Auf der Autobahn nach Westgeorgien, dort wo eine neue Trasse das
Dörfchen Ksani mit seiner engen Ortsdurchfahrt und der berühmtesten
Strassenkante Georgiens, der kleinen Sprungschanze, umfährt,
prangt linkerhand neuerdings ein grosses Werbeschild der Aktiengesellschaft
MINA. Mit gutem Grund, denn die Ksani-Glasfabrik von MINA ist
der einzige Betrieb der georgischen Schwerindustrie, der richtig
boomt. Eine Folge dieser rassanten Entwicklung: An diesem Wochenende
geht eine zweite Produktionslinie für Glasflaschen in Betrieb,
die in den vergangenen Monaten für insgesamt 7 Millionen
US-$ aufgebaut wurde. Beim Anfahren des neuen Glasofens vor wenigen
Tagen war Staatspräsident Eduard Schewardnadse höchstpersönlich
in die eine halbe Autostunde von Tbilissi entfernte Glasfabrik
angereist.
Die Ksani-Glasfabrik
ist nicht besonders alt, sie wurde erst 1988 in Betrieb genommen.
1992 schon, nach dem Zusammenbruch der georgischen Mineralwasser-
und Weinwirtschaft kam auch für die Glasöfen in Ksani
das Aus. Rund 500 Menschen aus den Dörfern Ksani und Muchrani
standen auf der Strasse.
1997 übernahm
die türkische SISECAM-Gruppe den heruntergekommenen Betrieb
und nahm die Arbeit in den veralteten Produktionsanlagen wieder
auf. Aber erst nachdem die Folgen der russischen Wirtschaftskrise
von 1998 überwunden worden waren, steigerte sich die Nachfage
nach Flaschen derart, dass MINA im vergangenen Jahr den Bedarf
des georgischen Inlandsmarktes nicht mehr aus eigener Kraft befriedigen
konnte. Dies gilt sowohl für die von der georgischen Wirtschaft
angeforderten Mengen als insbesondere auch für die Qualitäten,
die aus der einzigen alten Produktionslinie, die man 1997 wieder
angefahren hatte, herauszuholen waren. Mit 18.000 Tonnen Glas,
das sind rund 70 Millionen Verpackungseinheiten pro Jahr, war
die Anlage voll ausgelastet. Die neue Produktionslinie soll 30.000
Tonnen produzieren. Mit ihr will man nicht nur den Ausstoss erhöhen,
man will auch höherwertige Flaschen als bisher produzieren,
um vor allem die Nachfrage der Weinwirtschaft nach edleren Verpackungen
abdecken zu können.
Hauptabnehmer
der Flaschen sind Bordschomi, Coca Cola und die georgische Bier-
und Weinwirtschaft, die alle über erhebliche Zuwachsraten
berichten können. Ausserdem hat man sich auch einen bescheidenen
Exportanteil vor allem in Aserbaidschan aufgebaut, der jetzt,
nachdem die neue Produktionslinie angefahren wird, ausgebaut werden
kann. Auch an russischen Märkten ist man interessiert, die
kalkulatorische Frachtgrenze für den Absatz von Glasflaschen
liegt bei einem Radius von etwa 500 km. Die Kundenliste umfasst
heute 70 Betriebe, das Sortiment etwa 30 verschiedene Flaschentypen.
Für die
neue Produktionslinie wurden insgesamt 7 Millionen US-$ investiert,
eines der grössten privaten Investitionsvolumen in der Georgien
während der letzten Jahre. 6,2 Millionen $ wurden über
einen Kredit der privatwirtschaftlichen Weltbank-Tochter IFC (International
Financial Cooperation) aufgebracht, der Rest aus eigenen Mitteln.
Der IFC hält ebenso wie die EBRD (European Bank for Reconstruction
and Development) einen Kapitalanteil von 19 %, der Rest, 62 %
also, gehört der türkischen Muttergesellschaft SISECAM.
Diese beschäftigt in der Türkei, in Russland, Georgien
und Bulgarien insgesamt 12.000 Mitarbeiter und bewältigt
ein Umsatzvolumen von nahezu einer Milliarde US-$. Die georgische
MINA ist mit rund 4,5 Millionen $-Jahresumsatz ein noch recht
kleines Tochterunternehmen, aber im nächsten Jahr schon werden
10 Millionen angepeilt. SISECAM produziert Glasverpackungen, Flachglas
und Glaswaren aller Art, ein weiteres Standbein ist die chemische
Industrie.
Das Umsatzwachstum
bei MINA ist auch nötig, denn ein Glasofen, der auf 1.500
Grad Celsius aufgeheizt ist, muss rund um die Uhr durcharbeiten
und das 365 Tage im Jahr. Die neue Produktionslinie in Ksani ist
auf modernstem Standard, die Technologie stammt grösstenteils
aus Italien. Im Frühjahr, wenn die neue Produktionsstrecke
ihre Bewährungsprobe überstanden hat, soll der alte
Ofen heruntergefahren und dann ebenfalls modernisiert werden.
Dann wird die gesamte Anlage auch europäischen Umweltstandards
entsprechen.
Etwas mehr
als 250 Mitarbeiter beschäftigt MINA heute in Ksani, die
Löhne liegen zwischen 100 und 500 GEL. In ein paar Jahren
schon könnte sich diese Zahl erhöhen. Denn wenn die
Inlandsnachfrage nach Glasverpackungen weiter so steigt wie in
den letzten beiden Jahren, dann dürfte auch die Kapazität
des neuen Glasofens in drei bis fünf Jahren ausgereizt sein.
Und da die Strategie der türkischen Mutter, immerhin Nr.
5 in der europäischen Glasindustrie, darauf abzielt, in den
regionalen Märkten in der direkten Nachbarschaft der Türkei
die Marktführung zu behaupten, ist der nächste Investitionsschub
durchaus schon abzusehen. RUSCAM, die russische Tochter des türkischen
Glasimperiums, hat in diesem Sommer einen zweiten Glasofen in
Betrieb genommen. Dessen Jahreskapazität liegt bei 90.000
Tonnen.
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