Ausgabe 5/03
3. April
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Andernorts in der Welt werden die Weine von der Sonne verwöhnt. Der georgische Wein lässt sich von Russland verwöhnen. Dieser Eindruck drängt sich unweigerlich auf, wenn man die Gespräche mit georgischen Anbietern auf der Düsseldorfer PROWEIN, einer der größten internationalen Weinfachmessen, Revue passieren lässt. In der georgischen Weinwirtschaft dreht sich derzeit alles um Russland und einige andere GUS-Länder, in denen man einen blendenden Absatz hat, sodass man sich um andere Exportmärkte nicht so intensiv zu kümmern braucht. Moskau und Petersburg ziehen einen Großteil des georgischen Weines ab, vor allem des roten, was bei den großen georgischen Weinkellereien zur überaus komfortablen Lage führt, mehr Nachfrage zu haben als man derzeit und mittelfristig befriedigen kann. Dies gilt insbesondere für die wenigen Weingüter, deren Qualität europäischen Standards genügt, und für die bekanntesten Rotweine, den Saperavi und Mukusani, von denen nach der letztjährigen schwachen Ernte überdies viel zu wenig in den Kellern eingelagert werden konnte. Diese Mangelsituation bestimmt Marketing-Aktivitäten und Preispolitik der georgischen Weingüter, sehr zum Unverständnis westlicher Marktpartner.

Preise kaum wettbewerbsfähig

Denn der georgische Wein präsentierte sich auf der PROWEIN auf einem Preisniveau, das - gelinde gesagt - kaum wettbewerbsfähig ist. Roter Tafelwein (Marke: OLD TBILISI) wurde ab Werk in Georgien für nicht weniger als 2,60 US-$ angeboten, Qualitätswein der Sorte Saperavi für 3,05 $ (TBILVINO) und 3,30 $ (Marke: TAMADA) und die Spitzen des georgischen Weinangebots, der wirklich gute Saperavi-Wein von Telawi Wine Cellar, steht gar für 5,50 $ in den Exportpreislisten, ab Werk wohlgemerkt. Bis der Wein dann nach Transport, Zoll und Händlerspannen beim europäischen Endverbraucher ankommt, muss er in der Spitze gut und gerne zwischen 15 bis 20 $ kosten, im Tafelweinbereich etwa 10 $. Dieses Preisgefüge ist angesichts der nicht erkennbaren Position des georgischen Weines auf dem europäischen Markt und der enormen Konkurrenz aus allen Erdteilen durchaus ehrgeizig und erklärt sich nur durch die noch viel zu geringen Produktionskapazitäten georgischer Qualitätsweingüter. Denn bei allen Weinmengen, die in Georgien nach wie vor reichlich fließen, sind nur eine Handvoll der Produktionsstätten qualitativ in der Lage, auf dem europäischen Markt zu bestehen. In Düsseldorf präsentierten sich auf dem Stand der georgischen Weinwirtschaft, der von der GTZ und deren georgischem Projekt GEPA (Georgian Export Promotion Agency) teilweise finanziert wurde, nur drei georgische Anbieter: GWS, Tbilvino und Telawi Wine Cellar. Ein weiteres Produkt, Monastry Gremi, fanden wir auf dem Stand des deutschen Weingutes Peter Mertes, der sich als einziger deutscher Investor in einer georgischen Kellerei, nämlich in Gremi, finanziell engagiert hat. GWS, der Marktführer, gehört schon lange mehrheitlich zum französischen Konzern Pernod-Ricard.

Vom Sowjetmarkt in den Weltmarkt

Der Hintergrund für die Mangelsituation an guten georgischen Weinen reicht bis weit in die sowjetische Weinbaupolitik zurück, in der die Erreichung von Qualität meist der Forderung nach Menge, nach Planerfüllung also, untergeordnet wurde. Der Spruch aus damaligen Zeiten "Moskau braucht mehr Wein, gießt Wasser in die Tanks" zeigt deutlich, wo die Weinbaunation Georgien, die für sich in Anspruch nimmt, Wiege der Weinkultur überhaupt zu sein, am Ende der Sowjetära stand. Man hatte schlichtweg rund ein Jahrhundert Entwicklung in Technologie und Marketing verschlafen in der stolzen Gewissheit, Nr. 1 der Weinproduzenten des Sowjetreiches gewesen zu sein. Das Erwachen auf dem Weltmarkt war heftig.


Kaum eine "Weinfabrik" verfügte vor zehn Jahren über eine moderne Kellereiausrüstung oder Abfüllung. Filtration oder gute Verkorkung waren kaum bekannt. Vor einem Jahrzehnt noch war das Öffnen der weißen Plastikverschlüsse bei jeder Flasche mit dem Risiko einer schweren Fingerverletzung verbunden und nach dem Genuss von zwei Viertelchen Rotwein war Zähneputzen angesagt ob der Unmengen an festen Trübstoffen, die sich zwischen den Zähnen festgesetzt hatten. Das muss man wissen, wenn man erkennen will, welche Entwicklung der georgische Weinbau in den letzten Jahren genommen hat.

