Ausgabe 16/02, 23. Okt. Archiv
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Adscharien
Droht eine neue Sezession?

Eduard Schewardnadse wurde plötzlich sehr deutlich. Auf der letzten Kabinettssitzung erklärte er, wenn Adscharien Georgien verlassen wolle, solle man dies laut und deutlich sagen. Aber niemand solle glauben, dass es irgendjemanden gäbe, der dies zulassen würde. Damit erreichten die Rivalitäten zwischen den beiden Politik-Fürsten Georgiens, Eduard aus dem Zentrum Tbilissi und Aslan aus der Provinz Batumi, einen neuen Höhepunkt, den niemand so erwartet hatte.

Doch hinter der Fassade der Kooperation hat die Chemie zwischen den beiden eigentlich noch nie gestimmt. Aslan Abaschidse, der seine autonome Republik Adscharien manchmal wie ein aufgeklärter absolutistischer Fürst und manchmal wie ein gnadenloser KP-Generalsekretär führt, wurde von Schewardnadse im letzten Herbst mit dem ehrenvollen Titel "Persönlicher Beauftragter des georgischen Präsidenten für Abchasien" geehrt. Schewardnadse stand damals vor den Trümmern seiner Parlamentsmehrheit, nachdem er auf einen Schlag seine ganze Regierung hatte entlassen müssen. Abaschidses Partei Aghorzineba, bis dahin in heftiger Opposition nicht nur gegen Schewardnadse, sondern vielmehr gegen dessen heimlichen Kronprinzen Schwania, musste den angeschlagenen Präsidenten über den Winter retten, was ihr umso leichter fiel, als der in Aslans Augen unbeliebteste Politiker von Tbilissi, Surab Schwania, die Koalition Schewardnadses verlassen hatte. Der Adschare kann seine Ambitionen auf die Nachfolge Schewardnadses ebensowenig verbergen wie der frühere Parlamentspräsident, wenngleich ersterem in Tbilissi wenig Chancen eingeräumt werden.

Den Preis, den Aslan Abaschidse für seine parlamentarischen Hilfsdienste ziemlich direkt verlangte, musste Schewardnadse bezahlen: eine aussenpolitische Sonderrolle für den eitlen Provinzfürsten, der sich gerne als derjenige dem Wahlvolk präsentiert hätte, der Abchasien wieder nach Georgien geholt hätte. Mehr noch, der adscharische Präsident verlangte sogar, von Schewardnadse als möglicher Ministerpräsident Georgiens ins Spiel gebracht zu werden. Unter grossem innenpolitischen Druck in Tbilissi erfüllte Schewardnadse bei seinem Besuch in Batumi dem Adscharen diese Wünsche.

Und seither verhandelte Aslan fleissig mit Russen und Abchasen, ohne seinen präsidialen Auftraggeber in Tbilissi jemals über Absichten oder gar Verlauf seiner Gespräche zu informieren. Und als dieser ihn vor einigen Wochen aufforderte, endlich in Tbilissi zum Rapport zu erscheinen, verzog sich der schmächtige Provinzfürst erst einmal in die USA, wo ein russischer Astronaut zu einem amerikanischen Weltraumflug startete. Der Geburtsort des Russen ist Batumi, wo - Juri Gagarin lässt grüssen - mittlerweile schon eine Strasse nach ihm benannt wurde.

Davor war aber bereits klar geworden, dass die Vorschläge Abaschidses zur Lösung des Abchasien-Konflikts in Tbilissi auf heftigsten Widerstand stossen würden, wenngleich sie zumindest im Ansatz durchaus erfolgversprechend sein könnten. Abaschidse, dem beste Beziehungen zu Moskau, insbesondere zur dortigen Generalität nachgesagt werden, schlug vor, das Verhältnis zu Abchasien zunächst einmal durch eine Verstärkung wirtschaftlicher Kontakte und dem Ende des GUS-Wirtschaftsboykotts neu zu gestalten. Unter anderem soll das Inguri-Kraftwerk den Abchasen übergeben und die Eisenbahnlinie durch Abchasien wierder eröffnet werden. Diese und andere Überlegungen hatte Aslan seinem Präsidenten in einem Brief mitgeteilt.

In diesem Brief formulierte Abaschidse allerdings auch heftige Vorwürfe gegenüber Schewardnadse, indem er ihm die Verantwortung für den Ausbruch des Abchasienkrieges 1992 anlastete. Er, Aslan, habe damals schon vor einem Ausbruch von Gewalt gewarnt. Damit machte er Schewardnadse persönlich für den Verlust Abchasiens verantwortlich, was dieser so nicht hinnehmen konnte.

Den aktuellen grund für die Feindseligkeiten fand Schewarnadse in einem Bericht seines Finanzministers, der das Fehlen von 82 Millionen GEL im staatlichen Budget während der ersten neun Monate des Jahres einräumen musste. Allein 29 Millionen fehlen, weil der adscharische Finanzminister sich beharrlich weigert, der Zentrale in Tbilissi die entsprechenden Gelder zu übeweisen. Das Zentrum schulde Adscharien seinerseits 130 Millionen GEL, heisst es, weshalb man Zahlungen an den Finanzminister eingestellt habe.

Der Verbal-Konflikt eskalierte, als Schewardnadse zusätzliche Polizei- und Zollkontrollen an den Ausfahrtstrassen von Adscharien verlangte, um endlich der unkontrollierten Warenströme, die aus der Türkei über Adscharien nach Georgien fliessen, Herr zu werden. Für die adscharischen Zollbehörden und damit auch den Clan von Aslan Abaschidse bildet gerade diese besondere Form einer "Freihandelszone" einer der Haupteinnahmequellen.

Weiteren Konfliktstoff liegt in der russischen Militärbasis in Batumi. Während Tbilissi eine rasche Auflösung der Basis entsprechend dem OSZE-Gipfel von Istanbul verlangt, hat sich der listige Adschare auf die Seiten der Russen geschlagen. Nur mit ihrer Präsenz, so seine Meinung, könne er den Kurs gesteigerter Unabhängigkeit von Tbilissi fahren, ohne selbst Georgien verlassen zu müssen. Denn eine Sezession a la Abchasien dürfte für Aslan Abaschidse wenig verlockend sein. Zum einen sitzt er mit seiner Partei fest im georgischen Parlament, zum anderen dürfte - anders als im Fall Abchasien und Russland - sein Nachbar Türkei angesichts der intensiven militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Georgien wenig Interesse an einer wirklichen Eskalation der Spannungen haben. So ist bei allen Wortgefechten der Streit zwischen Tbilissi und Batumi nichts anderes als eine persönliche Fehde zweier alternder Politstars.

 
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