Georgier, das weiß jeder, der Land und vor allem Leute kennt,
sind gerne Weltmeister. Sei die Sportart noch so abseitig, egal,
in diesem kleinen Land zählt jeder Erfolg über den Rest
der Welt doppelt. In einem Vergleich zählen die Georgier
unbestritten zur absoluten Weltspitze und haben dennoch kaum Grund,
stolz darauf zu sein: im Wasserverbrauch. Nach einer umfangreichen
Studie der Weltbank verbraucht jeder Einwohner von Tbilissi täglich
nahezu einen Kubikmeter Wasser pro Tag. Das ist rund fünf
mal soviel wie ein durchschnittlicher Bundesbürger, zehnmal
soviel wie ein Einwohner Polens und noch mehr als doppelt soviel
wie ein Durchschnittseinwohner einer afrikanischen Großstadt.
Neben Strom und Gas stellt die Zukunft der Wasserversorgung von
Tbilissi eines der ganz großen Infrastrukturprobleme der
georgischen Hauptstadt dar. Und kaum einer weiß etwas davon,
denn der Umgang der Georgier mit dem Rohstoff Wasser ist für
europäische Maßstäbe mehr als sorglos. Dabei steht
die Wasserversorgung von Tbilissi, Tbilskalkanali genannt, kurz
vor dem Kollaps. Denn der städtische Regiebetrieb ist im
Prinzip pleite.
Ohne
Frage gehört der Wasserreichtum Georgiens zu einem der wesentlichen
Schätze des Landes. Unmengen von Wasser müssen Jahr
für Jahr aus den Bergen des Kaukasus in die Meere abfließen,
dass es auf den ersten Blick mehr oder weniger egal erscheinen
mag, ob größere Mengen davon noch den Umweg über
häusliche Wasserhähne machen oder nicht. Doch der Schein
trügt, denn die Wasserversorgung von Tbilissi kostet Geld
und zwar weitaus mehr als Tbilskalkanali derzeit einnimmt.
Wasserpreis:
5 Tetri pro Kubimeter
Ein
Grund für den allzu großzügigen Umgang der Tbilisser
mit dem nassen Element liegt sicher in der Preisgestaltung, deren
Wurzeln weit in die sozialistische Versorgungsmentalität
zurück reichen. Ganze 0,05 GEL zahlt ein Privathaushalt ab
April diesen Jahres für einen Kubikmeter Wasser, davor lag
der Preis bei 0,025 GEL. Zum Vergleich: Der deutsche Wasserpreis
liegt bei rund 4 €, wobei man im Durchschnitt etwas mehr
als 1,5 € für Frischwasser und etwas mehr als 2 €
für die Abwasserentsorgung, sprich Klärung der Abwässer,
ansetzen kann. Zumindest letzteres Problem macht in Tbilissi keine
allzu großen Sorgen, denn ein Großteil der Abwässer
der Hauptstadt fließt ungeklärt in die Kura. Auch die
Aufbereitung des Trinkwassers kostet in Tbilissi nicht annähernd
soviel wie in Europa, da das Ausgangsmaterial, das kaukasische
Grundwasser, weitaus bessere Qualitäten aufweist als etwa
Rheinsickerwasser in der Kölner Bucht oder gar Rheinwasser
selbst, wie es zum Beispiel die Stadt Amsterdam verwenden muss,
um trinkbares Wasser für ihre Bewohner zu gewinnen. Die Tbilisser
Wasserwerke müssen ihr Grundwasser lediglich filtrieren und
chlorieren.
Trotzdem
deckt der Preis von 0,05 GEL nicht annähernd die derzeitigen
Kosten der Tbilisser Wasserwerke, wobei insbesondere die Wasserverteilung
in der Stadt zu Buche schlägt. Aufgrund der topografischen
Gegebenheiten von Tbilissi müssen Höhenunterschiede
von insgesamt 1.000 Metern überwunden werden, denn Tbilskalkanali
ist auch für einige Gemeinden im umliegenden Bergland, zum
Beispiel Kodschori, zuständig. Dafür gibt es 40 Pumpstationen,
deren Strombedarf derzeit 38 % der Gesamtkosten von Tbilskalkanali
ausmacht. Mit dieser Zahl begründen die Tbilisser Wasserwerke
auch den Umstand, dass in verschiedenen Stadtvierteln über
Nacht die Wasserversorgung völlig abgestellt wird. Denn der
Wassernachschub aus dem Kaukasus würde problemlos ausreichen,
den doppelten Wasserverbrauch der Hauptstadt abzudecken.
