Ehrlich gesagt: Die Anfahrt zu einem der schönsten Restaurants
von Tbilissi ist genauso gewöhnungsbedürftig wie seine
Lage. Und jeder, der sich nicht absolut sicher ist, an der Beliaschwili
Strasse im Stadtteil Digomi auch wirklich ein Topp-Restaurant zu
finden, wird frustriert wieder umkehren, bevor er die "Mühle"
am Kuraufer ganz in der Nähe des Filmstudios wirklich erreicht.
Dabei ist das frühere Mühlengelände des Dschumber
Maglakelidse heute das In-Restaurant von Tbilissi. Und im Zentrum
des vom Tbilisser Stadtarchitekten Mamuka Tschchaidse grosszügig
und stilvoll angelegten Restaurant-Parks steht noch die alte Mühle,
in der auch tatsächlich noch Mehl gemahlen wird. Nur Dschumber
Maglakelidse, der 69-jähriger Müller, macht manchmal den
Eindruck, als ob er dem Wandel nicht ganz gewachsen wäre. Dabei
war es seine ureigene Idee, die Mühle zu einem Restaurant umzubauen.
Dschumber Maglakelidse - er stammt aus Imeretien - war Jurist
in Tbilissi, als er im Jahr 1988 pensioniert wurde. Um seine Pension
ein wenig aufzubessern, baute er in Digomi am Kuraufer, wo ein
Wasserzulauf aus Didi Digomi genügend Energie versprach,
eine kleine Mühle. Viele Leute aus Tbilissi brachten ihm
Mais und Weizen, für die er ihm Lohn Mehl produzierte. Rund
um seine Mühle hatte er seinen Garten mit Wein und Obst.
Das war noch so vor einem Jahr, als Dschumbers Tochter Khatuna
die Idee ihres Vaters aufgriff und aus der Mühle ein Restaurant
machte. Und sie machte nicht irgend eine kleine Kneipe für
Maisbrot und Chatschapuri, Khatuna suchte und fand ein paar tatkräftige
Finanziers, einen ausgezeichneten Architekten und schuf mitten
im industriellen Nirgendwo am Rande der Grossstadt Tbilissi ein
Restaurant-Ensemble, das seinesgleichen sucht.
Rund um die alte Mühle, deren Gestänge in einer Art
Vitrine den Hauptsaal des Restaurants ziert, entstand eine Kombination
an stilvollen Restaurants, Terrassen und Coupees, wobei sich der
Architekt der natürlichen Umgebung des Geländes angepasst
hat. Viele Steintreppen und Holzkonstruktionen zeichnen die neue
Mühlenlandschaft aus, wobei Khatuna Maglakelidse voll Stolz
erklärt, dass man alle Bäume und Reben habe erhalten
und in die Gestaltung integrieren können. Daher kommt es,
dass auch dieAussenanlagen des erst im August diesen Jahres eröffneten
Restaurants in voller Begrünung stehen.
Auf der oberen Etage der Gesamtanlage befinden sich sechs Separees
- alle mit einem Blick über die Kura - und das Brothaus,
das als eigenes Etablissement geführt wird. Neben frischem,
ofenwarmen Holzofenbrot gibt es hier alle georgischen Spezialitäten,
vor allem ein kleines Schwein, das vor den Augen der Gäste
gegrillt wird. Ein Raum für ursprüngliche
Feste und Parties für rund 25 Pesonen. Im Sommer sitzt man
rund um einen Backofen mitten im grosszügig angelegten Garten.
Auf halber Höhe ist ein weiteres Separee, stilvoll dekoriert
mit Kamin und traditionellen georgischen Dekorationen. Überhaupt:
Das Interieur der gesamten Anlage ist mit sicherem Geschmack ausgewählt,
nirgendwo überladen oder aufdringlich, überall vermittelt
es etwas vom ursprünglichen Charakter Georgiens.
Das Hauptrestaurant gliedert sich wiederum auf drei Ebenen, ganz
unten der grosse Saal mit einer Tafel für sicher 60 Gäste,
darüber zwei Balkon-Etagen. Die Terrassen sind am kleinen
Wasserfall, mit dessen Kraft Dschumber Maglakelidse auch heute
noch seine kleine Mühle betreibt. Allerdings kommen keine
Kunden mehr mit Weizen und Mais, die Mühle arbeitet nur noch
für den eigenen Bedarf des Restaurants.
Die Speisekarte ist typisch georgisch, wenngleich man mit einigen
Spezialitäten den traditionellen Rahmen etwas sprengt, so
etwa ein Apfel-Zwiebel-Fisch-Salat oder ein attraktiv aufgebauter
Hühnerschaschlick über einem Pilzragout, das in einem
aus Maismehl gebackenen Teller serviert wird. Ein bisschen Show
darf in dieser Kulisse schon sein. Apropos Show und Unterhaltung:
In der Mühle spielt jeden Abend, ausser Montag, das "Quintett
Urmuli", das auch in Deutschland durch einige Konzerttourneen
bekannt ist.
Die Preise sind dem Ambiente angemessen, wenngleich durchaus
im Rahmen. Ein Riesen-Chatschapuri kostet 5 GEL, Suppen 3,50 GEL,
Vorspeisen gibt es zwischen 4 und 10 GEL, ein ganzes gegrilltes
Huhn steht für 20 GEL in der Karte, die Hausspezialität
- eine Platte mit gegrillten Rinderrippenstücken - für
25 GEL, Schlaschliks gibt es für 4 - 7 GEL. Das ist keineswegs
teurer als in anderen Restaurants gehobenen Stils. Offene Weine
bietet Khatuna Maglakelidse für 4 - 8 GEL an, die Flaschenweine
liegen zwischen 7 und 25 GEL. Für eine georgische Tafel muss
man je nach Ausstattung zwischen 30 und 50 GEL pro Person rechnen.
Es gibt genügend zahlungskräftige Kundschaft in Tbilissi,
die solche Preise nicht abschrecken. Die Mühle in Digomi
ist nicht das einzige neue Restaurants, die Konkurrenz ist ganz
gewaltig. Trotzdem empfiehlt es sich, telefonisch einen Tisch
zu bestellen, bevor man die weite Anfahrt nach Digomi antritt.
Denn die Mühle erfreut sich bestens Zuspruchs der guten Tbilisser
Gesellschaft.
Leider gibt es noch keine englische Speisekarte, ein Umstand,
der aber einfach zu beheben sein wird. Etwas schwerer wird sich
das Management schon mit dem Panorama-Ausblick tun. Denn das Gegenüber
auf der anderen Kuraseite wäre selbst für Christo, das
Verpackungsgenie, eine Herausforderung ungewohnten Ausmasses.
Adresse:
Restaurant "Mühle" - "Tsiskwili"
Beliaschwilistrasse
Gegenüber dem Digomi-Filmstudio
Telefon: 53 07 97
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