Ausgabe 17/02, 06. Nov. Archiv
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Georgier, das weiß jeder, der Land und vor allem Leute kennt, sind gerne Weltmeister. Sei die Sportart noch so abseitig, egal, in diesem kleinen Land zählt jeder Erfolg über den Rest der Welt doppelt. In einem Vergleich zählen die Georgier unbestritten zur absoluten Weltspitze und haben dennoch kaum Grund, stolz darauf zu sein: im Wasserverbrauch. Nach einer umfangreichen Studie der Weltbank verbraucht jeder Einwohner von Tbilissi täglich nahezu einen Kubikmeter Wasser pro Tag. Das ist rund fünf mal soviel wie ein durchschnittlicher Bundesbürger, zehnmal soviel wie ein Einwohner Polens und noch mehr als doppelt soviel wie ein Durchschnittseinwohner einer afrikanischen Großstadt. Neben Strom und Gas stellt die Zukunft der Wasserversorgung von Tbilissi eines der ganz großen Infrastrukturprobleme der georgischen Hauptstadt dar. Und kaum einer weiß etwas davon, denn der Umgang der Georgier mit dem Rohstoff Wasser ist für europäische Maßstäbe mehr als sorglos. Dabei steht die Wasserversorgung von Tbilissi, Tbilskalkanali genannt, kurz vor dem Kollaps. Denn der städtische Regiebetrieb ist im Prinzip pleite.

Ohne Frage gehört der Wasserreichtum Georgiens zu einem der wesentlichen Schätze des Landes. Unmengen von Wasser müssen Jahr für Jahr aus den Bergen des Kaukasus in die Meere abfließen, dass es auf den ersten Blick mehr oder weniger egal erscheinen mag, ob größere Mengen davon noch den Umweg über häusliche Wasserhähne machen oder nicht. Doch der Schein trügt, denn die Wasserversorgung von Tbilissi kostet Geld und zwar weitaus mehr als Tbilskalkanali derzeit einnimmt.

Wasserpreis: 5 Tetri pro Kubimeter

Ein Grund für den allzu großzügigen Umgang der Tbilisser mit dem nassen Element liegt sicher in der Preisgestaltung, deren Wurzeln weit in die sozialistische Versorgungsmentalität zurück reichen. Ganze 0,05 GEL zahlt ein Privathaushalt ab April diesen Jahres für einen Kubikmeter Wasser, davor lag der Preis bei 0,025 GEL. Zum Vergleich: Der deutsche Wasserpreis liegt bei rund 4 €, wobei man im Durchschnitt etwas mehr als 1,5 € für Frischwasser und etwas mehr als 2 € für die Abwasserentsorgung, sprich Klärung der Abwässer, ansetzen kann. Zumindest letzteres Problem macht in Tbilissi keine allzu großen Sorgen, denn ein Großteil der Abwässer der Hauptstadt fließt ungeklärt in die Kura. Auch die Aufbereitung des Trinkwassers kostet in Tbilissi nicht annähernd soviel wie in Europa, da das Ausgangsmaterial, das kaukasische Grundwasser, weitaus bessere Qualitäten aufweist als etwa Rheinsickerwasser in der Kölner Bucht oder gar Rheinwasser selbst, wie es zum Beispiel die Stadt Amsterdam verwenden muss, um trinkbares Wasser für ihre Bewohner zu gewinnen. Die Tbilisser Wasserwerke müssen ihr Grundwasser lediglich filtrieren und chlorieren.

Trotzdem deckt der Preis von 0,05 GEL nicht annähernd die derzeitigen Kosten der Tbilisser Wasserwerke, wobei insbesondere die Wasserverteilung in der Stadt zu Buche schlägt. Aufgrund der topografischen Gegebenheiten von Tbilissi müssen Höhenunterschiede von insgesamt 1.000 Metern überwunden werden, denn Tbilskalkanali ist auch für einige Gemeinden im umliegenden Bergland, zum Beispiel Kodschori, zuständig. Dafür gibt es 40 Pumpstationen, deren Strombedarf derzeit 38 % der Gesamtkosten von Tbilskalkanali ausmacht. Mit dieser Zahl begründen die Tbilisser Wasserwerke auch den Umstand, dass in verschiedenen Stadtvierteln über Nacht die Wasserversorgung völlig abgestellt wird. Denn der Wassernachschub aus dem Kaukasus würde problemlos ausreichen, den doppelten Wasserverbrauch der Hauptstadt abzudecken.