Enorme
Leitungsverluste
Bei
solch immensen Stromkosten fällt es dann schon ins Gewicht,
wenn allein im völlig maroden städtischen Leitungsnetz
rund 40 % des eingeleiteten Wassers versickert, bevor es die Haushaltungen
und damit den 1-cbm-Tagesdurchschnittsverbraucher überhaupt
erreicht. Und in den Haushaltungen wiederum, das hat die Weltbankstudie
ergeben, muss man noch einmal rund 30 % an technischen Verlusten
einkalkulieren, da kaum ein Wasserhahn der georgischen Hauptstadt
dicht ist oder eine Toilettenspülung richtig funktioniert.
Bei ganzen 5 Tetri Verbrauchskosten pro Kubikmeter spart sich
nahezu jeder Haushalt die Reparatur seiner tropfenden Installationen.
Da lässt man das Wasser lieber 24 Stunden am Tag laufen.
Würde man allein diese beiden technischen Probleme lösen,
dann könnte der Wasserverbruch der Hauptstadt ohne weiteres
um über 50 % gesenkt werden, und damit auch die Kosten, ohne
dass auch nur ein Verbraucher auf einen einzigen Tropfen des Wassers
verzichten müsste, das er zur Zeit wirklich verbraucht. Und
dann erst könnte man an die Einsparpotentiale im Verbraucherverhalten
ran, die ebenfalls enorm sind, wenn man alleine einmal beobachtet,
wie viel Wasser eine georgische Hausfrau benötigt, um ihr
Geschirr abzuwaschen.
So
gesehen sind die strategischen Ziele von Tbilskalkanali, den täglichen
Wasserverbrauch der georgischen Hauptstadt von 1,7 Milliarden
Kubikmeter Schritt für Schritt auf knapp 800 Millionen zu
senken, durchaus realistisch, wenn dafür die erforderlichen
Investitionsmittel bereitgestellt werden. Und daran hapert es
ganz gewaltig.
Millionen-Investitionen
erforderlich
Das
Tbilisser Leitungsnetz ist nämlich derart marode, dass holländische
Experten einen Investitionsbedarf von 350 bis 400 Millionen US-$
errechnet haben, um die Wasserversorgung der georgischen Hauptstadt
effektiv zu machen. Die Manager von Tbilskalkanali geben denn
auch unumwunden zu, dass von dem 3.800 km ihres städtischen
Leitungsnetzes mindestens 3.000 km dringend erneuert werden müssten.
Nur 800 km konnten in den letzten Jahren auf dem Mindeststandard
erhalten werden. Die Einnahmen von Tbilskalkanali reichen noch
nicht einmal, die laufenden Kosten zu decken, da ist für
Unterhaltungsmaßnahmen oder Neuinvestitionen nichts mehr
übrig. Denn die Zahlungsmoral der georgischen Verbraucher
ist, wie sie eben ist: Nicht einmal 40 % der privaten Verbraucher
sehen sich in der Lage, die ohnehin geringen Wassertarife von
0,05 GEL/cbm zu bezahlen, was bei einem Tagesverbrauch von einem
Kubikmeter nicht viel mehr als 1,50 GEL pro Person und Monat ausmacht.
Dass
dieses System nicht schon völlig pleite ist, liegt einzig
und allein daran, das gewerbliche Verbraucher samt Industrie und
Budgetorganisationen mit einem Wasserpreis von 1,60 GEL ganz schön
kräftig zur Kasse gebeten werden. Über die Wasserzähler
der gewerblichen Kunden fließen zwar nur rund 12 % des gesamten
Wasserverkaufs der georgischen Hauptstadt, dank des satten Tarifs
decken sie aber fast 80 % der real existierenden Einnahmen von
Tbilskalkanali ab.