Einige wenige Weinfabriken, ein halbes Dutzend vielleicht und mittlerweile privatisiert, haben Investitionen im zweistelligen Millionenbereich in Kellereitechnik vorgenommen, sodass die Spitze des georgischen Weinbaus derzeit durchaus internationalen Level erreicht hat. Die Qualität der georgischen Weine braucht sich nicht mehr zu verstecken, man hat zumindest den Anschluss an den Weltmarkt gefunden. Eine respektable Leistung, befindet der deutsche Marketing-Berater Rainer Kubera, der sich im Auftrag der GTZ in den letzten fünf Jahren um die Exportförderung des georgischen Weines gekümmert hatte: "Qualität, Verpackung und Aufmachung bieten auch andere Weinbauländer nicht wesentlich besser als die Georgier". Dieses immerhin wurde erreicht. Das sei eine ganze Menge, jetzt sei aber ein Punkt der Stagnation erreicht, der überwunden werden muss, wenn es mit dem georgischen Weinbau weiter aufwärts gehen soll, resumiert Kubera die vergangenen Jahre und die Aufgaben der Zukunft. Kubera, der dessen Berater-Engagement mit der PROWEIN 2003 ausläuft, gibt seiner georgischen Klientel vier Aufgabe mit auf den Weg, um langfristig wettbewerbsfähig zu werden und das enorme Potential des georgischen Weinbaus auch voll auszuschöpfen:

- erhebliche Verbesserung der Traubenqualität;
- Senkung der Preise auf wettbewerbsfähiges Niveau;
- Sicherstellung der Zertifizierung und
- Aufbau einer einheitlichen Imagewerbung für georgischen Wein im Ausland.

Dass der georgische Wein ein Entwicklungspotential hat, bestätigt der Chef eines der bekanntesten deutschen Weingüter, Christian von Guradze vom Weingut Dr. Bürklin-Wolf/Wachenheim. Von Guradze, dessen Familie vor ein paar Hundert Jahren aus Georgien ausgewandert war, hat sich in den vergangenen Jahren in Kachetien genauer umgesehen und war mehr als angetan von den Möglichkeiten "seiner" Georgier. Sein Urteil nach einer einwöchigen Recherchenreise im vergangenen Jahr: "Ideales Klima, hervorragende kalkhaltige Böden und mit dem Saperavi eine eigenständige Rebsorte, die zusammen mit Cabernet-Sauvignon, Merlot und anderen internationalen Trendsorten in der Lage ist, langfristig die internationale Spitze zu erreichen, wenn sich Qualitätsdenken in Weinberg und Kellereiwirtschaft einmal durchgesetzt haben."

Traubenpreis zu hoch

Derzeit rächt sich aber zunächst einmal, dass im letzten Jahrzehnt der Sowjetzeit mehr als die Hälfte der Reb-Anbaufläche ausgestockt wurde. Es gibt, so verwunderlich das auch klingen mag, einfach zu wenig Trauben vor allem des potentiellen georgischen Export-Schlagers "Saperavi", was notwendigerweise den Erzeugerpreis für Trauben in die Höhe treibt. In Kachetien mussten die Kellereien im vergangenen Herbst, bedingt auch durch Hagelschäden, in der Spitze zwischen 0,50 bis zu 1 € für ein Kilo Saperavi-Trauben an die Bauern bezahlen. Ein Preis, der einerseits das ansonsten bekannte georgische Lohn-/Preisgefüge sprengt und sich natürlich auf den Endpreis des Produktes niederschlagen muss.


Es geht dabei auch um die Qualität. Denn die meisten Kellereien, auch die Qualitätsfirmen, sind nach wie vor nahezu völlig auf Zukäufe von lokalen Privatbauern angewiesen, die - beste sowjetische Tradition - ihre Rebflächen vor allem nach dem Kiloertrag bewerten und kaum auf Qualität bei Schnitt und Ernte achten. Dies wird sich mittelfristig ändern, wenn die in den letzten drei Jahren angelegten riesigen Neupflanzungen der großen Weingüter erstmals in den Ertrag und später dann auf den Markt kommen. Mehrere Hundert Hektar Rebenneupflanzungen wurden in den letzten zwei bis drei Jahren in Kachetien vorgenommen, auch dies eine durchaus respektable Investition in die Zukunft des georgischen Weines. Der Trend geht weiter, Reserveflächen sind ja vorhanden. Rund 40.000 ha früherer Rebflächen warten drauf, wieder bestockt zu werden.