Enorme Leitungsverluste

Bei solch immensen Stromkosten fällt es dann schon ins Gewicht, wenn allein im völlig maroden städtischen Leitungsnetz rund 40 % des eingeleiteten Wassers versickert, bevor es die Haushaltungen und damit den 1-cbm-Tagesdurchschnittsverbraucher überhaupt erreicht. Und in den Haushaltungen wiederum, das hat die Weltbankstudie ergeben, muss man noch einmal rund 30 % an technischen Verlusten einkalkulieren, da kaum ein Wasserhahn der georgischen Hauptstadt dicht ist oder eine Toilettenspülung richtig funktioniert. Bei ganzen 5 Tetri Verbrauchskosten pro Kubikmeter spart sich nahezu jeder Haushalt die Reparatur seiner tropfenden Installationen. Da lässt man das Wasser lieber 24 Stunden am Tag laufen. Würde man allein diese beiden technischen Probleme lösen, dann könnte der Wasserverbruch der Hauptstadt ohne weiteres um über 50 % gesenkt werden, und damit auch die Kosten, ohne dass auch nur ein Verbraucher auf einen einzigen Tropfen des Wassers verzichten müsste, das er zur Zeit wirklich verbraucht. Und dann erst könnte man an die Einsparpotentiale im Verbraucherverhalten ran, die ebenfalls enorm sind, wenn man alleine einmal beobachtet, wie viel Wasser eine georgische Hausfrau benötigt, um ihr Geschirr abzuwaschen.

So gesehen sind die strategischen Ziele von Tbilskalkanali, den täglichen Wasserverbrauch der georgischen Hauptstadt von 1,7 Milliarden Kubikmeter Schritt für Schritt auf knapp 800 Millionen zu senken, durchaus realistisch, wenn dafür die erforderlichen Investitionsmittel bereitgestellt werden. Und daran hapert es ganz gewaltig.

Millionen-Investitionen erforderlich

Das Tbilisser Leitungsnetz ist nämlich derart marode, dass holländische Experten einen Investitionsbedarf von 350 bis 400 Millionen US-$ errechnet haben, um die Wasserversorgung der georgischen Hauptstadt effektiv zu machen. Die Manager von Tbilskalkanali geben denn auch unumwunden zu, dass von dem 3.800 km ihres städtischen Leitungsnetzes mindestens 3.000 km dringend erneuert werden müssten. Nur 800 km konnten in den letzten Jahren auf dem Mindeststandard erhalten werden. Die Einnahmen von Tbilskalkanali reichen noch nicht einmal, die laufenden Kosten zu decken, da ist für Unterhaltungsmaßnahmen oder Neuinvestitionen nichts mehr übrig. Denn die Zahlungsmoral der georgischen Verbraucher ist, wie sie eben ist: Nicht einmal 40 % der privaten Verbraucher sehen sich in der Lage, die ohnehin geringen Wassertarife von 0,05 GEL/cbm zu bezahlen, was bei einem Tagesverbrauch von einem Kubikmeter nicht viel mehr als 1,50 GEL pro Person und Monat ausmacht.

Dass dieses System nicht schon völlig pleite ist, liegt einzig und allein daran, das gewerbliche Verbraucher samt Industrie und Budgetorganisationen mit einem Wasserpreis von 1,60 GEL ganz schön kräftig zur Kasse gebeten werden. Über die Wasserzähler der gewerblichen Kunden fließen zwar nur rund 12 % des gesamten Wasserverkaufs der georgischen Hauptstadt, dank des satten Tarifs decken sie aber fast 80 % der real existierenden Einnahmen von Tbilskalkanali ab.

