60-Millionen-Kredit. Es wurden fast 200 Aktenbände beschlagnahmt, die man im Bildungsministerium zu fälschen versuchte. Wir verfügen über eine Beweisinformation, dass diese Geldsummen veruntreut wurden und in die Taschen hochrangiger Personen geflossen sind."

Ich fühle mich verpflichtet, klarzustellen, dass der Innenminister getäuscht wurde. Es haben keine Versuche stattgefunden, Dokumente zu fälschen. Es ist einfach unmöglich, Dokumente zu fälschen, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, da sie Jahr für Jahr von internationalen Auditoren überprüft wurden. Die Beurteilungen der Auditoren waren sowohl der georgischen Regierung als auch der Weltbank bekannt.

Am Donnerstag, 29. Januar, wurden 23 Säcke mit den erwähnten Dokumenten gefüllt und dann aus dem Bildungsministerium ins Innenministerium überführt. Obwohl es für die Beschlagnahme der Dokumente keine richterliche Anordnung gab, wurde den Mitarbeitern des Innenministeriums keinerlei Widerstand entgegengesetzt. Seit einer Woche sind diese versiegelten Säcke im Innenministerium, sie sind dort noch nicht einmal geöffnet worden.

Der Innenminister behauptet, sein Ministerium verfüge über eine Beweisinformation, dass diese Geldsummen veruntreut wurden und in die Taschen hochrangiger Personen geflossen sind. Ich wiederhole: Die Dokumente, die Mitarbeiter des Innenministeriums aus dem Bildungsministerium abgeholt haben, liegen noch versiegelt in den Säcken. Nicht einmal die Beschreibung und Klassifizierung von ihnen, geschweige denn eine Untersuchung hat begonnen. Dabei ist in keiner Beurteilung der internationalen Auditoren und des Rechnungshofs von Fälschung oder Veruntreuung die Rede.

Der Innenminister sprach von dem "unglückseligen 60-Millionen-Kredit". Dazu muss man wissen: Georgien hat von der Weltbank die Erlaubnis bekommen, einen Kredit von 60 Millionen $ für die Reform des Bildungswesens aufzunehmen. Aber wissen Sie, wie viele Millionen Georgien bisher von diesem Kredit in Anspruch genommen hat? Bis heute sind nur 8 Millionen, also 13 % des Kreditvolumens, ausgeliehen worden. Der Rest, also 87 %, liegt in der Entscheidung der neuen Regierung.

Wie gesagt, ich bin überzeugt, dass der Innenminister falsch informiert wurde. Trotzdem ist seine Erklärung ein Urteil und meine Inhaftierung ist - nach allem Anschein - entschieden. Deshalb wende ich mich an alle, die eine Beziehung zum Gewissen nicht eingestellt haben. Die Zulassung der persönlichen und politischen Abrechnung im Pulverdampf des Kampfes gegen die Korruption ist ein gefährliches Symptom für das Land. Es ist eine Gefahr für jeden - ich betone: für jeden - Bürger, wenn die Schuldvermutung anstelle der Unschuldsvermutung zur Norm gemacht wird.

Ich mache diese Erklärung ganz bewusst in der Universität, nicht weil ich Universitätsprofessor und Leiter dieses Institutes bin. Dieser Arbeitsstelle, das Goethe-Kabinett, wurde von meinem verstorbenen Lehrer, Prof. Reso Karalaschwili gegründet, einem Mann, der den Mut hatte, sich über die Ungerechtigkeit zu empören.

Ich habe nicht die Absicht, das Land zu verlassen und davon zu laufen. Wenn ich eine entsprechende Aufforderung bekomme, werde ich mich selbst der Staatsanwaltschaft stellen. Deshalb verlange ich kategorisch, dass keine maskierten und bewaffneten Männer meine Rechte verletzen.

Zum Schluss möchte ich die Journalisten und Jugendliche daran erinnern, dass nichts zu fürchten ist. Das einzige, was wirklich zu fürchten ist, ist die Angst. Lassen wir nicht zu, dass die Angst die Herrschaft in Georgien antritt.



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