Ausgabe 16/02, 23. Okt. Archiv
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"Ich bin der glücklichste Mensch, dass ich dieses Dokument unterschreiben darf" erklärte Eduard Schewardnadse am 14. September in der Kathedrale von Sweti Zchoweli, bevor er zusammen mit Ilia II., dem Patriarchen der georgischen orthodoxen Kirche, das Konkordat zwischen Staat und Kirche unterzeichnete, um dessen Text lange genug gerungen wurde. Abgeordneten des georgischen Parlaments muss das irgendwie komisch in den Ohren geklungen haben, war es doch der georgische Staatspräsident, der durch hinhaltenden Widerstand die Verabschiedung des Konkordats offensichtlich verzögert hatte. Es war schliesslich ein parteiübergreifender Parlamentsausschuss, der den Text mit dem Patriarchat ausgehandelt hatte und Schewardnadse gar mit einer Gesetzesinitiative drohen musste, damit dieser das Papier absegnete. Alle anderen Religionen und Glaubensgemeinschaften warten jetzt darauf, dass durch die Verabschiedung eines Religionsgesetzes auch ihre Situation rechtlich einwandfrei geregelt wird.

Mit diesem Konkordat hat die Orthodoxie nicht alle ihre Ziele erreicht, denn eigentlich wollte sie qua Verfassung in den Rang einer Nationalkirche erhoben werden. Da eine solche Verfassungsklausel den internationalen Normen, die Georgien zum Beispiel mit dem Beitritt zum Europarat akzeptiert hat, widerspricht, musste die in der Verfassung betonte besondere Rolle der georgischen Orthodoxie in einem eigenen Staatsvertrag festgelegt werden. Damit hat die Orthodoxie trotz der in der Verfassung proklamierten Religionsfreiheit gegenüber den anderen Religionen einen besonderen Status erhalten, wenngleich sie sich nicht Nationalkirche nennen darf. Das Patriarchat feierte diesen halben Erfolg dennoch als historisches Ereignis, das nur mit der Einführung des Christentums als Staatsreligion durch König Mirian im Jahr 337 verglichen werden könne.


Der heilige Synod beim Festgottesdienst in Sweti Zchoweli

Der georgische Patriarch Ilia II erinnerte vor der Unterzeichnung des Konkordates an den "schwierigen Weg, den unser Land 2000 Jahre lang gehen musste und der durch den 70 Jahre währenden Atheismus fast zerstört worden war." Ziel des Konkordates sei es, der Kirche mehr Möglichkeiten zu geben, sich um das Wohlergehen des georgischen Volkes zu kümmern. Die Kirche sei die Kraft, die das georgische Volk einige. Mit Gottes Hilfe sei sie jetzt in der Lage, Sektierern und Proselyten zu antworten.


Präsident Eduard Schewardnadse nach der Unterzeichnung des Konkordats

Auch Präsident Eduard Schewardnadse zitierte den Geist der Geschichte, als er an die georgischen Könige erinnerte, die in Sweti Zchoweli gesegnet und begraben wurden. "Solange ich Präsident bin und auch danach werde ich dafür sorgen, dass Buchstaben und Geist des Konkordats erfüllt werden. Unser heutiger Sieg ist ein wirklicher Sieg." Den Feiertagsgottesdienst musste der Patriarch mit seinem heiligen Synod und Tausenden von Gläubigen dann ohne den Beistand des Staatsoberhauptes zelebrieren, denn gleich nach der Unterzeichnung des Konkordats verliess Eduard Schewardnadse die hermetisch abgeriegelte Kathedrale, in der nur zunächst geladene Gäste zugelassen waren, und widmete sich dem weltlichen Programm von Mzchetoba, einem der grössten Volksfeste in Georgien.


Zunächst ausgesperrt: Tausende Gläubige vor Sweti Zchoweli

Das Konkordat sichert der Kirche absolute Selbständigkeit bei der Regelung ihrer internen Angelegenheiten zu und gibt ihr den Status einer Person des öffentlichen Rechts. Der Staat schützt das Beichtgeheimnis der Priester, befreit diese vom Militärdienst, sichert aber religiöse Betreuung in Kasernen und Gefängnissen durch die Orthodoxie zu. Der Staat erkennt kirchlich geschlossene Ehen an, sie müssen vom Staat nur zusätzlich registriert werden. Die Kirche kann an öffentlichen Schulen Religionsunterricht anbieten, der allerdings freiwillig ist. Die Lehrpläne müssen vom Staat genehmigt werden.

