Ausgabe 06/04
15. April
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Nach der Befreiung von Peter Shaw
Agro Business Bank soll jetzt schnell privatisiert werden

Peter Shaw, der britische Bankenberater in georgischen TACIS-Diensten, der 141 Tag lang von Kidnappern festgehalten worden war, ist längst zurück in England und trotzdem beschäftigt der Fall nach wie vor Medienwelt und Politik. Die Spekulationen in den georgischen Medien sind in den letzten Tagen derart ins Kraut geschossen, dass sich EU-Botschafter Torben Holtze genötigt sah, in einer Pressekonferenz die Position der EU-Vertretung in Georgien klar zu stellen. Dabei wurde bekannt, dass die Agro Business Bank wohl mit der Mikrofinanzbank, die von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau geführt wird, zusammengelegt werden soll.
Die Agro Business Bank, deren Geschäftsführer Peter Shaw im Auftrag des EU-finanzierten TACIS-Programms (Technical Assistance für CIS-Countries) war, gehört zu vier gleichen Teilen Stiftungen, die aus einem früheren EU-Partnerschaftsfond für die Landwirtschaft hervorgegangen waren. Von Anfang an war klar, dass diese Bank irgendwann einmal privatisiert werden sollte, wobei man seitens der EU bis zur Entführung von Peter Shaw darauf hoffte, eine europäische Genossenschaftsbank zum Einstieg bewegen zu können. Angesichts der negativen Propaganda, die sowohl die Bank als auch das Land Georgien durch den Entführungsfall in der internationalen Bankenwelt erhalten haben, hat in Brüssel vom Tag der Entführung an wohl niemand mehr ernsthaft an ein Bankenengagement von aussen geglaubt.

So war die EU, deren Diplomaten drei der fünf Aufsichtsratssitze der ABG innehaben - die anderen werden von der georgischen Regierung besetzt - wohl während der ganzen Phase der Entführung hinter den Kulissen gleichzeitig damit beschäftigt, ein in Georgien ansässiges Kreditinstitut zur Übernahme der ABG zu motivieren. Ansonsten hätte nicht wenige Tage nach der Freilassung von Peter Shaw bereits die Nachricht durchsickern können, dass die Gesellschafter der Mikrofinanzbank MBG (Microfinance Bank of Georgia) sich mit der Frage beschäftigen, die ABG zu übernehmen.

Thorben Holtze, der dänische Botschafter der EU, bestätigte diese Information in seiner Pressekonferenz zum Fall Peter Shaw, wobei er derzeit noch offen liess, ob es zu einer Fusion der beiden Banken oder zu einer direkten Übernahme der ABG durch die MBG kommen wird. Kenner der georgischen Bankenszene gehen allerdings von einem Kauf der ABG durch die MBG aus.

Die Konstruktion macht dehalb Sinn, weil auch die MBG eine Bank ist, deren Kapital mehrheitlich aus öffentlichen Bankgeldern aus Europa und Amerika aufgebracht wurde, u.a. von der EBRD, der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Weltbank. Und beide Banken bedienen zumindest ausserhalb von Tbilissi überwiegend denselben Kundenkreis: die Landwirtschaft, den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und die Lebensmittelverarbeitung. Mit dieser Bankenübernahme, die anscheinend bereits beschlossene Sache ist, ergeben sich erhebliche Synergieeffekte, weil damit die Filialnetze beider Banken zusammengelegt werden können.

Die MBG hat in den letzten beiden Jahren ihr Filialnetz erheblich ausgebaut. In Tbilissi gibt es die Filiale in der Tamar Mepe Strasse mit Unterabteilungen im Stadtteil Vake, am Bahnhof und in Marneuli, die Filiale in Varketili mit einer Unterabteilung in Lilo und die Filiale in Gldani. In Westgeorgien hat die MBG Filialen in Batumi mit einer Unterabteilung in Kobuleti, je eine Filiale in Poti und Kutaissi, letzte mit einen Unterabteilung in Sestaphoni. In Zentralgeorgien hat die MBG eine Filiale in Gori, während sie in Ostgeorgien derzeit noch nicht vertreten ist. Damit hat die MBG ein Netz von 13 Aussenstellen. In Vorbereitung ist die Eröffnung von Filialen in Sugdidi und weiteren Stadtteilen von Tbilissi.

