Es ist nicht gerade einfach, einen Termin bei Surab Schwania zu
bekommen, dem Vorsitzenden der "Vereinten Demokraten"
und früheren Parlamentspräsidenten der Bürgerunion.
Surab Schwania ist viel unterwegs, in Amerika und Straßburg,
in Kachetien und Mengrelien. Im Ausland, vor allem in Straßburg,
hat er in jüngster Zeit wesentlich dazu beigetragen, die
internationale diplomatische Allianz gegen den russischen Interventionsanspruch
im Pankisital zu schmieden. Im Inland hetzt er von Region zu Region,
um die lokalen Parteibüros aufzubauen, die er braucht, wenn
er in einem Jahr eine erfolgreiche Kampagne zur Parlamentswahl
hinlegen will. Und dazu ist er fest entschlossen, denn Surab Schwania
hält seine "Vereinten Demokraten" für die
wesentliche Kraft der Opposition, die alleine dazu in der Lage
ist, die gegenwärtigen Regierung bei den Parlamentswahlen
Ende 2003 abzulösen. Und dann, dies hat er auf einem Parteikongress
am 1. November deutlich gemacht, dann stehen ja auch die Präsidentenwahlen
im Jahr 2005 an, für die seine Partei auf alle Fälle
einen Kandidaten nominieren will. Dass dieser anders heißen
könnte als Surab Schwania, ist heute schwerlich anzunehmen.
Es ist 21.30
Uhr nach einer Sitzung im Parteihauptquartier in Didube, als wir
endlich vorgelassen werden. Seit Wochen wurde uns der Termin avisiert
und immer wieder verschoben, Surab Schwania ist wirklich vielbeschäftigt.
Und vor der Tür wartet noch ein TV-Team von Rustawi 2. Wir
sehen nach im Kalender, es ist heute der 24. November, der Jahrestag
des als Steuerprüfung getarnten Übergriffs der Sicherheitsministerien
auf den regierungskritischen Sender, der später zur Entlassung
des ganzen Kabinetts und zum Rücktritt Schwanias als Parlamentspräsident
führte. Und seither ist in der georgischen Innenpolitik nichts
mehr wie es einmal war.
Schwania war
damals zumindest formal noch auf Seiten der Staatsmacht, wenngleich
er sich trotz seiner Position als Parlamentspräsident der
Mehrheitspartei Bürgerunion mit deren Vorsitzenden Eduard
Schewardnadse und seiner Regierung immer wieder kappelte. Und
dann der Angriff auf die Pressefreiheit. "Unsere Linie in
diesem Konflikt war von Anfang an klar", sagt Schwania ein
Jahr später. "Wenn die Regierung eine Demarkationslinie
zwischen sich und der Bevölkerung zieht, wie sie es bei dem
Angriff auf Rustawi 2 gemacht hat, dann ist unser Platz auf der
anderen Seite."
Ob dies nicht
viel mehr als ein geschickter Schachzug gewesen sei, sich wirkungsvoll
vom früheren Mentor Schewardnadse abzusetzen, da doch jedermann
klar sei, dass ein Präsidentschaftskandidat aus dem Lager
Schewardnadses mit einem schweren Handicap ins Rennen um dessen
Nachfolge gehe, wollen wir wissen. Abwegig seien solche Gedankenspiele,
bedeutet er, und verweist darauf, dass er Wochen zuvor als Parlamentspräsident
und Mitglied der Bürgerunion in einem dramatischen Appell
den Staatspräsidenten aufgefordert habe, endlich die notwendigen
Reformen anzugehen und den Kampf gegen die Korruption aufzunehmen.
Er habe sich da wenig vorzuwerfen, seine Position sei immer offen
und klar gewesen.
Auch in der
Auseinandersetzung um die Bürgerunion habe er, im Gegensatz
zu seinen Widersachern, immer mit offenem Visier gekämpft.
Er sei von einem Parteikonvent einstimmig zum Parteivorsitzenden
gewählt worden und habe dabei auch in Gegenwart Schewardnadses
erklärt, die Bürgerunion als Partei der konstruktiven
Opposition führen zu wollen. Dagegen habe es damals keinen
Widerspruch gegeben, auch nicht von Schewardnadse, und niemand
könne ihm jetzt den Vorwurf machen, er habe sich klammheimlich
der Regierungspartei für seine eigenen Ziele bemächtigen
wollen.
Erst als der
Regierung klar geworden sei, dass sie die Kommunalwahlen verlieren
würde, habe sie ihn unter Verletzung aller Gesetzesvorschriften
und in skandalöser Weise aus der Bürgerunion gedrängt.
Es sei ihm dann nichts anderes übrig geblieben, als sich
seine eigene Partei aufzubauen. Und die hat durchaus ihre Ansprüche,
das eindrucksvolle Parteihauptquartier in Didube zeugt davon.
Wie er denn
jetzt zu seinem ehemaligen Freund und Gönner, dem Staatspräsidenten,
stehe, wollen wir wissen. Was denn passiere, wenn sie sich träfen?
Sprechen Sie noch miteinander? "Ich habe politische Differenzen
mit dem Präsidenten, keine persönlichen. Warum sollte
ich nicht mehr mit ihm sprechen?" Warum die Beziehungen zu
ihm abbrechen? Im Gegenteil, die Situation sei jetzt einfach klar
zwischen ihnen, weshalb er ihm schon vor dessen jährlicher
Parlamentsrede unmissverständlich seine Haltung habe klarmachen
können. "Er kannte meine Position."
