Nach
der Befreiung von Peter Shaw
Agro Business Bank soll jetzt schnell privatisiert werden
Peter Shaw, der
britische Bankenberater in georgischen TACIS-Diensten, der 141 Tag
lang von Kidnappern festgehalten worden war, ist längst zurück
in England und trotzdem beschäftigt der Fall nach wie vor Medienwelt
und Politik. Die Spekulationen in den georgischen Medien sind in
den letzten Tagen derart ins Kraut geschossen, dass sich EU-Botschafter
Torben Holtze genötigt sah, in einer Pressekonferenz die Position
der EU-Vertretung in Georgien klar zu stellen. Dabei wurde bekannt,
dass die Agro Business Bank wohl mit der Mikrofinanzbank, die von
der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau geführt wird,
zusammengelegt werden soll.
Die Agro Business
Bank, deren Geschäftsführer Peter Shaw im Auftrag des
EU-finanzierten TACIS-Programms (Technical Assistance für
CIS-Countries) war, gehört zu vier gleichen Teilen Stiftungen,
die aus einem früheren EU-Partnerschaftsfond für die
Landwirtschaft hervorgegangen waren. Von Anfang an war klar, dass
diese Bank irgendwann einmal privatisiert werden sollte, wobei
man seitens der EU bis zur Entführung von Peter Shaw darauf
hoffte, eine europäische Genossenschaftsbank zum Einstieg
bewegen zu können. Angesichts der negativen Propaganda, die
sowohl die Bank als auch das Land Georgien durch den Entführungsfall
in der internationalen Bankenwelt erhalten haben, hat in Brüssel
vom Tag der Entführung an wohl niemand mehr ernsthaft an
ein Bankenengagement von aussen geglaubt.
So war die
EU, deren Diplomaten drei der fünf Aufsichtsratssitze der
ABG innehaben - die anderen werden von der georgischen Regierung
besetzt - wohl während der ganzen Phase der Entführung
hinter den Kulissen gleichzeitig damit beschäftigt, ein in
Georgien ansässiges Kreditinstitut zur Übernahme der
ABG zu motivieren. Ansonsten hätte nicht wenige Tage nach
der Freilassung von Peter Shaw bereits die Nachricht durchsickern
können, dass die Gesellschafter der Mikrofinanzbank MBG (Microfinance
Bank of Georgia) sich mit der Frage beschäftigen, die ABG
zu übernehmen.
Thorben Holtze,
der dänische Botschafter der EU, bestätigte diese Information
in seiner Pressekonferenz zum Fall Peter Shaw, wobei er derzeit
noch offen liess, ob es zu einer Fusion der beiden Banken oder
zu einer direkten Übernahme der ABG durch die MBG kommen
wird. Kenner der georgischen Bankenszene gehen allerdings von
einem Kauf der ABG durch die MBG aus.
Die Konstruktion
macht dehalb Sinn, weil auch die MBG eine Bank ist, deren Kapital
mehrheitlich aus öffentlichen Bankgeldern aus Europa und
Amerika aufgebracht wurde, u.a. von der EBRD, der deutschen Kreditanstalt
für Wiederaufbau und der Weltbank. Und beide Banken bedienen
zumindest ausserhalb von Tbilissi überwiegend denselben Kundenkreis:
die Landwirtschaft, den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten
und die Lebensmittelverarbeitung. Mit dieser Bankenübernahme,
die anscheinend bereits beschlossene Sache ist, ergeben sich erhebliche
Synergieeffekte, weil damit die Filialnetze beider Banken zusammengelegt
werden können.
Die MBG hat
in den letzten beiden Jahren ihr Filialnetz erheblich ausgebaut.
In Tbilissi gibt es die Filiale in der Tamar Mepe Strasse mit
Unterabteilungen im Stadtteil Vake, am Bahnhof und in Marneuli,
die Filiale in Varketili mit einer Unterabteilung in Lilo und
die Filiale in Gldani. In Westgeorgien hat die MBG Filialen in
Batumi mit einer Unterabteilung in Kobuleti, je eine Filiale in
Poti und Kutaissi, letzte mit einen Unterabteilung in Sestaphoni.
In Zentralgeorgien hat die MBG eine Filiale in Gori, während
sie in Ostgeorgien derzeit noch nicht vertreten ist. Damit hat
die MBG ein Netz von 13 Aussenstellen. In Vorbereitung ist die
Eröffnung von Filialen in Sugdidi und weiteren Stadtteilen
von Tbilissi.
