Ausgabe 10/02, 3. Juli
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Entführt oder nur verschwunden?

Verwirrung um deutschen Geschäftsmann in Tbilissi

Bislang steht nur eines fest: Der in Tbilissi lebende deutsche Geschäftsmann Klaus Detlef Dröge wird seit Dienstag vermisst und gesucht. Alles andere ist derzeit noch offen. Während der Innenminister von Georgien erklärte, die Kriminalpolizei habe keinerlei Hinweise auf Gewaltanwendung in Dröges Büro und Wohnung gefunden, spricht der Verband der deutschen Wirtschaft in Georgien von umfänglichen Blutspuren im Bad des Verschwundenen und forderte die deutsche Botschaft auf, sich massiv in die Ermittlungen und die Suchaktionen der georgischen Behörden einzuschalten. Die Botschaft kommentiert dies mit der Bemerkung, von Anfang an über die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft und der Polizei informiert gewesen zu sein und keine weiteren Kommentare abzugeben. Die georgischen Behörden sind sich nicht darüber einig, wie sie vorgehen sollen. Während der Staatsanwalt von einem versuchten Mord ausgeht, hat der Innenminister sich anscheinend auf eine andere Versionen festgelegt.

Nach einem Interview mit einer Mitarbeiterin von Dröge, das am Freitag abend in georgischen TV-Kanal Rustawi 2 ausgestrahlt wurde, muss von folgendem Ablauf des Geschehens ausgegangen werden:

In Dröges Firma, einer Vermittlungsagentur für Frachtgeschäfte, waren die beiden Tresorschlüssel abhanden gekommen. Einen Schlüsel hatte der Buchhalter, den anderen Dröge selbst. Deshalb habe Dröge den Tresor im Beisein von Zeugen, u.a. der Büromanagerin, von einem Spezialisten öffnen lassen. Dieser hat zunächst einmal Spuren einer offensichtlich versuchten gewaltsamen Öffnung des Tresors vorgefunden. Bei der Öffnung stellte sich heraus, dass kein Geld mehr im Tresor war. In einer früheren Sendung sprach man von einer Summe von 45.000 $, die verschwunden war.

Die Büromanagerin Dröges zeigte sich im TV-Interview darüber verwundert, dass Dröge auf die Tatsache, das eine solche hohe Geldsumme verschwunden war, nicht reagierte. Er habe dies offensichtlich registriert, als sei überhaupt nichts passiert. Sie wies ihn darauf hin, dass er diesen Vorfall auf alle Fälle bei der Polizei anzeigen müsse, worauf Dröge das Protokoll des Tresorsachverständigen an sich nahm und versprach, die Polizei einzuschalten. Dann habe er gegen 16.30 Uhr das Büro verlassen, wobei der Büroleiterin Dröges aufgefallen war, dass er in der linken Hand seinen Pass mitgenommen habe. Eine Diebstahlsanzeige ist bei der Polizei offensichtlich noch nicht eingegangen.

Ein Freund Dröges schlderte in der Sendung des restlichen Ablauf des Abends. Er sei zusammen mit Dröge auf Kneipentour gewesen, wobei ihm Dröge die Geschichte mit dem Tresor erklärte. In der Nacht seien sie mit einem Taxi zu Dröges Büro und Wohnung gefahren, worauf sich Dröge verabschiedete, in das Büro ging und nicht wieder gesehen wurde.

In der Nacht haben Mitarbeiterinnen Dröges dann per Telefonrundruf versucht, den Aufenthaltsort Dröges am Abend herauszufinden. Danach wurde die Polizei informiert, die die Ermittlungen aufnahm. Wie der deutsche Botschafter erklärte, sei die Botschaft vom Staatsanwalt sofort über die Ermittlungstätigkeit informiert worden und würde laufend über den Fortgang der Ermittlungen informiert. Kurz: Man würde informiert und halte sich informiert, könne aber darüberhinaus keine weiteren Kommentarre abgeben.

Am 4.7. kursierte in Tbilisse eine e-mail, die der Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Wirtschaft in Georgien, Prof. Dr. Andreas Brandt, an den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Georgien abgesetzt und in Kopie an einige deutsche Unternehmer verschickt hatte. Darin erklärte er, dass das Vorstandsmitglied des Verbandes, der deutsche Staatsbürger Klaus Dröge, am Dienstag Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sei. Den Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge sei er wahrscheinlich gezwungen worden, seinen Bürotresor zu öffnen und danach schwer
verletzt worden. Brand berichtet von umfänglichen Blutspuren im Bad Dröges. Brandt forderte die Botschaft auf, mit einem Vertreter an einer für den Abend geplanten TV-Suchsendung teilzunehmen, da nur "nur eine breite Information der Öffentlichkeit und Druck auf die Polizei zu Durchsuchungsaktionen" das Leben von Dröge noch retten könne. Die Botschaft hat den Erhalt dieser mail nicht offiziell bestätigt und erklärt, an keiner öffentlichen Aktion in diesem Fall teilzunehmen und keine weiteren öffentlichen Erklärungen abzugeben.

Am 5. Juli erklärte der georgische Innenminister auf einer Pressekonferenz, dass er beim augenblicklichen Stand des Verfahrens nicht bestätigen könne, dass der 59-jährige deutsche Geschäftsmann entführt worden sei. Der Staatsanwalt ermittle wegen vorsätzlichen Mordes, aber für den Innenminister gäbe es keine konkreten Hinweis darauf, dass der Deutsche ermordet worden wäre. Es sei bei den Untersuchungen in seinem Büro, in dem er auch wohnt, keine Hinweise auf einen Angriff gefunden worden. Der Geschäftsmann habe am 2.Juli seine Wohnung verlassen und habe Pass und offizielle Dokumente mit sich genommen.

Klaus Dröge ist im Frachtgeschäft als Vermittlungsagent tätig, er hatte vorübergehend auch Repräsentanzen deutscher Speditionsunternehmen in Georgien inne. Klaus Dröge ist Mitgesellschafter der deutschen Ölförderungsfirma GWDF Oel und Gas, die zusammen mit georgischen Partnern in der GeoGerOil im westgeorgischen Supsa Öl fördert. Der im Dezember vergangenen Jahres in Tbilissi ermordete deutsche EU-Mitarbeiter Günther Beuchel sollte im Sommer nach Auslaufen seines Vertrages mit der EU in dieser Firma als Finanzdirektor beschäftigt werden. Der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Wirtschaft in Georgien war für diese Ölfirma als Rechtsberater tätig. Im Verband der deutschen Wirtschaft in Georgien ist die Mehrheit der in Georgien ansässigen deutschen Firmen zusammengeschlossen.

Vor wenigen Tagen war der englische Bankberater Peter Shaw in Tbilissi entführt worden. Angesichts der besonderen Umstände beider Fälle kann ein Zusammenhang oder ein Indiz für eine generelle Zunahme von kriminellen Attacken auf Ausländer in Georgien ausgeschlossen werden.

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ERKA-Verlag ©2002