Wir geben es ja zu: Der Angriff gegen die Chinkali, ein georgisches
Gourmet-Heiligtum, ist von langer Hand vorbereitet. In den Hinterköpfen
der GN-Versuchsköche spuken schon lange Zeit viele Ideen herum,
wie man der rustikalen Nudelteigtasche aus dem Kaukasus mit der
herzhaften und saftigen Hackfleischfüllung international etwas
auf die Sprünge helfen könnte. Aber zu trauen haben wir
es uns halt doch nicht gewagt. Der internationale Chatschapuri,
mit dem wir unsere Reihe der "Neuen Georgischen Küche"
eröffnet haben, hat unsere Angriffslust auf die kulinarische
Ehre Georgiens voll und ganz befriedigt.
Aber Irina Epitashvilis Restaurant-Test in der letzten Ausgabe
von GN hat uns dann doch zu einem präventiven Erstschlag
ermutigt. Immerhin hat man im Chinkali-Zentrum am Rusaweli mit
bereits sechs Varianten der kunstvoll gefalteten Teigtaschen ganz
beachtlich aufgerüstet. Drei davon sind sogar vegetarisch
- und das im Lande des allgegenwärtigen Mzwadi.
Also haben wir uns im sicheren, weil fernen alten Europa ans
Werk gemacht und einen ganzen Samstag Abend neue Chinkali-Varianten
in Stellung gebracht. Die GN-Reform-Koalition der Willigen setzte
sich zusammen aus Thea Ketchagmadse, deren Großeltern aus
Schatili stammen und die damit sozusagen Chinkali-genetisch erheblich
vorbelastet ist. Daran konnte auch ein mehrjähriger Deutschlandaufenthalt,
tags zuvor abgeschlossen mit einem superguten kaufmännischen
Diplom, nicht viel ändern. Dazu gesellten sich als kreative
Koch-Köpfe Frank Neubüser, Theas Freund und ausgewiesener
Georgien-Kenner, und Rainer Kaufmann, GN-Chef und unter den Expats
in Tbilissi bekannt als italienisch-deutscher Kochlöffeljongleur.
Ein Team also, das sich in seinen individuellen Fähigkeiten
wirkungsvoll ergänzte und es vorzog, am Abend der historischen
Entscheidung über den deutschen Superstar den internationalen
Superchinkali zu küren.
Zuerst zum Teig, für den selbstverständlich Thea verantwortlich
zeichnete. Im Chinkali-Entwicklungsteam hatten sich durchaus georgische
Verhaltensweisen eingeschlichen: die Frau war zuständig für
die gewöhnliche Hauptarbeit wie Teig kneten, auswellen und
falten, die Herren fürs Schöpferische. Neue Füllungen
zu kreieren erfordert nun mal die volle Konzentration aufs Wesentliche.
Dabei sollte allerdings nicht verschwiegen werden, dass wir unserer
Teigmeisterin das Auswellen desselben durch den Gebrauch einer
bewährten italienischen Nudelmaschine durchaus erleichterten.
Damit wurden die Teiglinge schön und vor allem gleichmäßig
dünn. Mit dem Ausstechen gabs dann allerdings ein Problem,
die normalen Ausstechformen und Gläser waren zu klein. In
Georgien werden nämlich die ausgestochenen und relativ dicken
Teiglinge per Hand zu ihrer endgültigen Stärke ausgewellt,
eine Wahnsinnsarbeit, die wir gerne italienischen Nudelmaschine
überlassen wollten. Hilfe fanden wir erst im Deckel eines
Riesen-Nutella-Glases, der immerhin den Durchmesser von elf Zentimetern
aufwies. Wer sich also des Komforts einer Nudelmaschine bedienen
möchte, sollte sich vorher nach einer geeigneten Ausstechform
umschauen: Zehn Zentimeter Durchmesser sollten es schon sein,
besser 13 - 15.
Jetzt also zu unserem Teigrezept: Wir haben ein Weizenmehl der
Type 405 verwendet, das sichtbare Bestandteile von Weizenkeimen
enthält. Diese geben den Chinkali später eine schöne
optische Struktur. Auf ein Kilo Mehl haben wir drei Eier (zwei
reichen auch) genommen, damit der dünne Chinkaliteig beim
Kochen fest genug wird und nicht bricht. Nichts haben wir nämlich
mehr gefürchtet als raffinierte Füllungen in einem dicken,
ordinären Teigknubbel. Damit der Teig trotz der Eier bei
der Verarbeitung nicht zu schnell trocknet und schön geschmeidig
bleibt, haben wir drei Esslöffel Olivenöl zugegeben
und reichlich Salz. Es hat blendend funktioniert.
Das Falten der Chinkali setzen wir bei der durchschnittlichen
Georgien-Erfahrung unserer Besucher einfach voraus. Wers noch
nicht kann, kann auf der Fotoleiste rechts etwas Nachhilfe finden.
