"Ich bin der glücklichste Mensch, dass ich dieses Dokument
unterschreiben darf" erklärte Eduard Schewardnadse am
14. September in der Kathedrale von Sweti Zchoweli, bevor er zusammen
mit Ilia II., dem Patriarchen der georgischen orthodoxen Kirche,
das Konkordat zwischen Staat und Kirche unterzeichnete, um dessen
Text lange genug gerungen wurde. Abgeordneten des georgischen
Parlaments muss das irgendwie komisch in den Ohren geklungen haben,
war es doch der georgische Staatspräsident, der durch hinhaltenden
Widerstand die Verabschiedung des Konkordats offensichtlich verzögert
hatte. Es war schliesslich ein parteiübergreifender Parlamentsausschuss,
der den Text mit dem Patriarchat ausgehandelt hatte und Schewardnadse
gar mit einer Gesetzesinitiative drohen musste, damit dieser das
Papier absegnete. Alle anderen Religionen und Glaubensgemeinschaften
warten jetzt darauf, dass durch die Verabschiedung eines Religionsgesetzes
auch ihre Situation rechtlich einwandfrei geregelt wird.
Mit diesem
Konkordat hat die Orthodoxie nicht alle ihre Ziele erreicht, denn
eigentlich wollte sie qua Verfassung in den Rang einer Nationalkirche
erhoben werden. Da eine solche Verfassungsklausel den internationalen
Normen, die Georgien zum Beispiel mit dem Beitritt zum Europarat
akzeptiert hat, widerspricht, musste die in der Verfassung betonte
besondere Rolle der georgischen Orthodoxie in einem eigenen Staatsvertrag
festgelegt werden. Damit hat die Orthodoxie trotz der in der Verfassung
proklamierten Religionsfreiheit gegenüber den anderen Religionen
einen besonderen Status erhalten, wenngleich sie sich nicht Nationalkirche
nennen darf. Das Patriarchat feierte diesen halben Erfolg dennoch
als historisches Ereignis, das nur mit der Einführung des
Christentums als Staatsreligion durch König Mirian im Jahr
337 verglichen werden könne.
Der heilige Synod beim Festgottesdienst in
Sweti Zchoweli
Der georgische
Patriarch Ilia II erinnerte vor der Unterzeichnung des Konkordates
an den "schwierigen Weg, den unser Land 2000 Jahre lang gehen
musste und der durch den 70 Jahre währenden Atheismus fast
zerstört worden war." Ziel des Konkordates sei es, der
Kirche mehr Möglichkeiten zu geben, sich um das Wohlergehen
des georgischen Volkes zu kümmern. Die Kirche sei die Kraft,
die das georgische Volk einige. Mit Gottes Hilfe sei sie jetzt
in der Lage, Sektierern und Proselyten zu antworten.
Präsident Eduard Schewardnadse nach
der Unterzeichnung des Konkordats
Auch Präsident
Eduard Schewardnadse zitierte den Geist der Geschichte, als er
an die georgischen Könige erinnerte, die in Sweti Zchoweli
gesegnet und begraben wurden. "Solange ich Präsident
bin und auch danach werde ich dafür sorgen, dass Buchstaben
und Geist des Konkordats erfüllt werden. Unser heutiger Sieg
ist ein wirklicher Sieg." Den Feiertagsgottesdienst musste
der Patriarch mit seinem heiligen Synod und Tausenden von Gläubigen
dann ohne den Beistand des Staatsoberhauptes zelebrieren, denn
gleich nach der Unterzeichnung des Konkordats verliess Eduard
Schewardnadse die hermetisch abgeriegelte Kathedrale, in der nur
zunächst geladene Gäste zugelassen waren, und widmete
sich dem weltlichen Programm von Mzchetoba, einem der grössten
Volksfeste in Georgien.
Zunächst
ausgesperrt: Tausende Gläubige vor Sweti Zchoweli
Das Konkordat
sichert der Kirche absolute Selbständigkeit bei der Regelung
ihrer internen Angelegenheiten zu und gibt ihr den Status einer
Person des öffentlichen Rechts. Der Staat schützt das
Beichtgeheimnis der Priester, befreit diese vom Militärdienst,
sichert aber religiöse Betreuung in Kasernen und Gefängnissen
durch die Orthodoxie zu. Der Staat erkennt kirchlich geschlossene
Ehen an, sie müssen vom Staat nur zusätzlich registriert
werden. Die Kirche kann an öffentlichen Schulen Religionsunterricht
anbieten, der allerdings freiwillig ist. Die Lehrpläne müssen
vom Staat genehmigt werden.
