Der Präsident hat die letzte Entscheidung getroffen und er übernimmt dafür persönliche Verantwortung. Mit dieser knappen Erklärung beendete Eduard Schewardnadse am Montag den tagelangen Machtkampf zwischen den georgischen Naturschützern und der Bordschomi-Mineralwasser-Industrie auf der einen und den Befürwortern der Ölpipeline unter Führung von British Petroleum auf der anderen Seite. Die Bordschomi-Seite hatte zusammen mit der georgischen Ministerin für Umweltschutz verlangt, die Trassenführung der Pipeline dergestalt abzuändern, dass das Einzugsgebiet des Bordschomi-Mineralwassers nicht tangiert wird. BP lehnte dies kategorisch ab. Damit drohte unter ungünstigsten Umständen sogar ein Scheitern des für die Region so wichtigen Transportprojektes. Die internationale Öllobby hatte deshalb in den letzten Tagen heftig Druck gemacht, denn schon im Januar sollen die ersten Röhren aus Japan angeliefert werden. Dem georgischen Präsidenten blieb wohl nichts anderes übrig, als diese Entscheidung zu treffen und die endgültige Zustimmung der georgischen Regierung für das Projekt zu erteilen. Heftige Kritik an der Trassenführung war nach einer Stellungnahme der georgischen Akademie der Wissenschaften im Sommer diesen Jahres aufgekommen (GN berichtete darüber).

Der Druck auf Schewardnadse war in den letzten Tagen massiv geworden. Auf dem NATO-Gipfel in Prag war er von seinem aserischen Kollegen Aliew bedrängt worden, den Zeitplan des Pipelinebaus nicht durch georgische Querelen um Mineralwasser und Naturschutz zu gefährden. Präsiden Bush schickte Mitte November gar seinen persönlichen Berater für diplomatische Fragen der Kaspische Energie, Steven R. Mann, für drei Tage als Feuerwehrmann nach Tbilissi, um die Widerstände gegen die Öltrasse zu brechen. Und aus Aserbaidschan war am vergangenen Wochenende der dortige BP-Boss David Woodward an die Kura geeilt, um das endgültige OK der Georgier für den Pipelinebau einzuholen.


Konkret geht es bei dem Streit um rund 17 der insgesamt 1.743 Kilometer langen Pipeline von Baku ins türkische Ceyhan. Um das Gebiet rund um die südgeorgische Stadt Achalkalaki umgehen zu können, führt die Trasse der Pipeline über den 2.454 m hohen Tzrazkaro-Pass und von da am nördlichen Abhang des Berges Karakaja in Richtung Azkuri, von wo aus sie der Kura folgend nach Achalziche geführt wird. Zwischen Tzrazkaro-Pass und Azkuri führt die Pipeline durch das Wassereinzugsgebiet von Bordschomi und streift den Nationalpark Bordschomi-Kharagauli. "Das gibt es nirgendwo auf der Welt", schimpft Jaques Fleury, französischer Generalmanager des Bordschomi-Wasser-Abfüllers GGMW Ltd. (Georgian Glas and Mineral Water). Niemand könne sich eine Ölpipeline durch den Yellowstone-Nationalpark oder das Einzugsbegiet einer französischen Wassermarke wie Evian oder Perrier vorstellen. Georgien aber müsse sich dem Druck der internationalen Öl-Lobby beugen und gefährde so die Existenz eines seiner wichtigsten Exportartikels.

Fleury erklärte, dass wegen der Pipeline das Einsteigen einer wichtigen europäischen Mineralwassermarke als Investor in Bordschomi definitiv gescheitert sei. Niemand wolle in eine Mineralwassermarke in Georgien investieren, deren Qualität durch den geringsten Schaden an der Pipeline nachhaltig gestört werden könne. Fleury`s Wasserbrunnen in Bordschomi braucht aber dringend neues Investment. Der russische Markt wächst jährlich um 45 %, wenn Georgien dort seine Stellung halten will, muss GGMW in den Ausbau seiner Produktion investieren. Bis heute hat man nur 25 % des Absatzes aus der Sowjetzeit erreicht, das Potential für eine weiter dramatisch wachsende Minerwalwasserindustrie ist also vorhanden. Nur, dies sei, so Fleury, eine unternehmerische Binsenweisheit, könne die Firma ein solches Wachstum aus eigener Finanzkraft nicht schaffen. Der abgesprungene Investor wollte sofort mit rund 30 Millionen $ einsteigen, insgesamt war ein Investment von 50 - 100 Millionen $ geplant. Das alles sei jetzt durch die Entscheidung Schewardnadses, dem man aber angesichts des politischen Drucks von aussen keinen persönlichen Vorwurf machen könne, infrage gestellt, erklärte Fleury am Dienstag Vormittag nach seiner Rückkehr aus Frankreich in einem Gespräch mit GN.