Jetzt zu den Füllungen: Sechs haben wir ausprobiert und alle
sechs haben es in sich. Hier die Rezepte, wobei es mit den Mengenangaben
etwas schwierig ist, da wir ja nicht wissen, wie viele Gäste
bei Ihrer Super-Chinkali-Party am Tisch sitzen. Da ist auch Ihre
Entscheidungsfreude gefragt. Grundsätzlich gilt für
aber alle Füllungen: Sie sollten nicht zu dick und zäh
sondern eher flüssig sein. Denn der Chinkaliteig entzieht
beim Garen der Füllung einen Teil ihrer Flüssigkeit.
Wenn man den typischen Chinkali-Genuß mit dem Auszuzeln
der Flüssigkeit bewahren will, sollte man bei den Füllungen
mit Flüssigem großzügig umgehen. Aber das muss
jeder selbst ausprobieren
Eine zweite Grundregel gilt: Seien Sie nicht zu sparsam mit den
Gewürzen. Die Würze der Füllung muss ja auch für
den Teig ausreichen, der völlig neutral daherkommt. Wer also
bei der Fülle mit Gewürzen spart, den ärgert später
ein ziemlich fader Chinkali. Für Georgier eine Horrorvorstellung.
Genug der Vorreden, jetzt wird's konkret: Chinkali goes international.
Gewürfelter Bauchspeck und Champignons, am besten die würzigen
Waldchampignons, zu gleichen Teilen durch den Fleischwolf drehen,
mit frisch gemahlenem Pfeffer und Salz würzen. Etwas Sahne
zugeben, nur zum Verfeinern, denn die Champignons ziehen normalerweise
genug Flüssigkeit.
Sauerkraut und Schinkenwürfel (auch Kassler oder eine gepökelte
Zwiebelmettwurst oder Rohpolnische) ebenfalls zu gleichen Teilen
durch den Fleischwolf drehen, Sauerkrautsaft oder Fleischbrühe
dazugeben und mit frisch gemahlenem Pfeffer, Salz und Kümmel
würzen.
Lauch, in dünne Ringe geschnitten und ganz kurz (eine Minute
etwa) blanchiert, geschälte und gewürfelte Tomaten,
Zwiebel, Knoblauch und reichlich Schafskäse durch den Fleischwolf
drehen, mit frisch gemahlenem Pfeffer, Salz und Kräutern
der Provence würzen. Diese Füllung bildet genug eigene
Flüssigkeit. Wer`s herzhaft mag, ersetzt den Schafskäse
mit Roquefort, sollte dann aber vorsichtig mit der Menge umgehen.
Tief gefrorenen Blattspinat und Schafskäse zu gleichen Teilen,
dazu Knoblauch und Haselnüsse (oder Walnüsse) nach Geschmack
durch den Fleischwolf drehen, etwas Gemüsebrühe dazugeben
und mit frisch gemahlenem Pfeffer, Salz und etwas Muskatnuss würzen.
Klebrig gekochten Reis und Shrimps (nur diese werden durch den
Fleischwolf gedreht) zu gleichen Teilen vermischen, Wasser oder
etwas Fischfond dazugeben, mit reichlich Sojasauce und chinesischer
Gewürzmischung abschmecken. Statt Shrimps kann man auch die
in Georgien erhältlichen Krabbensticks verwenden. Dazu kann
man aufgeweichte Mu Err Pilze oder Bambussprossen mit durch den
Fleischwolf drehen. Wer`s herzhaft mag, gibt eine Chilieschote
dazu und reichert die fertige Mischung noch mit ein paar gehackten
Sojasprossen an.
Eiskaltes Lachsfilet in Würfel schneiden und durch den Fleischwolf
drehen. Auf eine handelsübliche Filetscheibe (125 gr) ein
Viertel Liter Sahne zugeben, eventuell etwas Fischfond. Mit fein
gerebeltem trockenen oder fein gewiegtem frischen Estragon (es
kann auch Dill sein), Salz und frisch gemahlenem Pfeffer würzen.
Klingt doch alles recht verführerisch? Oder nicht? Nur wer`s
ausprobiert, weiß, was andere versäumen. Und nicht
vergessen: Wenn Sie sich eine neue Chinkali-Füllung ausgedacht
haben, schreiben Sie uns unter erka@wanex.net
. Wir werden die besten Ideen vorstellen und mit einem üppigen
traditionellen Chinkali-Essen für fünf Personen im Chinkali-Zentrum
am Rustaweli prämieren.
PS. Die Dessert-Variationen unserer Chinkali haben wir nicht
vergessen. Wir werden den süßen Chinkali eine ganze
Ausgabe unserer Serie über die "Neue Georgische Küche"
widmen. Haben Sie also etwas Geduld. Im April gibt's zunächst
einmal Saperawi-Pflaumen in Berghonig mit Zimteis. Dieser raffinierten
Nachtisch kann in Georgien und Deutschland gleichermaßen
zubereitet werden.
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