Die ABG hat ausserhalb von Tbilissi insgesamt zehn Filialen, wobei sich nur die Filialen in Gori, Kutaissi und Marneuli mit denen der MBG überschneiden. Dafür ist die ABG mit einem deutlichen Schwerpunkt in Ostgeorgien aktiv, wo sie Filialen in Znori, Telawi, Dedopliszkaro und Gurdschaani unterhält. Dazu kommen Filialen in Mzcheta, Senaki und Gardabani.

Für die EU-Delegation in Tbilissi endet mit der bevorstehenden Übernahme der ABG durch die MBG auch ein ziemlich glückloses Abenteuer im Bankengeschäft, in das sie eher zufällig hineingeraten war. Denn es ist wohl nicht Aufgabe von EU-Diplomaten, ein Bankgeschäft aufzubauen und zu kontrollieren. Die ABG wurde im Jahr 2000 auf Initiative des georgischen Staatspräsidenten mit den Mitteln des sogenannten EU-Partnerschaftsfonds gegründet worden, der aus Geldern gespeist wurde, die mit dem Verkauf von Mehl erzielt wurden, das die EU Georgien gespendet hatte. Unter der Verwaltung einer sogenannte "Credit Management Unit" im Landwirtschaftsministerium war es zu erheblichen Unregelmässigkeiten gekommen, die man mit der Konstruktion der ABG mit den Stiftungen als Kapitalgeber überwinden wollte.

Jetzt werden die Stiftungen ihre Anteile an der ABG wohl an die MBG verkaufen, der Erlös muss nach einem "Memorandum of understanding" zwischen der EU und der georgischen Regierung dem georgischen Haushalt als Einnahme zufliessen. Es hat den Anschein, als ob EU und georgische Regierung auf der einen und die Gesellschafter der MBG auf der anderen Seite nur noch über den Kaufpreis verhandeln, wobei man vor allem der EU unterstellen kann, dass sie sich möglichst rasch von ihrem ungebliebten Bankenengagement trennen möchte.

In der reichlich komplizierten Vorgeschichte der ABG und den Unregelmässigkeiten im EU-Partnerschaftsfond sehen Insider auch einen der möglichen Gründe für die Entführung von Peter Shaw. In den georgischen Medien wird auch nach der Freilassung von Peter Shaw kräftig über dessen Verstrickung in schwarze Geschäfte spekuliert, was schliesslich in der ernsthaft publizierten Variante gipfelte, Peter Shaw habe mit seiner Frau gemeinsam diese Entführung inszeniert, um sich mit seinem Anteil an erschwindelten Millionen abzusetzen. Es gibt sogar Regierungsvertreter und Parlamentsabgeordnete, die Peter Shaw öffentlich vorwerfen, rund 25 Millionen US-$ gestohlen zu haben.

EU-Diplomat Torben Holtze wies all diese Vorwürfe gegenüber Peter Shaw noch einmal entschieden zurück und erklärte, dass der Generalstaatsanwalt trotz intensiver Untersuchungen der Shaw`schen Privatverhältnisse bis heute kein Ermittlungsverfahren gegenüber Peter Shaw eröffnet habe. Thorbe wies auch Darstellungen georgischer Politiker und Medien zurück, dass die EU Finanzbeihilfen an Georgien wegen der Entführung von Peter Shaw zurückgestellt habe. Es habe niemals eine entsprechende offizielle Aussage aus Brüssel gegeben. Die Verzögerung finanzieller Transfers begründete Torben Holtze jetzt unter anderem damit, dass Georgien eine ganze Reihe von Auflagen des Internationalen Währungsfonds nicht erfüllt habe. Trotzdem werde eine erste Rate von 2 Millionen € aus einem 11 Millionen € schweren Programm zur Sicherstellung von Lebensmitteln in nächster Zukunft nach Georgien überwiesen. Mit dem Ausbleiben von Geldern aus Brüssel hatte die georgische Regierung unter anderem die drastischen Haushaltslöcher begründet, die dem Finanzminister schwer zu schaffen machen. Die Hoffnung der georgischen Regierung, nach der Freilassung von Peter Shaw möglichst rasch an noch ausstehendes Geld aus Brüssel zu gelangen, um damit die ärgsten Löcher im Budget kurzfristig stopfen zu können, scheinen sich damit nicht zu erfüllen.


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