Trotzdem
wurden allein in den vergangenen neun Monaten des Jahres 2002
rund 8 Millionen GEL an Verlusten eingefahren, eine Summe, die
in etwa dem entspricht, was man im Etat für Unterhalt und
Neuinvestitionen in das Leitungssystem vorgesehen hatte. Und da
dieses Geld nicht vorhanden ist, verzichtet man ganz einfach auf
alle eigentlich notwendigen Wartungen und repariert nur die allerschlimmsten
Löcher im System. Damit kommt man zwar im Cash flow für
ein paar Monate noch mit Ach und Krach über die Runden, aber
der Zeituhr tickt. Irgendwann einmal droht die Wasserversorgung
der georgischen Hauptstadt zusammen zu brechen, da man seit mehr
als zehn Jahren nichts mehr in den Unterhalt des Leitungssystems
investieren konnte.
Weltbankkredit
von 25 Millionen $
So
erscheinen die 25 Millionen $, die die Weltbank als ersten Softkredit
in Aussicht gestellt hat, nichts anderes als einen Tropfen auf
den heißen Stein. Trotzdem besteht einige Hoffnung auf Besserung,
denn die Auflagen der Weltbank für diesen Kredit sind hart.
Es geht nämlich darum, mit diesem Kredit, der bei einem Zinssatz
von 0,75 % p.a. in 40 Jahren erst abgetilgt sein muss, die operative
Effektivität des ganzen Systems zu erhöhen. Und das
geht nur, wenn gleichzeitig Kosten und Verbrauch gesenkt und die
Einnahmen erhöht werden, damit die Tbilisser Wasserversorgung
eines Tages in die Lage versetzt werden kann, ihr Leitungssystem
aus eigener Kraft zu erhalten und zu erneuern.
Deshalb
ist geplant, den Betrieb des gesamten Netzes von Tbilskalkanali
mit seinen 2.600 Mitarbeitern an einen erfahrenen privaten, ausländischen
Betreiber zu verpachten, der innerhalb der nächsten zehn
Jahre den Laden auf Vordermann zu bringen hat. Es ist keine Privatisierung
vorgesehen wie bei AES TELASI oder TBILGAZ, das Netz soll im Eigentum
der kommunalen Firma Tbilskalkanali verbleiben. Aber die Verwendung
der 25 Millionen von der Weltbank und ein effektives Management
der Tbilisser Wasserversorgung sowie eine kostendeckende Tarifgestaltung
soll ein ausländischer Netzbetreiber garantieren, der in
einer Ausschreibung, die noch im November über die Bühne
geht, gesucht wird. Fünf ausländische Gesellschaften,
unter ihnen die Berliner Wasserwerke, sind eingeladen, ihre Vorstellungen
samt Businessplan zu präsentieren. Zusammen mit der Weltbank,
die die Ausschreibung überwacht, will man dann den Vertragspartner
auswählen, der neben einer moderaten Tarifgestaltung durch
technische Maßnahmen und ein effektives Management in der
Lage ist, die vorgegebenen Ziele zu erreichen und Tbilissi vor
einem Kollaps seiner Wasserversorgung zu bewahren. Im Februar
soll die Entscheidung getroffen und bis zum Sommer nächsten
Jahres die Verträge unterschriftsreif ausgearbeitet werden.
Vielleicht übernehmen dann Spezialisten von der Spree die
Wasserversorgung der georgischen Hauptstadt.
Dass
dann auch die privaten Verbraucher stärker zur Kasse gebeten
werden als bisher, ist unumgänglich. Dieser Schritt, so die
Zukunftsplaner von Tbilskalkanali, wäre auch ohne einen ausländischen
Betreiber notwendig geworden. Aber wenn die Erfahrungen von AES-Telasi
auf die Wasserversorgung übertragen werden können, dann
dürfte allein mit einer Tariferhöhung und einem konsequenten
Inkasso ein vorrangiges Ziel erreicht werden, nämlich ein
spürbarer Rückgang des Verbrauchs. Aber dann müsste
Georgien freiwillig auf einen Weltmeistertitel verzichten.
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