Der entscheidende Gegenspieler der georgischen Mineralwasserindustrie sitzt in den USA. Obwohl US-Öl-Diplomat Steven R. Mann in einer Pressekonferenz erklärte, die amerikanische Regierung sei weder Investor noch Bauherr dieser Pipeline und er selbst sei nur gekommen, um sich einen persönlichen Eindruck vom Fortgang der Ereignisse zu machen, hat insbesondere Washington den georgischen Präsidenten gedrängt, die geplante Pipeline-Trasse freizugeben. Sonderbotschafter Mann liess nicht nur hinter verschlossenen Türen keinen Zweifel daran, dass Änderungen an der Trassenführung, wie sie in Georgien diskutiert worden waren, nicht infrage kämen.

Das Gebiet von Achalkalaki wird nahezu vollständig von Armeniern bewohnt, die auch einen Grossteil der in der russischen Militärbasis Achalkalaki stationierten Soldaten stellen. Aus amerikanischer Sicht sind sowohl der armenisch-aserische Konflikt um Berg-Karabach als auch die Anwesenheit russischer Soldaten in Achalkalaki Grund genug, die Stadt zum Sicherheitsrisiko für eine Pipeline zu erklären und ultimativ die technisch aufwendige Umgehung dieses Gebietes durch die ökologisch sensible Bordschomi-Region zu verlangen. Und BP-Woodward untermauerte diese Forderung ebenfalls in einer Pressekonferenz mit der Feststellung, die georgische Regierung selbst habe in der Planugsphase erklärt, im Gebiet von Achalkalaki wegen der ethnischen und politischen Situation keine absolute Sicherheitsgarantie für die Pipeline abgeben zu können.

Steven R. Mann malte das amerikanische Worst-Case-Szenario indirekt an die Wand, als er einräumte, die USA würden in der zweiten Phase ihres militärischen Ausbildungsprogramms in Georgien auch Spezialeinheiten zur Sicherung der Pipeline ausbilden. Das 64 Millionen $ schwere Programm war ursprünglich nur mit der Anwesenheit von Al Quaida Leuten im Pankisital begründet worden, Steven R. Mann machte jetzt aber auch verbal klar, dass es bei diesem Programm doch von Anfang an eher um die Absicherung der Pipeline ging. In den USA befürchtet man wohl, dass im Falle einer - im Augenblick zwar kaum erkennbaren, jedoch nicht völlig auszuschliessenden - regionalen Spannungssituation, ausgelöst etwa durch ein neues Aufflackern des Karabach-Konflikts, US-trainierte (und wohl auch auf Dauer US-geführte) georgische Soldaten die Pipeline vor Kräften schützen müssten, die nicht ohne Unterstützung der russischen Militärbasis Achalkalaki operieren könnten. Um diesem Risiko einer direkten Konfrontation der beiden Grossmächte zu entgehen, darf die Pipeline nur durch Gebiete führen, in denen es keine ethnischen Risiken oder keine direkten Verwerfungen mit Russland geben kann. Moskau, das diese Pipeline sowieso mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern wollte, spielt in Achalkalaki wohl seine letzte kleine Trumpfkarte als Störenfried.

Ein paar kosmetische Änderungen konnte Schewardnadse und seine Umweltministerin nach harten Verhandlungen mit BP präsentieren, damit letztere ihren pressewirksamen und von vielen NGO`s unterstützten Widerstand gegen die Trassenführung am frühen Montag morgen ohne allzu grossen Gesichtsverlust aufgeben konnte. So erhielt die georgische Regierung von den Pipeline-Bauern das zusätzliche Recht zugestanden, jederzeit vom Pipeline-Vertrag und damit vom Bau derselben zurücktreten zu können, wenn BP seinen Verpflichtungen hinsichtlich der ökologischen Sicherheit der Pipeline nicht nachkommen wird. Wie dieses Recht im konkreten Fall allerdings eingefordert werden kann, wie man den Begriff "ökologische Sicherheit" zu definieren hat und ob es sich eine georgische Regierung angesichts der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Pipeline jemals wird leisten können, von diesem Recht auch tatsächlich Gebrauch zu machen, blieb auch am Tage nach der Entscheidung offen.

Der Diplomat Schewardnadse hat wieder einmal die alle Knoten auflösende Formulierungen gefunden, British Petroleum kann jetzt mit dem Bau der Pipeline loslegen und die Manager vom Bordschomi-Mineralwasser müssen sich auf die Suche nach einem neuen Investor begeben. Vielleicht findet sich im 3 Milliarden-$-Etat der Pipeline irgendein Posten für begleitende Infrastrukturinvestitionen, aus dem etwas für die Mineralwasserindustrie abgezweigt werden könnte. Damit wäre allen geholfen, vorausgesetzt, es kommt beim Betrieb der Pipeline zu keiner grösseren Leckage auf dem einen Pozent der Pipelinestrecke, die durch das Bordschomi-Wassereinzugsbegiet führt. Dieser für Georgien ökologische GAU wird von den Bauherren der Pipeline völlig ausgeschlossen. Trotzdem mussten sie eingestehen, dass keine Versicherung der Welt bisher bereit ist, dieses Risiko zu übernehmen. Eine Versicherungspolice von einer Milliarde US-$ hatten die Herren des Mineralwassers für ihre Gesellschafter und Investoren verlangt. Vorsorge treffen will dagegen der georgische Sicherheitsrat. Dort wurde dieser Tage ein neuer Stellvertreterposten geschaffen mit dem Aufgabengebiet: Schutz der Pipeline.

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