Beide Seiten erkennen gegenseitig Urkunden, Diplome und Bildungsabschlüsse an und arbeiten in Programmen für den sozialen Schutz der Bevölkerung zusammen. Auch der wirtschaftliche Status der Kirche wird definiert, sie ist von Steuern befreit, darf allerdings keine direkte unternehmerische Tätigkeit ausüben. Die Kirche erhält ihr früheres Eigentum wieder zurück, alle Kirchen und Klöster, auch diejenigen, die derzeit von der Kirche nicht genutzt werden, gehen samt Grund und Boden ins Eigentum der Kirche über. Alle Kirchenschätze, die als Bestandteil des nationalen Kulturerbes in staatlichen Museen ausgestellt sind, gehen in den gemeinsamen Besitz von Staat und Kirche über. Archäologisch und kulturell wertvolle Bauten im Kirchenbesitz werden von Staat und Kirche gemeinsam geschützt und gepflegt, wie sich der Staat in Verhandlungen mit anderen Ländern auch dafür einsetzt, dass georgische Kirchen auf deren Territorium einen besonderen Schutz erhalten.


Kathedrale Sioni in Tbilissi

In einem Paragraphen erkennt der Staat den materiellen und moralischen Schaden an, der der Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere von 1921 - 1990 zugefügt wurde. Soweit der heutige Staat Besitzer von damals beschlagnahmten Eigentum der Kirche ist, verpflichtet er sich, den Schaden teilweise wieder zu begleichen. Eine paritätisch besetzte Kommission aus Staat und Kirche soll bereits einen Monat nach Unterzeichnung des Dokuments ihre Arbeit aufnehmen.

Die übrigen Glaubengemeinschaften in Georgien haben das Konkordat im wesentlichen gut geheissen, obwohl sie mit der Sonderstellung der Orthodoxie nicht sonderlich glücklich sein können. Sie rechnen jetzt allerdings auch damit, dass das Patriarchat seine vor zwei Jahren in einer gemeinsamen Erklärung mit den anderen christlichen Kirchen und den übrigen Religionsgemeinschaften gemachte Zusage, ein allgemeines Religionsgesetz nicht zu blockieren, auch einhält. Ein Textentwurf wurde im Justizministerium in Zusammenarbeit mit anderen Religionsgemeinschaften bereits erarbeitet, der nach Auskunft der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Religionen in Georgien internationalen Standards voll und ganz entspricht und die Rechte aller Religionen entsprechend den Grundsätzen des Konkordates auch für andere Glaubensgemeinschaften festlegen soll. Der Arbeitsgemeinschaft gehören die armenisch-apostolische Kirche in Georgien, die Baptisten, die Katholiken und Evangelisch-Lutherische Kirche Georgiens an. Das Justizministerium hat allerdings bereits berichtet, das Patriarchat habe nach der Unterzeichnung seines Konkordats bereits angedeutet, dass es dem Entwurf zum Religionsgesetz in seiner jetzigen Form nicht zustimmen könne, und hat erst einmal weitere Beratungen angemahnt, während Staatsminister Awtandil Dschorbenadse den Justizminister aufforderte, den Gesetzesentwurf möglichst rasch im Parlament einzubringen.


Gottesdienst in der Sioni Kathedrale

Wie ernst es der Orthodoxie mit der Zusammenarbeit mit anderen Religionen ist, wurde im Juni diesen Jahres deutlich. Auf Einladung verschiedener NGO`s trafen sich in der Tbilisser Regierungsresidenz Krtzanissi die Führer aller grossen Religionen im Kaukasus zu einer Konferenz mit dem Thema "Frieden der Religionen im Kaukasus". Eingeladen und anwesend waren neben dem Patriarchen auch andere christliche Religionen, die Juden und der Scheich aus Baku, das Oberhaupt der azerbaidschanischen Muslime. Die georgische Öffentlichkeit wurde von dieser Konferenz so gut wie nicht unterrichtet, da eine weise Führung dafür gesorgt hatte, dass bei der abschliessenden Pressekonferenz nur armenische und azerbaidschanische aber keine georgischen Journalisten anwesend waren. Meldungen und wohl auch Fotos, wonach der Patriarch mit den Führern anderer Religionen an einem Tisch sitzt, vertragen sich anscheinend nicht mit dem Anspruch der Orthodoxie, doch so etwas wie eine Nationalkirche in Georgien zu sein.


Neubau der Dreifaltigkeits-Kathedrale in Tbilissi

Die Art und Weise, wie das Religionsgesetz behandelt und verabschiedet werden wird, wird Auskunft darüber geben, ob die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit in Georgien auch wirklich gewollt wird. Eduard Schewardnadse, so heisst es, dränge angesichts des Drucks seiner internationalen Freunde auf eine schnelle Klärung dieser Frage. Ob sein Konkordatspartner, das georgische Patriarchat mitspielt, wird schon die nahe Zukunft zeigen. Mit dem Konkordat in der Tasche, so fürchten nicht wenige, schwindet auch die Bereitschaft des Patriarachts, die Existenz anderer Kirchen und Religionen in Georgien anzuerkennen.


Devotionaliengeschäft des Patriarchats


Orthodoxes Priesterseminar



Evangelisch-Lutherische Kirche



Armenisch Apostolische Kirche







Katholische Kirche







Islamische Moschee







Jüdische Synagoge







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