Ausgabe 17/02, 06. Nov. Archiv
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Es ist nicht gerade einfach, einen Termin bei Surab Schwania zu bekommen, dem Vorsitzenden der "Vereinten Demokraten" und früheren Parlamentspräsidenten der Bürgerunion. Surab Schwania ist viel unterwegs, in Amerika und Straßburg, in Kachetien und Mengrelien. Im Ausland, vor allem in Straßburg, hat er in jüngster Zeit wesentlich dazu beigetragen, die internationale diplomatische Allianz gegen den russischen Interventionsanspruch im Pankisital zu schmieden. Im Inland hetzt er von Region zu Region, um die lokalen Parteibüros aufzubauen, die er braucht, wenn er in einem Jahr eine erfolgreiche Kampagne zur Parlamentswahl hinlegen will. Und dazu ist er fest entschlossen, denn Surab Schwania hält seine "Vereinten Demokraten" für die wesentliche Kraft der Opposition, die alleine dazu in der Lage ist, die gegenwärtigen Regierung bei den Parlamentswahlen Ende 2003 abzulösen. Und dann, dies hat er auf einem Parteikongress am 1. November deutlich gemacht, dann stehen ja auch die Präsidentenwahlen im Jahr 2005 an, für die seine Partei auf alle Fälle einen Kandidaten nominieren will. Dass dieser anders heißen könnte als Surab Schwania, ist heute schwerlich anzunehmen.

Es ist 21.30 Uhr nach einer Sitzung im Parteihauptquartier in Didube, als wir endlich vorgelassen werden. Seit Wochen wurde uns der Termin avisiert und immer wieder verschoben, Surab Schwania ist wirklich vielbeschäftigt. Und vor der Tür wartet noch ein TV-Team von Rustawi 2. Wir sehen nach im Kalender, es ist heute der 24. November, der Jahrestag des als Steuerprüfung getarnten Übergriffs der Sicherheitsministerien auf den regierungskritischen Sender, der später zur Entlassung des ganzen Kabinetts und zum Rücktritt Schwanias als Parlamentspräsident führte. Und seither ist in der georgischen Innenpolitik nichts mehr wie es einmal war.

Schwania war damals zumindest formal noch auf Seiten der Staatsmacht, wenngleich er sich trotz seiner Position als Parlamentspräsident der Mehrheitspartei Bürgerunion mit deren Vorsitzenden Eduard Schewardnadse und seiner Regierung immer wieder kappelte. Und dann der Angriff auf die Pressefreiheit. "Unsere Linie in diesem Konflikt war von Anfang an klar", sagt Schwania ein Jahr später. "Wenn die Regierung eine Demarkationslinie zwischen sich und der Bevölkerung zieht, wie sie es bei dem Angriff auf Rustawi 2 gemacht hat, dann ist unser Platz auf der anderen Seite."

Ob dies nicht viel mehr als ein geschickter Schachzug gewesen sei, sich wirkungsvoll vom früheren Mentor Schewardnadse abzusetzen, da doch jedermann klar sei, dass ein Präsidentschaftskandidat aus dem Lager Schewardnadses mit einem schweren Handicap ins Rennen um dessen Nachfolge gehe, wollen wir wissen. Abwegig seien solche Gedankenspiele, bedeutet er, und verweist darauf, dass er Wochen zuvor als Parlamentspräsident und Mitglied der Bürgerunion in einem dramatischen Appell den Staatspräsidenten aufgefordert habe, endlich die notwendigen Reformen anzugehen und den Kampf gegen die Korruption aufzunehmen. Er habe sich da wenig vorzuwerfen, seine Position sei immer offen und klar gewesen.

Auch in der Auseinandersetzung um die Bürgerunion habe er, im Gegensatz zu seinen Widersachern, immer mit offenem Visier gekämpft. Er sei von einem Parteikonvent einstimmig zum Parteivorsitzenden gewählt worden und habe dabei auch in Gegenwart Schewardnadses erklärt, die Bürgerunion als Partei der konstruktiven Opposition führen zu wollen. Dagegen habe es damals keinen Widerspruch gegeben, auch nicht von Schewardnadse, und niemand könne ihm jetzt den Vorwurf machen, er habe sich klammheimlich der Regierungspartei für seine eigenen Ziele bemächtigen wollen.

Erst als der Regierung klar geworden sei, dass sie die Kommunalwahlen verlieren würde, habe sie ihn unter Verletzung aller Gesetzesvorschriften und in skandalöser Weise aus der Bürgerunion gedrängt. Es sei ihm dann nichts anderes übrig geblieben, als sich seine eigene Partei aufzubauen. Und die hat durchaus ihre Ansprüche, das eindrucksvolle Parteihauptquartier in Didube zeugt davon.

Wie er denn jetzt zu seinem ehemaligen Freund und Gönner, dem Staatspräsidenten, stehe, wollen wir wissen. Was denn passiere, wenn sie sich träfen? Sprechen Sie noch miteinander? "Ich habe politische Differenzen mit dem Präsidenten, keine persönlichen. Warum sollte ich nicht mehr mit ihm sprechen?" Warum die Beziehungen zu ihm abbrechen? Im Gegenteil, die Situation sei jetzt einfach klar zwischen ihnen, weshalb er ihm schon vor dessen jährlicher Parlamentsrede unmissverständlich seine Haltung habe klarmachen können. "Er kannte meine Position."