Beide Seiten
erkennen gegenseitig Urkunden, Diplome und Bildungsabschlüsse
an und arbeiten in Programmen für den sozialen Schutz der
Bevölkerung zusammen. Auch der wirtschaftliche Status der
Kirche wird definiert, sie ist von Steuern befreit, darf allerdings
keine direkte unternehmerische Tätigkeit ausüben. Die
Kirche erhält ihr früheres Eigentum wieder zurück,
alle Kirchen und Klöster, auch diejenigen, die derzeit von
der Kirche nicht genutzt werden, gehen samt Grund und Boden ins
Eigentum der Kirche über. Alle Kirchenschätze, die als
Bestandteil des nationalen Kulturerbes in staatlichen Museen ausgestellt
sind, gehen in den gemeinsamen Besitz von Staat und Kirche über.
Archäologisch und kulturell wertvolle Bauten im Kirchenbesitz
werden von Staat und Kirche gemeinsam geschützt und gepflegt,
wie sich der Staat in Verhandlungen mit anderen Ländern auch
dafür einsetzt, dass georgische Kirchen auf deren Territorium
einen besonderen Schutz erhalten.
Kathedrale Sioni in Tbilissi
In einem Paragraphen
erkennt der Staat den materiellen und moralischen Schaden an,
der der Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere von 1921
- 1990 zugefügt wurde. Soweit der heutige Staat Besitzer
von damals beschlagnahmten Eigentum der Kirche ist, verpflichtet
er sich, den Schaden teilweise wieder zu begleichen. Eine paritätisch
besetzte Kommission aus Staat und Kirche soll bereits einen Monat
nach Unterzeichnung des Dokuments ihre Arbeit aufnehmen.
Die übrigen
Glaubengemeinschaften in Georgien haben das Konkordat im wesentlichen
gut geheissen, obwohl sie mit der Sonderstellung der Orthodoxie
nicht sonderlich glücklich sein können. Sie rechnen
jetzt allerdings auch damit, dass das Patriarchat seine vor zwei
Jahren in einer gemeinsamen Erklärung mit den anderen christlichen
Kirchen und den übrigen Religionsgemeinschaften gemachte
Zusage, ein allgemeines Religionsgesetz nicht zu blockieren, auch
einhält. Ein Textentwurf wurde im Justizministerium in Zusammenarbeit
mit anderen Religionsgemeinschaften bereits erarbeitet, der nach
Auskunft der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Religionen in
Georgien internationalen Standards voll und ganz entspricht und
die Rechte aller Religionen entsprechend den Grundsätzen
des Konkordates auch für andere Glaubensgemeinschaften festlegen
soll. Der Arbeitsgemeinschaft gehören die armenisch-apostolische
Kirche in Georgien, die Baptisten, die Katholiken und Evangelisch-Lutherische
Kirche Georgiens an. Das Justizministerium hat allerdings bereits
berichtet, das Patriarchat habe nach der Unterzeichnung seines
Konkordats bereits angedeutet, dass es dem Entwurf zum Religionsgesetz
in seiner jetzigen Form nicht zustimmen könne, und hat erst
einmal weitere Beratungen angemahnt, während Staatsminister
Awtandil Dschorbenadse den Justizminister aufforderte, den Gesetzesentwurf
möglichst rasch im Parlament einzubringen.
Gottesdienst in der Sioni Kathedrale
Wie ernst
es der Orthodoxie mit der Zusammenarbeit mit anderen Religionen
ist, wurde im Juni diesen Jahres deutlich. Auf Einladung verschiedener
NGO`s trafen sich in der Tbilisser Regierungsresidenz Krtzanissi
die Führer aller grossen Religionen im Kaukasus zu einer
Konferenz mit dem Thema "Frieden der Religionen im Kaukasus".
Eingeladen und anwesend waren neben dem Patriarchen auch andere
christliche Religionen, die Juden und der Scheich aus Baku, das
Oberhaupt der azerbaidschanischen Muslime. Die georgische Öffentlichkeit
wurde von dieser Konferenz so gut wie nicht unterrichtet, da eine
weise Führung dafür gesorgt hatte, dass bei der abschliessenden
Pressekonferenz nur armenische und azerbaidschanische aber keine
georgischen Journalisten anwesend waren. Meldungen und wohl auch
Fotos, wonach der Patriarch mit den Führern anderer Religionen
an einem Tisch sitzt, vertragen sich anscheinend nicht mit dem
Anspruch der Orthodoxie, doch so etwas wie eine Nationalkirche
in Georgien zu sein.
Neubau der Dreifaltigkeits-Kathedrale
in Tbilissi
Die Art und
Weise, wie das Religionsgesetz behandelt und verabschiedet werden
wird, wird Auskunft darüber geben, ob die in der Verfassung
garantierte Religionsfreiheit in Georgien auch wirklich gewollt
wird. Eduard Schewardnadse, so heisst es, dränge angesichts
des Drucks seiner internationalen Freunde auf eine schnelle Klärung
dieser Frage. Ob sein Konkordatspartner, das georgische Patriarchat
mitspielt, wird schon die nahe Zukunft zeigen. Mit dem Konkordat
in der Tasche, so fürchten nicht wenige, schwindet auch die
Bereitschaft des Patriarachts, die Existenz anderer Kirchen und
Religionen in Georgien anzuerkennen.
Devotionaliengeschäft des Patriarchats
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