Die ABG hat
ausserhalb von Tbilissi insgesamt zehn Filialen, wobei sich nur
die Filialen in Gori, Kutaissi und Marneuli mit denen der MBG
überschneiden. Dafür ist die ABG mit einem deutlichen
Schwerpunkt in Ostgeorgien aktiv, wo sie Filialen in Znori, Telawi,
Dedopliszkaro und Gurdschaani unterhält. Dazu kommen Filialen
in Mzcheta, Senaki und Gardabani.
Für die
EU-Delegation in Tbilissi endet mit der bevorstehenden Übernahme
der ABG durch die MBG auch ein ziemlich glückloses Abenteuer
im Bankengeschäft, in das sie eher zufällig hineingeraten
war. Denn es ist wohl nicht Aufgabe von EU-Diplomaten, ein Bankgeschäft
aufzubauen und zu kontrollieren. Die ABG wurde im Jahr 2000 auf
Initiative des georgischen Staatspräsidenten mit den Mitteln
des sogenannten EU-Partnerschaftsfonds gegründet worden,
der aus Geldern gespeist wurde, die mit dem Verkauf von Mehl erzielt
wurden, das die EU Georgien gespendet hatte. Unter der Verwaltung
einer sogenannte "Credit Management Unit" im Landwirtschaftsministerium
war es zu erheblichen Unregelmässigkeiten gekommen, die man
mit der Konstruktion der ABG mit den Stiftungen als Kapitalgeber
überwinden wollte.
Jetzt werden
die Stiftungen ihre Anteile an der ABG wohl an die MBG verkaufen,
der Erlös muss nach einem "Memorandum of understanding"
zwischen der EU und der georgischen Regierung dem georgischen
Haushalt als Einnahme zufliessen. Es hat den Anschein, als ob
EU und georgische Regierung auf der einen und die Gesellschafter
der MBG auf der anderen Seite nur noch über den Kaufpreis
verhandeln, wobei man vor allem der EU unterstellen kann, dass
sie sich möglichst rasch von ihrem ungebliebten Bankenengagement
trennen möchte.
In der reichlich
komplizierten Vorgeschichte der ABG und den Unregelmässigkeiten
im EU-Partnerschaftsfond sehen Insider auch einen der möglichen
Gründe für die Entführung von Peter Shaw. In den
georgischen Medien wird auch nach der Freilassung von Peter Shaw
kräftig über dessen Verstrickung in schwarze Geschäfte
spekuliert, was schliesslich in der ernsthaft publizierten Variante
gipfelte, Peter Shaw habe mit seiner Frau gemeinsam diese Entführung
inszeniert, um sich mit seinem Anteil an erschwindelten Millionen
abzusetzen. Es gibt sogar Regierungsvertreter und Parlamentsabgeordnete,
die Peter Shaw öffentlich vorwerfen, rund 25 Millionen US-$
gestohlen zu haben.
EU-Diplomat
Torben Holtze wies all diese Vorwürfe gegenüber Peter
Shaw noch einmal entschieden zurück und erklärte, dass
der Generalstaatsanwalt trotz intensiver Untersuchungen der Shaw`schen
Privatverhältnisse bis heute kein Ermittlungsverfahren gegenüber
Peter Shaw eröffnet habe. Thorbe wies auch Darstellungen
georgischer Politiker und Medien zurück, dass die EU Finanzbeihilfen
an Georgien wegen der Entführung von Peter Shaw zurückgestellt
habe. Es habe niemals eine entsprechende offizielle Aussage aus
Brüssel gegeben. Die Verzögerung finanzieller Transfers
begründete Torben Holtze jetzt unter anderem damit, dass
Georgien eine ganze Reihe von Auflagen des Internationalen Währungsfonds
nicht erfüllt habe. Trotzdem werde eine erste Rate von 2
Millionen € aus einem 11 Millionen € schweren Programm
zur Sicherstellung von Lebensmitteln in nächster Zukunft
nach Georgien überwiesen. Mit dem Ausbleiben von Geldern
aus Brüssel hatte die georgische Regierung unter anderem
die drastischen Haushaltslöcher begründet, die dem Finanzminister
schwer zu schaffen machen. Die Hoffnung der georgischen Regierung,
nach der Freilassung von Peter Shaw möglichst rasch an noch
ausstehendes Geld aus Brüssel zu gelangen, um damit die ärgsten
Löcher im Budget kurzfristig stopfen zu können, scheinen
sich damit nicht zu erfüllen.
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