Trotz dieser Opposition zur Regierung ist Schwania dagegen, Schewardnadse vorzeitig abzulösen. Er solle seine Amtsperiode zu Ende führen, alles andere würde Chaos bringen und Unruhe. Der Übergang von Schewardnadse müsse Schritt für Schritt erfolgen, "wenn wir nicht zerstören wollen, was wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. Opposition heißt auch, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen, für die Zukunft des Landes." Schwania setzt auf eine stabile Entwicklung und den Wandel durch Wahlen, nicht durch die Strasse. Was Schwania von seinem Präsidenten fordert, ist lediglich, dass "er die Voraussetzungen für faire und frei Parlamentswahlen im nächsten Jahr schafft." Denn dann gibt es mit Sicherheit eine andere Regierung.

Sein Freund Michael Saakaschwili, mit dem er sich vor, während und nach der Regierungserklärung von Schewardnadse im Oktober fast wie ein Herz und eine Seele zeigte, sei da aber gänzlich anderer Meinung, wenden wir ein. Saakaschwili sei ihm manchmal zu radikal, erklärt er, er könne nicht mit allem übereinstimmen, was er sage. Und es mache überdies keinen Sinn, auf Seiten der Opposition in einen Wettbewerb um die radikalsten Formulierungen einzutreten. "Wir arbeiten in gewissem Rahmen zusammen, wir wollen faire Wahlen und danach eine Parlamentsreform."

Natürlich kommen wir noch kurz auf die jüngsten außenpolitischen Ereignisse zu sprechen, bevor die Kollegen von Rustawi 2 zu ihrem einjährigen Jubiläumsinterview zum Zuge kommen. Was er denn in der Pankisikrise anders gemacht hätte, wenn er Präsident gewesen wäre, wollen wir wissen. "Ich hätte es gleich gar nicht so weit kommen lassen. Das Problem wäre früher leichter zu lösen gewesen als heute." Aber leider habe Schewardnadse angesichts der Verbindungen seiner korrupten Sicherheitsminister mit den Kriminellen des Pankisitals das Problem viel zu lange schleifen lassen. Dabei ist jetzt anzumerken, dass sich Schewardnadse mit der Entlassung der gesamten Regierung anlässlich der Rustawi-2-Krise gerade dieser Sicherheitsminister entledigen und damit in Sachen Pankisi erst nach und nach Handlungsfreiheit zurückgewinnen konnte. Manchmal sind die politischen Zusammenhänge eben recht verzwickt.

Jetzt gehe es darum, zwei Dinge klar zu machen: "Erstens, es darf keinen Druck geben auf friedfertige Flüchtlinge." Aber es müsse auch klar sein, dass mit bewaffneten Kämpfern und Terroristen nach folgendem Muster verfahren werde: "Suchen, festnehmen, ermitteln, bestrafen oder ausliefern."

Aber international habe diese Krise doch die Position Georgiens gestärkt, fassen wir nach, um herauszufinden, was Schwania denn wirklich anders gemacht hätte als Schewardnadse. Da er vor allem beim Europarat in Straßburg, wo Russland auch gehört worden sei und schwerwiegende Argumente vorgetragen hätte, an vorderster Front beteiligt gewesen sei, wisse er, dass es sich bei den Straßburger Erklärungen um nichts anderes handele als um einen Vertrauensvorschuss für Georgien. "Wenn wir die diese Erwartungen nicht erfüllen und die Krise nicht wirklich bewältigen, wird unsere Lage international viel schwieriger." Ein zweites Mal werde es nicht gelingen, die internationale Staatengemeinschaft hinter Georgien zu versammeln, wenn sich im Lande nichts ändert.

Die Regierung habe viel zu lange herumlaviert, erst in den letzten Tagen habe sie im Pankisital wirklich effektiv gearbeitet. "Es darf einfach keine Politik der Doppelbödigkeit mehr geben. Worten müssen Taten folgen" erklärte er abschließend und verabschiedete uns nach dieser nächtlichen Halbstunden-Audienz mit dem Versprechen, später einmal mehr Zeit für uns zu finden. Immerhin konnten wir unseren Themenkatalog nicht einmal zu einem Viertel abarbeiten. Aber jetzt, das sollten wir verstehen, müsse er sich Rustawi 2 widmen. Denn vor einem Jahr war es der Anschlag auf Rustawi 2, der die Bevölkerung auf die Strasse und Surab Schwania an die Spitze der Opposition brachte.

Selbst wenn damals beim Kampf um Rustawi 2 keine strategische Berechnung dahinter stand, wie wir sie ihm gegenüber angeschnitten hatten, selbst wenn der Wechsel von der Macht zur Opposition einfach folgerichtig gewesen ist, dann weiß Surab Schwania zumindest, die Legenden zu pflegen, die sich mit diesem Datum verbinden. Den ersten Parteikongress seiner neugegründeten "Vereinten Demokraten" legte er auf den 1. November, den Jahrestag seines Rücktritts als Parlamentspräsident. Wer weiß, vielleicht werden Journalisten und Historiker diesen 1. November des Jahres 2001 einmal als die eigentliche Geburtsstunde des Nachfolgers von Eduard Schewardnadse bezeichnen. Surab Schwania hätte nicht allzu viel dagegen.

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