Als Gott den Georgiern eine Sammlung der schönsten Landschaften der Welt schenkte, hatte er ihnen auch eine Baumart geschenkt, die Jahrmillionen später alljährlich zur Weihnachstzeit zu Ehren der Geburt seines eigenen Sohnes Karriere machen sollte: Abies Nordmannia, der Deutschen liebster Weihnachtsbaum. Dänische und deutsche Baumschuler und Wissenschaftler haben nämlich herausgefunden, dass im georgischen Teil des Kaukasus die genetisch besten Nordmanntannen der Welt wachsen. Zentrum ist die Region Radscha, genauer gesagt, der Wald rund um die Stadt Ambrolauri. Und so wandern Jahr für Jahr einige Tonnen an Nordmannia-Samen zu den Sepzialbaumschulen Europas, für die Sammler und Verarbeiter in Georgien ein gutes Geschäft.

Die Zeiten sind längst vorbei, als Deutschlands Förster kurz vor Weihnachten durch ihre Reviere streiften, Tausende junger Tannen schlugen und diese auf Weihnachtsmärkten als Weihnachtsbäume anboten. Die Produktion von Weihnachtsbäumen ist heute ein Spezialzweig für Baumschulen, etwas für Spezialisten, die vor allen Dingen genau rechnen können. In Dänemark leben einige Baumschulen fast alleine vom Geschäft der Jungpflanzenaufzucht, was nichts anderes bedeutet, als dass sie die jungen Bäumchen nach einem Jahr bereits als kleine Pflanzlinge weitergeben an Betriebe, die dann in Hektar-grossen Baumkulturen in fünf bis sechs Jahren den verkaufsfertigen Weihnachtsbaum züchten.


Bei siner solchen Spezialisierung kommt es vor allem auf die Qualität des Saatgutes an. Ein Keimungsausfall von 30 - 40 %, wie er vor allem bei nordkaukasischen Saatgutaufkommen zu beobachten war, bedeutet bei den enormen Flächenbedarf für den Baumschuler eine finanzielle Katastrophe. Zu solchen war es Anfang der 90-er Jahre des öfteren gekommen, als nach dem Zusammenbruch der staatlichen Strukturen Georgiens, die bis dahin den Nordmanntannensamen exportierten, vor allem nordkaukasische Lieferanten eingesprungen waren und ihre Samen unter dem Label Ambrolauri verkauften.

So machten sich Mitte der 60-er Jahre dänische und deutsche Baumschuler auf den Weg nach Georgien, um ihre alten Lieferbeziehungen wieder aufzubauen. In Deutschland hatte sich insbesondere die Baumschule Geigle aus Nagold dieser Thematik angenommen. In mehreren Expeditionen hat sie zusammen mit Prof. Dr. Jürgen Matschke aus Münster den Bestand an Nordmanntannen in ganz Georgien untersucht. Das Ergebnis: Geigle hat unter einigen Hundert Millionen von Nordmanntannen rund 200 sogenannte Muttertannen ausgesucht und markiert, deren genetische Eigenschaften beste Zuchtergebnisse bringen. Von all diesen Bäumen gibt es genetische Prints, mit denen angeliefertes Saatgut überprüft werden kann.


Die Sammler von Geigle kennen diese Mutterbäume, die nicht nur in Radscha stehen, sehr genau, sie sind teilweise auch mit elektronischen Chips markiert. Von dänischen Baumschulen weiss man, dass sie ihre Sammler über das Global Position System während der Erntesaison überwachen, damit ihnen nicht etwa minderwertiges Saatgut aus schlechteren, dafür aber leichter zugänglichen Lagen untergejubelt wird. Die Standorte dieser Muttertannen sind jeweils Betriebsgeheimnis der Sammler und ihrer Abnehmer. Denn mittlerweile bringen es Geigle und seine dänischen Kollegen auf eine Keimungsquote von 80 - 90 %, das heisst, die Ausfallquote bei der Anzucht konnte im Vergleich zum Beginn der 90-er Jahre halbiert werden. Für das Massengeschäft Weihnachtsbaum und seine Züchter ein unschätzbarer Vorteil.

Der Samen georgischer Nordmanntannen wird auf Höhen von rund 600 bis 1.000 m Meereshöhe gewonnen. Dieser hat für Europa einen idealen Keimzeitpunkt und deshalb ein geringeres Risiko von Spätfrostschäden bei der Jungpflanzenkultur. Der ideale Mutterbaum ist etwa 60 - 80 Jahre alt und rund 40 m hoch, keine Frage, dass er auch optisch ideal stehen muss. Denn beim Weihnachtsbaum kommt es besonders aufs Outfit an.


Geerntet wird Ende September, wobei sich die Sammler schon der Mühe unterziehen müssen, auf die Bäume zu klettern. Die Tannezapfen müssen absolut rein sein, am Boden liegendes Material ist oft mit Pilzen befallen oder anderartig verunreinigt, was der Keimqualität abträglich ist. Ausserdem müssen die Zapfen noch völlig geschlossen sein. In den Häusern der Sammler werden sie über 3 - 4 Wochen getrocknet, bevor sie zur Bearbeitung nach Tbilissi transportiert werden. Hier werden die Zapfen mit einer einfachen Hammermühle aufgebrochen. Der Samen wird auf die ideale Grösse abgesiebt und noch einmal sorgfältig getrocknet, bevor er versandfertig wird. Keine besonders aufwenige Technologie, trotzdem gibt es in Georgien nur zwei Plätze, an denen Tannensamen sortiert werden kann.


Bester georgischer Samen wird bei rund 30 € pro kg ab Verarbeitung gehandelt, in Europa kostet er zwischen 60 und 100 €. Ein Sammler bringt es am Tag auf rund 100 kg Zapfen, aus denen rund 10 kg Qualitätssamen gewonnen werden. Aus einem kg Samen entstehen nach fünf bis sechs Jahren rund 700 Weihnachtsbäume, die dann für 20 - 25 € das Stück verkauft werden. Georgien exportiert derzeit bis zu 15 Tonnen Samen pro Jahr, etwa zur Hälfte nach Deutschland und Dänemark. In fünf bis sechs Jahren wachsen daraus jeweils rund 10 Millionen Weihnachtsbäume, unter deren Lichterglanz einige Millionen Kinder ihre Weihnachtspakete öffnen dürfen. Die Mütter dieser Bäume, ein paar Hundert an der Zahl, stehen unauffällig irgendwo im grossen und kleinen Kaukasus. Und um die Lebensgeschichte der Weihnachtsbäume aus Georgien zu ihrem wahren Ende zu erzählen, sei hinzugefügt, dass nach drei bis vier Wochen, in denen die jungen Tannenbäume ihren Weihnachtsdienst versehen, emsige Pfadfinder durch Deutschlands Strassen ziehen, die Weihnachtsbäume einsammeln, zu Weihnachtsbaumsammelstellen bringen, wo sie klein gehechselt und dann verkompostiert werden.
















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