Ausgabe 17/02, 06. Nov. Archiv
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Der britische EU-Bankenberater Peter Shaw, der am 18. April von sieben bewaffneten Männern in Tbilissi gekidnappt worden war, wurde am Mittwoch, 6. November, am Abend befreit. Über die Umstände seiner Befreiung gibt es unterschiedliche Darstellungen. Peter Shaw hat inzwischen Tbilissi verlassen und ist in London eingetroffen.

Nach Informationen, die GN aus georgischen Regierungskreisen erhielt, handelte es sich bei der Befreiung von wurde Peter Shaw nicht um eine gezielte Aktion. Vielmehr wurde Peter Shaw nach dessen eigener Auskunft am Mittwoch von vier Bewachern aus seinem Versteck geholt, um offensichtlich in ein neues Versteck geführt zu werden. Plötzlich eröffneten Unbekannte das Feuer auf seine Bewacher, wobei einer der Gangster ums Leben kam, die anderen drei die Flucht ergriffen. Peter Shaw muss sich dann für einige Zeit in einem Busch versteckt haben, bevor er loslief, eine Landstrasse fand und auf dieser dann schließlich von georgischen Soldaten entdeckt und zum nächsten Blockposten, dem an der Kreisgrenze von Achmeta und Kwareli, gebracht wurde.

Die ganzen Umstände dieser Befreiung, soweit sie bis jetzt bekannt sind, lassen darauf schließen, dass die Bewacher von Peter Shaw möglicherweise ihr letztes Versteck in der Nähe der kachetischen Stadt Achmeta angesichts normaler Polizeiaktionen haben räumen wollen und dabei entweder von anderen Kriminellen oder von einer Polizeistreife entdeckt und angegriffen wurden. Gegen eine gezielte Polizeiaktion spricht vor allem die Tatsache, dass Peter Shaw nach dem Schußwechsel zunächst einmal für etwa eine halbe Stunde in einem Gebüsch Unterschlupf fand und nicht von der Polizei gesucht wurde, bevor er alleine in der Dunkelheit in Richtung Landstrasse marschierte, wo er entdeckt wurde. Achmeta liegt am Eingang zum Pankisital, die Stadt Kwareli liegt zwischen Telawi und Lagodechi.

Die georgische Polizei war offensichtlich während der gesamten Entführung immer über den ungefähren Aufenthaltsort von Peter Shaw informiert. Demnach soll Peter Shaw zunächst in Mzcheta, dann in Bordschomi, eine Zeit in einem aserbaidschanischen Dorf und später in Achmeta versteckt worden sein. Die Polizei sei über ihre Agenten immer wieder über die Bewegungen von Peter Shaw informiert worden, heißt es in Regierungskreisen, allerdings jeweils nach den Ortswechseln, sodass man keine Chance gesehen hätte, direkt einzugreifen. Außerdem wollte man mit einem direkten Zugriff nicht das Leben von Peter Shaw riskieren, man habe aber immer gewusst, dass er noch am Leben sei.

Innenminister Koba Narchemaschwili erklärte nach der Befreiung von Peter Shaw, dass drei verschiedene Gruppen von Kriminellen in den Fall verwickelt gewesen seien: die Hintermänner und Auftraggeber, die Entführer und schließlich diejenigen, die ihn versteckt gehalten hätten. Über die Identität der Entführer soll es nach Informationen, die GN erhielt, klare Erkenntnisse geben, da man an den Tatfahrzeugen u.a. auch Fingerspuren von bekannten Kriminellen gefunden habe. Anscheinend handelt es sich um dieselben Entführungs-Profis, die schon einen georgischen Parlamentarier und zwei spanische Geschäftsleute gekidnappt hatten. Bei dem Boss der Bande soll es sich um einen bekannten georgischen Kriminellen kistischer Abstammung handeln. Die Bande soll sich aus Kriminellen verschiedener Nationalitäten zusammensetzen. Jetzt gehe es, so der Innenminister nach der Befreiung von Peter Shaw darum, die Auftraggeber des Verbrechens herauszufinden.

Nach ersten Informationen vom Mittwoch Abend soll es sich bei dem getöteten Bewacher von Peter Shaw um einen Tschetschenen gehandelt haben. Im Verlauf des Donnerstag Vormittag sickerte allerdings durch, dass es sich bei dem Erschossenen um den früheren georgischen Polizisten Merab Matudischwili handelt, der, nachdem er aus dem Polizeidienst entfernt worden war, untertauchte und seither steckbrieflich gesucht wurde. In Gangsterkreisen soll er unter dem Spitznamen „der Taschkenter“ bekannt gewesen sein. Der Innenminister konnte am gestrigen Abend nicht ausschließen, dass sich unter den Kriminellen weitere ehemalige Polizisten befinden.

Peter Shaw selbst berichtete in einem ersten Interview mit dem georgischen Fernsehen, dass er brutal behandelt worden sei. Er sei angekettet in einem Erdloch festgehalten worden, und habe keine Möglichkeiten gehabt, sich zu bewegen. Peter Shaw war nach seiner Entdeckung anscheinend in der Obhut der britischen Botschaft und wurde am Donnerstag bereits zu seiner Familien nach London ausgeflogen, wo er dann auch entsprechende medizinische Behandlungen bekommen wird. Wie die britische Regierung bedankte sich Peter Shaw bei allen, die an seiner Freilassung mitgewirkt hätten. Auf die Frage eines Reporters, ob er denn irgendwann einmal die Absicht habe, Georgien wieder zu besuchen, verzichtete er auf eine Antwort.

Die Hintergründe der Entführung von Peter Shaw sind nach wie vor unklar. Der britische Bankenberater war einer der Generaldirektoren der „Agrobusiness Bank“, die mit Entwicklungshilfegeldern der EU gegründet worden war. Über den Vorläufer dieser Bank, ein EU-finanziertes Finanzprogramm zur Unterstützung der georgischen Landwirtschaft, gibt es jede Menge kritischer Berichte. So soll es im Umfeld dieses TACIS-Programms zu erheblichen Unregelmäßigkeiten gekommen sein, die in der georgischen Öffentlichkeit Peter Shaw direkt angelastet wurden. Es heißt, einige private Geschäftsbanken seien durch finanzielle Manipulationen in den Konkurs getrieben worden. Peter Shaws Beratervertrag mit der Europäischen Union endete am Tag nach seiner Entführung. An diesem Tag wollte er Georgien verlassen.

Die Entführung hatte auch erhebliche politische Konsequenzen, da die Europäische Union angedroht hatte, ihre Finanzhilfen für Georgien einzufrieren, um die georgischen Sicherheitsbehörden, denen man allzu laschen Umgang mit dem Fall Peter Shaw vorgeworfen hatte, unter Druck zu setzen, Peter Shaw endlich zu befreien. Der Fall Peter Shaw und dessen Behandlung durch die georgische Polizei wurde vor allem von europäischen Botschaften und ausländischen Geschäftsleuten als Präzedenzfall für die Sicherheitslage in Georgien angesehen. Die EU hat jetzt effektive polizeiliche Ermittlungen und eine strafrechtliche Ahndung des Verbrechens angemahnt.

Siehe auch:
Entführt - Peter Shaw (GN 10/2002 vom 3. Juli)
Kein normales Verbrechen - (GN 10/2002 vom 3. Juli)

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Peter Shaw nach seiner Freilassung










Peter Shaw nach seiner Freilassung mit dem EU-Diplomaten Jaques Ventomme

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