Trotzdem wurden allein in den vergangenen neun Monaten des Jahres 2002 rund 8 Millionen GEL an Verlusten eingefahren, eine Summe, die in etwa dem entspricht, was man im Etat für Unterhalt und Neuinvestitionen in das Leitungssystem vorgesehen hatte. Und da dieses Geld nicht vorhanden ist, verzichtet man ganz einfach auf alle eigentlich notwendigen Wartungen und repariert nur die allerschlimmsten Löcher im System. Damit kommt man zwar im Cash flow für ein paar Monate noch mit Ach und Krach über die Runden, aber der Zeituhr tickt. Irgendwann einmal droht die Wasserversorgung der georgischen Hauptstadt zusammen zu brechen, da man seit mehr als zehn Jahren nichts mehr in den Unterhalt des Leitungssystems investieren konnte.

Weltbankkredit von 25 Millionen $

So erscheinen die 25 Millionen $, die die Weltbank als ersten Softkredit in Aussicht gestellt hat, nichts anderes als einen Tropfen auf den heißen Stein. Trotzdem besteht einige Hoffnung auf Besserung, denn die Auflagen der Weltbank für diesen Kredit sind hart. Es geht nämlich darum, mit diesem Kredit, der bei einem Zinssatz von 0,75 % p.a. in 40 Jahren erst abgetilgt sein muss, die operative Effektivität des ganzen Systems zu erhöhen. Und das geht nur, wenn gleichzeitig Kosten und Verbrauch gesenkt und die Einnahmen erhöht werden, damit die Tbilisser Wasserversorgung eines Tages in die Lage versetzt werden kann, ihr Leitungssystem aus eigener Kraft zu erhalten und zu erneuern.

Deshalb ist geplant, den Betrieb des gesamten Netzes von Tbilskalkanali mit seinen 2.600 Mitarbeitern an einen erfahrenen privaten, ausländischen Betreiber zu verpachten, der innerhalb der nächsten zehn Jahre den Laden auf Vordermann zu bringen hat. Es ist keine Privatisierung vorgesehen wie bei AES TELASI oder TBILGAZ, das Netz soll im Eigentum der kommunalen Firma Tbilskalkanali verbleiben. Aber die Verwendung der 25 Millionen von der Weltbank und ein effektives Management der Tbilisser Wasserversorgung sowie eine kostendeckende Tarifgestaltung soll ein ausländischer Netzbetreiber garantieren, der in einer Ausschreibung, die noch im November über die Bühne geht, gesucht wird. Fünf ausländische Gesellschaften, unter ihnen die Berliner Wasserwerke, sind eingeladen, ihre Vorstellungen samt Businessplan zu präsentieren. Zusammen mit der Weltbank, die die Ausschreibung überwacht, will man dann den Vertragspartner auswählen, der neben einer moderaten Tarifgestaltung durch technische Maßnahmen und ein effektives Management in der Lage ist, die vorgegebenen Ziele zu erreichen und Tbilissi vor einem Kollaps seiner Wasserversorgung zu bewahren. Im Februar soll die Entscheidung getroffen und bis zum Sommer nächsten Jahres die Verträge unterschriftsreif ausgearbeitet werden. Vielleicht übernehmen dann Spezialisten von der Spree die Wasserversorgung der georgischen Hauptstadt.

Dass dann auch die privaten Verbraucher stärker zur Kasse gebeten werden als bisher, ist unumgänglich. Dieser Schritt, so die Zukunftsplaner von Tbilskalkanali, wäre auch ohne einen ausländischen Betreiber notwendig geworden. Aber wenn die Erfahrungen von AES-Telasi auf die Wasserversorgung übertragen werden können, dann dürfte allein mit einer Tariferhöhung und einem konsequenten Inkasso ein vorrangiges Ziel erreicht werden, nämlich ein spürbarer Rückgang des Verbrauchs. Aber dann müsste Georgien freiwillig auf einen Weltmeistertitel verzichten.

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