In zehn Jahren erst wettbewerbsfähig

Experten erwarten in wenigen Jahren deshalb eine weitaus bessere Traubenqualität bei weitaus geringeren Produktionskosten, eine Entwicklung, die sich aber erst in fünf bis zehn Jahren am Exportmarkt durchschlagen wird. Das heißt, der georgische Qualitätsweinbau hat mittelfristig durchaus Chancen, seine Wettbewerbsfähigkeit in Qualität und Preis zu verbessern, will heißen: bessere Qualität zu marktfähigeren Preisen bei größerem Angebot. Dann erst wird sich der georgische Wein auch um die europäischen Märkte kümmern müssen, die er heute noch mit gebremster Aktivität bearbeitet. Dass dies dann auch Auswirkungen auf die soziale Lage der Kleinbauern bringen wird, die derzeit die heimlichen Gewinner des georgisch-russischen Weinboomes sind, sei heute nur am Rande vermerkt. Ihre Monopolstellung bei der Traubenproduktion werden sie verlieren.

Ein weiteres Hindernis für den Export des georgischen Weines in die EU ist die fehlende Zertifizierung georgischer Weine. Zwar sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ursprungskontrolle nach europäischem Muster mittlerweile geschaffen, aber die Labortechnik ist noch nicht EU-kompatibel. Daran wird gearbeitet, zwei Laborprojekte, die beide international akkreditiert werden sollen, wurden angefangen, beide mit internationaler Hilfe. Eines wird von der deutschen GTZ in Zusammenarbeit mit dem georgischen Landwirtschaftministerium aufgebaut, das andere von der georgischen Exporteursvereinigung zusammen mit UNDP (United Nations Development Program) und fachlicher Begleitung durch den deutschen TÜV-Nord. In beiden Fällen hofft man, bis Ende diesen Jahres noch mit den ersten Untersuchungen beginnen zu können. Sollten diese Labors tatsächlich ihren Betrieb aufnehmen und die georgischen Weingüter ihre Verpflichtung, über die Herkunft ihrer Weine und deren Verarbeitung im Keller genauestens Buch zu führen, einhalten, dürfte die derzeitige Importbeschränkung für georgischen Wein in die EU nicht mehr lange Bestand haben.

Kaum Geschäftsabschlüsse auf der PROWEIN

Auf der PROWEIN waren es deshalb vor allem die Einkäufer aus Russland, dem Baltikum, der Ukraine und Kasachstan, die den Stand der georgischen Weinwirtschaft bevölkerten. In diesen Ländern verkaufen die georgischen Weingüter nahezu 100 % ihrer Exporte. In Europa, erklärte einer der Verkaufsmanager unumwunden, sind wir eigentlich nur des Prestiges wegen. Es gehöre halt einfach dazu, zum Beispiel in England präsent zu sein. Das kann sich in einigen Jahren ändern, wenn das Angebot guter georgischer Weine gestiegen sein wird. Außerdem wissen vorausschauende Manager durchaus um das Risiko, im Export überwiegend von einem Kunden, nämlich Russland und der GUS, abhängig zu sein. Ein kleiner Schnupfen der russischen Wirtschaft kann dann in der georgischen Weinwirtschaft eine verheerende Infektion auslösen. Die Erfahrung hatte man vor ein paar Jahren bereits gemacht, als die russische Wirtschaftskrise voll auf den georgischen Weinbau durchschlug.


Konkrete Geschäftsabschlüsse in Europa haben die georgischen Anbieter auf der PROWEIN noch nicht vermelden können, aber einige sehr gute Kontakte, sagen sie. Konkreter wurde man allerdings beim Weingut Peter Mertes, deren Chef, Michael Willkomm, sich bisher beharrlich weigerte, seinen Saperavi aus Gremi aufs deutsche Lager zu legen. Nach der sehr guten Nachfrage auf der PROWEIN soll schon in wenigen Tagen ein erster Container von Kachetien in Richtung Mosel verschifft und in ein paar Wochen in Deutschland angeboten werden. Ein Großhändler aus dem Rhein-Main-Gebiet wird ihn vertreiben. Der Endverbraucherpreis für die Weine der Marke "Monastry Gremi" soll im Versandhandel deutlich unter 10 € pro Flasche liegen. Die PROWEIN 2003 hat somit zumindest für Liebhaber georgischen Weines in Deutschland eine erste Erfolgsmeldung.

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Weitere Informationen zum Thema:

Mit alter Tradition zu neuen Ufern
das deutsche wein- magazin
Jan. 2003

Georgische Weine im Versandhandel:
www.gourmantis.de

Artikel aus Georgien-News:

Marani Weinkeller in Telawi (Nov/2002)

Weinfabrik Peter Mertes in Gremi
(Juli 2002)


Geolab (Juli 2002)

Bagrationi Sektfabrik in Tbilissi (April 2002)


















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