Trotz dieser
Opposition zur Regierung ist Schwania dagegen, Schewardnadse vorzeitig
abzulösen. Er solle seine Amtsperiode zu Ende führen,
alles andere würde Chaos bringen und Unruhe. Der Übergang
von Schewardnadse müsse Schritt für Schritt erfolgen,
"wenn wir nicht zerstören wollen, was wir in den vergangenen
Jahren aufgebaut haben. Opposition heißt auch, Verantwortung
für das Ganze zu übernehmen, für die Zukunft des
Landes." Schwania setzt auf eine stabile Entwicklung und
den Wandel durch Wahlen, nicht durch die Strasse. Was Schwania
von seinem Präsidenten fordert, ist lediglich, dass "er
die Voraussetzungen für faire und frei Parlamentswahlen im
nächsten Jahr schafft." Denn dann gibt es mit Sicherheit
eine andere Regierung.
Sein Freund
Michael Saakaschwili, mit dem er sich vor, während und nach
der Regierungserklärung von Schewardnadse im Oktober fast
wie ein Herz und eine Seele zeigte, sei da aber gänzlich
anderer Meinung, wenden wir ein. Saakaschwili sei ihm manchmal
zu radikal, erklärt er, er könne nicht mit allem übereinstimmen,
was er sage. Und es mache überdies keinen Sinn, auf Seiten
der Opposition in einen Wettbewerb um die radikalsten Formulierungen
einzutreten. "Wir arbeiten in gewissem Rahmen zusammen, wir
wollen faire Wahlen und danach eine Parlamentsreform."
Natürlich
kommen wir noch kurz auf die jüngsten außenpolitischen
Ereignisse zu sprechen, bevor die Kollegen von Rustawi 2 zu ihrem
einjährigen Jubiläumsinterview zum Zuge kommen. Was
er denn in der Pankisikrise anders gemacht hätte, wenn er
Präsident gewesen wäre, wollen wir wissen. "Ich
hätte es gleich gar nicht so weit kommen lassen. Das Problem
wäre früher leichter zu lösen gewesen als heute."
Aber leider habe Schewardnadse angesichts der Verbindungen seiner
korrupten Sicherheitsminister mit den Kriminellen des Pankisitals
das Problem viel zu lange schleifen lassen. Dabei ist jetzt anzumerken,
dass sich Schewardnadse mit der Entlassung der gesamten Regierung
anlässlich der Rustawi-2-Krise gerade dieser Sicherheitsminister
entledigen und damit in Sachen Pankisi erst nach und nach Handlungsfreiheit
zurückgewinnen konnte. Manchmal sind die politischen Zusammenhänge
eben recht verzwickt.
Jetzt gehe
es darum, zwei Dinge klar zu machen: "Erstens, es darf keinen
Druck geben auf friedfertige Flüchtlinge." Aber es müsse
auch klar sein, dass mit bewaffneten Kämpfern und Terroristen
nach folgendem Muster verfahren werde: "Suchen, festnehmen,
ermitteln, bestrafen oder ausliefern."
Aber international
habe diese Krise doch die Position Georgiens gestärkt, fassen
wir nach, um herauszufinden, was Schwania denn wirklich anders
gemacht hätte als Schewardnadse. Da er vor allem beim Europarat
in Straßburg, wo Russland auch gehört worden sei und
schwerwiegende Argumente vorgetragen hätte, an vorderster
Front beteiligt gewesen sei, wisse er, dass es sich bei den Straßburger
Erklärungen um nichts anderes handele als um einen Vertrauensvorschuss
für Georgien. "Wenn wir die diese Erwartungen nicht
erfüllen und die Krise nicht wirklich bewältigen, wird
unsere Lage international viel schwieriger." Ein zweites
Mal werde es nicht gelingen, die internationale Staatengemeinschaft
hinter Georgien zu versammeln, wenn sich im Lande nichts ändert.
Die Regierung
habe viel zu lange herumlaviert, erst in den letzten Tagen habe
sie im Pankisital wirklich effektiv gearbeitet. "Es darf
einfach keine Politik der Doppelbödigkeit mehr geben. Worten
müssen Taten folgen" erklärte er abschließend
und verabschiedete uns nach dieser nächtlichen Halbstunden-Audienz
mit dem Versprechen, später einmal mehr Zeit für uns
zu finden. Immerhin konnten wir unseren Themenkatalog nicht einmal
zu einem Viertel abarbeiten. Aber jetzt, das sollten wir verstehen,
müsse er sich Rustawi 2 widmen. Denn vor einem Jahr war es
der Anschlag auf Rustawi 2, der die Bevölkerung auf die Strasse
und Surab Schwania an die Spitze der Opposition brachte.
Selbst wenn
damals beim Kampf um Rustawi 2 keine strategische Berechnung dahinter
stand, wie wir sie ihm gegenüber angeschnitten hatten, selbst
wenn der Wechsel von der Macht zur Opposition einfach folgerichtig
gewesen ist, dann weiß Surab Schwania zumindest, die Legenden
zu pflegen, die sich mit diesem Datum verbinden. Den ersten Parteikongress
seiner neugegründeten "Vereinten Demokraten" legte
er auf den 1. November, den Jahrestag seines Rücktritts als
Parlamentspräsident. Wer weiß, vielleicht werden Journalisten
und Historiker diesen 1. November des Jahres 2001 einmal als die
eigentliche Geburtsstunde des Nachfolgers von Eduard Schewardnadse
bezeichnen. Surab Schwania hätte nicht allzu viel dagegen.
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